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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 43. 1896.

Niemand zu Liebe, niemand zu Leide! Mit dieser Unterschrift hat unser Kaiser eine Zeichnung der Öffentlichkeit übergeben, welche er selbst entwarf und durch Professor Knackfuß in Wirkung setzen ließ. Eine heliographische Nachbildung derselben ist in Professor Roeses Meisteratelier der Reichsdruckerei zu Berlin hergestellt worden und dieses Kunstblatt giebt die untenstehende Abbildung in Holzschnitt wieder. Diese bildliche Darstellung erinnert an eine Stelle in der Rede des Kaisers, welche er bei der Enthüllungsfeier des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Frankfurt a. M. am 10. Mai dieses Jahres hielt: „Und so hoffe ich, daß ein jeder mit mir darin übereinstimmen wird, daß es unsere Pflicht ist, unser Volk in Waffen hoch zu halten, zu achten und zu ehren … daß auch wie bisher der deutsche Michael in goldener Wehr strahlend, vor dem Thore des Friedenstempels der Welt stehend, dafür sorgen wird, daß niemals böse Geister im stande sein werden, den Frieden unseres Landes ungerächt zu stören.“

Demgemäß erblickt man auf der Zeichnung einen tempelartigen Bau, unter dessen säulengetragener Halle im Hintergrunde allegorische Gestalten der Beschäftigungen und Künste des Friedens: Musik, Kunstgewerbe, Geschichte, Landwirtschaft, Industrie, Unterricht, sichtbar sind. Am Eingang zur Halle steht in ruhiger stolzer Haltung zwischen zwei die Treppen flankierenden Löwen der deutsche Michael, die Rechte aufs Schwert gestützt, in der Linken den Schild mit dem Adler haltend, auf der Brust ein großes Eisernes Kreuz. Gegen die Stufen des Friedenstempels stürmen vergeblich die Dämonen des Kriegs an mit Flammenschwert und Lanze, mit Brandfackel und Geißel. Das Bild mit seiner Unterschrift „Niemand zu Liebe, niemand zu Leide!“ ist also eine Art gezeichneten Friedensmanifests unseres Kaisers und wird schon als solches allseitiges sympathisches Interesse erwecken.

Wieviel ist der Genfersee wert? Im Zusammenhang mit der Thatsache, daß das Becken des Genfersees in etwa 64000 Jahren durch den Schlamm der Rhone ausgefüllt sein dürfte, welche dann an der Stelle des Sees nur einen schmalen Wasserstreifen durch eine allmählich austrocknende Ebene ziehen wird, behandelte der Schweizer Naturforscher Forel neuerdings die Frage, ob die Bewohner der Umgegend (falls es deren alsdann noch geben wird) Grund haben werden, mit der eintretenden Wandlung der Dinge unzufrieden zu sein. In landschaftlicher Beziehung bildet natürlich der wundervolle Spiegel des Sees einen ungleich schöneren Anblick, als sein ausgefülltes Becken es jemals kann, aber in wirtschaftlicher Hinsicht scheint es ein wenig anders zu liegen. Den Nutzertrag des Sees liefert heute hauptsächlich die Fischerei, die selten mehr als 200000 Franken im Jahre ergiebt, während der später angeschwemmte Boden in seinem Umfang von 58000 Hektaren selbst bei der wenig einträglichen Waldwirtschaft eine Jahresrente von 7 Millionen Franken versprechen würde. Indessen auch so stimmt das Exempel wiederum nicht ganz. Das große Becken des Genfersees ist für die ganze Umgebung ein klimatischer Faktor ersten Ranges und zwar in durchaus günstiger Weise. Sein Spiegel fängt während des ganzen Jahres eine ungeheure Wärmemenge auf und strahlt etwa ein Drittel davon auf die Berge des Ufers zurück, wo die Ueppigkeit der Felder, der Gärten und Weinberge vom Verbleib dieser reflektierten Sonnenstrahlen zeugen. Im Herbst beginnt der See endlich alle jene Massen von Wärme wieder auszuatmen, die er während des Sommers eingeschluckt hat und mit deren Hilfe er nun die Temperatur der Umgebung erhöht, als ob die Wasser des Golfstromes die Küsten bespülten. Dieser Vorteil für die Fruchtbarkeit, die Gesundheit und Milde des Klimas am Genfersee läßt sich nicht ziffermäßig nach Millionen berechnen, aber er ist ohne Zweifel groß genug, um es als eine Erleichterung empfinden zu lassen, daß dieses herrlichste aller Schweizer Becken erst in einem Zeitraum von 64 Jahrtausenden von der Erde verschwinden soll. Bw.     

Das Alter der Nadeln des Tannenbaumes. Immergrün nennen wir die Nadelhölzer, denn sie werfen nicht wie die Laubbäume ihre Blätter in jedem Herbste ab. Wie lange aber bleiben die Nadeln an den Zweigen der Bäume hängen? Die Frage ist noch nicht genau beantwortet. Nach neuesten Untersuchungen, über die in der „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen“ berichtet wurde, läßt sich von der Lebensdauer der Nadeln folgendes berichten: Bei den meisten Kiefern bleiben die Nadeln 2½ bis 3 Jahre am Zweige, beim Krummholz der Hochgebirge werden sie bis 7½ Jahre alt; bei den Fichten währt die Lebensdauer etwa 3 Jahre, während sie bei den Tannennadeln durchschnittlich 7 bis 8, oft aber sogar bis 12 Jahre beträgt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 740a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0740_a.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2024)