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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

gleich die Freude wieder: daß die Geliebte sich eins mit ihm fürs Leben fühlte, das hatte ihm kein Händedruck, kein leuchtender Blick und auch nicht ihr Kuß so deutlich gesagt wie dieses leise, zitternde Wort, mit dem sie ihm das Geheimnis des Bruders anvertraute! In tiefer Bewegung umschlang er sie.

Und da blickte sie zu ihm auf und flüsterte: „So viel gut bin ich Dir … schau, so viel gut!“

„Und auf mich kannst Dich verlassen! Fest, sag’ ich Dir … fest!“

Weiter sprachen sie kein Wort. Eng aneinander geschmiegt, stiegen sie Schrittlein um Schrittlein thalwärts im stillen, leuchtenden Frühlingsabend.

Am Himmel glomm der Schein des ersten Sternes auf, als man drunten im Dorf den Abendsegen läutete.

Der schwebende Hall war schon eine Weile verstummt – da wurde noch eine andere Glocke gezogen: das Zügenglöckl, das einen Tod verkündete.

Die beiden hörten den klagenden Ton dieser Glocke nicht. So ganz versunken waren sie in ihr lebendes Glück!

Es wurde dunkler Abend, bis sie das Dorf erreichten. Sie hatten den Weg an der Daxen-Schmiede vorüber genommen, und so sehr es Vroni zu Karlin’ zog, auf ein Grüßgott mußte sie doch bei Schorschls „dickem Mutterl“ vorsprechen und sich ein „Schnauferl“ in der Luft des Hauses vergönnen, in dem sie wohnen und schalten sollte als junge Frau. In der durch die Fürsorge der Bäckenmahm’ so traulich verwandelten Stube fanden sie den Tisch gedeckt und daneben im Lehnstuhl die Mahm’, die seit der Heimkehr der Gesellen mit zappeliger Ungeduld auf ihr „Schorscherl“ gewartet hatte. Da gab es nun eine Scene, bei der die dicke Mahm’ vor freudigem Staunen dicke Thränen vergoß; und das „liebe Bildl“ des jungen Paares, beteuerte sie, thäte ihrem Herzen doppelt wohl nach dem jammervollen Anblick, den sie hätte mit ansehen müssen: vor einer Stunde, als sie im Lehnstuhl vor der Hausthür gesessen, hätte man den Purtscheller als stillen Mann auf der Straße vorübergetragen, und neben der blutigen Reisigbahre wäre die arme Frau gegangen – –

„Jesus Maria!“ stammelte Vroni, aus all der stillen Freude ihres Glückes aufgerüttelt. Und da war sie nicht mehr zu halten. „Ich bitt’ Dich, Schorschl, hol’ mir die Kinder von der G’vatterin … ich lauf zur Linerl ’nüber …“ Sie stürzte davon und hörte nicht mehr, was Schorschl ihr nachrief.

Eine halbe Stunde später stand der junge Schmied mit den beiden Simmeraukindern vor dem Purtschellerhof und wartete. Die Straßenlampe, die am Stamm einer Pappel hing, warf ihren matten Lichtschein über den dunklen Weg. Der Vorgarten des Purtschellerhauses war mit Leuten angefüllt; sie redeten halblaut zu einander, schlichen durch die Hausthür aus und ein, oder drängten sich um die Fenster, welche vom Schein der Wachskerzen wie festlich beleuchtet erschienen. Hastigen Schrittes ging der Pfarrer, der das weiße Chorhemd trug, an Schorschl und den Kindern vorüber, und ihm folgte der Meßner mit dem Weihbrunnkessel.

„Du?“ fragte das kleine Zenzerl den Daxen-Schorschl. „Thun s’ Hochzet halten da drin?“

„Ja, mein Mäderl!“ sagte Schorschl, von diesem Kinderwort erschüttert. „Freilich thut einer Hochzeit halten … Hochzet für alle Ewigkeit! Und ’s Bräutl heißt Leben, und der Hochzeiter heißt Stehnimmerauf!“

„Stehnimmerauf?“ plapperte das kleine Mäulchen und lachte. „Is das aber ein g’spaßiger Nam’!“

Neugierig lugten die Kinder nach den erleuchteten Fenstern und wollten wissen, wann die „Musi“ käme.

Schorschl vergaß zu antworten, denn er sah, daß sich Vroni durch die im Garten stehenden Leute gegen die Straße drängte. „Schatzer!!“ rief er. „Da bin ich schon!“

Sie zitterte vor Erregung an allen Gliedern und hatte verweinte Augen. „Schorschl, Schorschl,“ stammelte sie, während die beiden Kinder sich jubelnd an ihre Schürze hängten, „wie mich das arme Frauerl da drin derbarmt, das kann ich Dir gar net sagen! So gern wär ich d’ Nacht über blieben bei ihr … aber mit der eiskalten Hand hat’ s’ mir so viel lind über’s G’sicht g’strichen und hat’s Köpfl g’schüttelt … und g’sagt hat s’ kein Wörtl net!“ Sie brach in Schluchzen aus.

Das fanden nun die Kinder merkwürdig, daß bei einer Hochzeit geweint wurde. Doch Pepperl grübelte sich für dieses Rätsel eine Lösung aus: „Gelt, Vronerl, thust weinen, weil D’ jetzt schon heim mußt vom Tanzen? Geh, bleiben wir noch ein bißl da, bis d’ Musi anfangt!“

Erschrocken sah sie den Knaben an; aber als ihr Schorschl die Erklärung dieser Kinderworte zuflüsterte, sagte sie: „Ja, Schorschl, lassen wir s’ drauf! Besser, sie glauben an d’ Freud’ im Leben, als wie ans andere!“ Ihre Thränen von den Wangen trocknend, küßte sie die Kinder, kniete vor ihnen auf die Straße nieder, knöpfte ihnen die Kittelchen zu und wand ihnen die wollenen Tüchel fürsorglich um die Hälschen, damit sie die Kühle des Abends nicht spüren möchten. (Schluß folgt.)



Blätter und Blüten.


Nochmals das Bluten der Marienkäfer. In Nr. 19 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube“ wird in dem Aufsatz „Aus dem Arsenal der Tierwelt“ auch das Bluten der Marienkäfer besprochen. Ganz richtig heißt es dort, daß schon der Altmeister Leydig erkannt hat, daß jene gelbe Flüssigkeit, welche die Käferchen in wirklicher oder vermutlicher Gefahr absondern, mit dem Blute der Tiere identisch ist. Die weitere Angabe aber, daß dieser Vorgang dadurch entstehe, daß der Druck des plötzlich zum Stillstand gebrachten Blutes die Haut in den Punkten des geringsten Widerstandes sprenge und so ein Tropfen herausgepreßt werde, beruht auf einer ganz irrigen Annahme des französischen Gelehrten Cuénot. Ein deutscher Forscher, K. G. Lutz, hat kürzlich überzeugend nachgewiesen, daß das Blut durch eine Spalte in der Gelenkhaut des Knies austritt. Wenn beim „Sichtotstellen“ das Blut infolge starker Zusammenziehung der Hinterleibsringel in die Beine gepreßt und gleichzeitig am Zurückfließen gehindert wird, so wird durch die Kontraktion des Beugemuskels des Unterschenkels (tibia) – vorausgesetzt, daß sie das normale Maß übersteigt – die Bahn frei. Durch die starke Beugung des Unterschenkels lockert sich nämlich der feste Verschluß zwischen Sehne und Oberschenkel, und indem der Unterschenkel wie die Klinge eines zuklappenden Taschenmessers zwischen die beiden Kanten des Oberschenkels eingedrückt wird, tritt infolge des erhöhten Druckes das Blut durch die Spalte der Gelenkhaut aus dem Kniegelenke. Bei dem bekannten gemeinen Marienkäfer, der auf roten Flügeldecken sieben schwarze Punkte trägt, hat Lutz oft beobachtet, wie er die Tarsen (die Fußglieder) während des Blutens an den Rand der Vertiefung, in welche die Beine eingelegt werden, anstemmt, wodurch die Beugung des Unterschenkels noch wesentlich unterstützt wird. Sobald die Kontraktion des Hinterleibes und damit die Zurückdrängung des Blutes, sowie ferner die verstärkte Kontraktion des Beugemuskels des Unterschenkels aufhört, wird auch das Bluten unmöglich. Sehr schnell trocknet die Blutflüssigkeit ein und wird dann so klebrig und zähe, daß die Käfer nicht selten mit ihrem eigenen Blute kleben bleiben; deshalb bemühen sich die Tiere auch stets, das geronnene Blut zu entfernen. – Während man früher das Bluten der Marienkäfer (welches nur beim „Sichtotstellen“ erfolgt) als einen bewußten, überlegten Akt der Tierchen auffaßte, hat in der letzten Zeit die Ansicht die Oberhand gewonnen, daß man es mit einer Art Starrsucht vor Angst und Schrecken zu thun hat. Doch wohl mit Unrecht! Beruht das Sichtotstellen auf einem Starrkrampfe (Tetanus), so ist das Bluten die Folge desselben; wenn aber die Starre von der Willkür des Tieres abhängt, so ist auch die Blutung eine willkürliche. Nun sind schon Fälle von willkürlichem Blutspritzen aus der Insektenwelt bekannt. So lebt in der Sahara eine Heuschrecke (Eugaster Guyoni), welche aus 40 bis 50 cm Entfernnng ihren Verfolger mit Blut bespritzt, welches durch Poren der dünnhäutigen Oberseite zwischen Hüfte und Schenkelring unter hohem Drucke ausgespritzt wird. Da wir nun in dem Bluten der Marienkäfer ein Verteidigungsmittel gegen insektenfressende Tiere erblicken, so müssen wir es als einen willkürlichen, durch Vererbung überkommenen Vorgang ansehen. Auch das Anstemmen der Tarsen während des Blutens ist ein Beweis dafür, daß es sich nicht um einen Starrkrampf, sondern um einen willkürlichen Vorgang handelt. Endlich geht aus der Beschaffenheit der Spalte, welche von einer doppelt konturierten Haut gebildet wird, hervor, daß sie nicht erst unmittelbar vor dem Blutaustritt entsteht, sondern schon vorhanden ist, wenn der Käfer die Puppenhülle verläßt. H. Reeker.     

Strickende Schäferin. (Zu dem Bilde S. 725.) Trübe Herbststimmung beseelt dieses Bild, das für die Landschaft, die es uns vorführt, wie für den Maler, der es geschaffen hat, gleich bezeichnend ist.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 739. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0739.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)