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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

werden, sowie aus den Wieseninseln oder Halligen Jordsand, Oland, Langeneß-Nordmarsch, Gröde, Habel, Hamburger Hallig, Hooge, Nordstrandisch Moor, Norderoog, Süderoog und Südfall, zu denen als neu entstanden Heimaand in der Meldorfer Bucht hinzukommt. Davon sind Jordsand, Norderoog und Helmsand unbewohnt, Hamburger Hallig, Süderoog und Südfall nur von einer Familie bewohnt, Hooge und Langeneß-Nordmarsch dagegen von größeren Gemeinden. Alle Halligen bestehen aus sehr fruchtbarem Marschboden und wurden zu der Zeit, als sie noch Bestandteile eingedeichter Marschlandschaften bildeten, mit Getreide bestellt; das läßt sich u. a. mit Sicherheit an der ehemaligen Landeinteilung erkennen, die sich auf einigen Wattenflächen mit auffallender Deutlichkeit erhalten hat. Seit dem Verlust ihres Zusammenhanges mit bedeichten Landschaften wird nur noch Viehzucht auf ihnen betrieben, weil sie bei ihrer sehr geringen Höhe über dem normalen Flutstande durch jeden heftigen Sturm überschwemmt werden. (Vergleiche die Abbildungen auf dieser Seite.)

Hallig bei geringer Überschwemmung.

Jnfolge dieses Umstandes gehören sie zu den merkwürdigsten Inseln der Erde, auf denen sich durchaus eigentümliche Wirtschaftsverhältnisse herausgebildet haben. Sämtliche Gebäude, Gärten und Trinkwasserbehälter liegen auf 4 1/2 bis 5 m hohen künstlichen Hügeln, den Werften (friesisch: Warfen oder Wurthen). Von hier wird für den Sommer und Herbst (11. Mai bis 10. November) das Vieh auf die Weiden gelassen, um nur bei drohender Gefahr auf die Werften getrieben zu werden, auf denen es sich auch von selbst zur Tränke einfindet, während es in den übrigen Monaten in den Stallungen bleibt. Die ganze, völlig ebene Flur ist mit Poagras bewachsen, welches nur auf solchen Ländereien gedeiht, die den Seeüberschwemmungen ausgesetzt sind, und welches anderen Grasarten weicht, sobald das Land dem Salzwasser durch Deiche entzogen wird. Der reiche Ertrag, den es alljährlich ohne andere Düngung als den Schlammabsatz des Ueberschwemmungswassers gewährt, dient zur Hälfte für die Weide, zur anderen Hälfte für das Winterheu, dessen Ernte in kluger Anpassung an die gegebenen Verhältnisse vom 24. Juni bis Mitte oder Ende August die gesamte Bevölkerung in eifriger Thätigkeit erhält. Vor Eintritt des Winters wird dann alles nicht zur Zucht bestimmte Vieh verkauft und für den Erlös das Haus mit den Lebensbedürfnissen versorgt, welche die Inseln selbst nicht hervorzubringen vermögen, also außer Fleisch, Eiern, Butter, Milch, Käse und Feuerung, mit allem übrigen. Als Brennmaterial dient der von den Weiden gesammelte und der in den Gruben aufbewahrte Dünger, entweder unmittelbar so, wie ihn die Natur hervorbringt, oder mit Heuabfällen zu einer Art Torf gemischt, der in viereckige Stücke gestochen und an der Luft getrocknet wird, die sogenannten Ditten.

Hallig bei Sturmflut.

Die gesamte Lage der Bewohner wäre nun an sich keineswegs bedauerlich, wie jeder glauben könnte, der die Halligen nicht aus hinreichender Anschauung kennt, wenn nicht jeder Sturm an den etwa meterhohen senkrechten Uferkanten (vgl. Abbildung S. 608) eine Brandung erzeugte, die das Land sozusagen wegfrißt. Dadurch nehmen die Inseln von Jahr zu Jahr an Umfang ab, mitunter sehr beträchtlich, wie z. B. in den Jahren 1894 und 1895 mit ihren ernstlich gefahrvollen Orkanen, und das hat dahin geführt, den Landbesitz zum Gemeingut aller zu machen. Jeder Stellenbesitzer hat dabei zwar seinen der Größe nach bestimmten Anspruch auf Mäh- und Weideland, aber nicht auf eine unveränderliche Lage seines

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0697.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)