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zugleich aber auch die entschiedene Willensmeinung des Großherzogs kundgab, „daß der Grundsatz der Selbständigkeit der katholischen Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten zur vollen Geltung gebracht werde“. Das Konkordat fiel, und an seine Stelle trat der Grundsatz gesetzlicher Regelung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, indem zugleich für alle Gebiete des öffentlichen Lebens das Prinzip freiheitlicher Entwicklung aufgestellt ward.

Was nun die äußere Politik betrifft, so war, seitdem Prinz Wilhelm von Preußen, des Großherzogs Schwiegervater, an Stelle seines erkrankten Bruders, des Königs Friedrich Wilhelm IV., in Preußen die Regierung übernommen hatte, die Idee der bundesstaatlichen Einigung Deutschlands unter preußischer Führung und mit Ausschließung Oesterreichs auf die Tagesordnung gesetzt worden, und Großherzog Friedrich ist sofort mit nachhaltigem Ernst und mit selbstverleugnender Aufopferung für diesen Gedanken, für die nationale Einigung Deutschlands eingetreten. Auf dem Fürstentage in Baden-Baden (16. bis 18. Juni 1860) sprach er sich mit Entschiedenheit für die Gründung eines deutschen Bundesstaates mit Parlament aus. Auf dem Frankfurter Fürstenkongreß von 1863 weigerte er sich, an irgend einer Neugestaltung Deutschlands ohne volle Zustimmung Preußens teilzunehmen. Trotzdem aber sah er sich 1866 als konstitutioneller Fürst genötigt, der Meinung seiner Minister und der Landesvertretung Rechnung tragend, sich mit den übrigen Staaten Süddeutschlands gegen Preußen zu erklären.

Mit dem Frieden wurde jedoch sofort das geheime Schutz- und Trutzbündnis Badens mit Preußen geschlossen, und in der Thronrede, mit welcher der Großherzog 1867 den Landtag eröffnete, sagte er: „Mein Entschluß steht fest, der nationalen Einigung mit dem Norddeutschen Bunde unausgesetzt nachzustreben, und gern werde ich und wird mit mir mein getreues Volk die Opfer bringen, die mit dem Eintritt in denselben unzertrennlich verbunden sind. Sie werden reichlich aufgewogen durch die volle Teilnahme an dem nationalen Leben und die erhöhte Sicherheit für die freudig fortschreitende innere Staatsentwicklung, deren Selbständigkeit zu wahren stets Pflicht meiner Regierung sein wird.“

1868 ernannte der Großherzog den preußischen Militärbevollmächtigten General v. Beyer zum badischen Kriegsminister; die Reorganisation der badischen Division wurde ungesäumt durchgeführt, wodurch sie befähigt wurde, die ihr während des deutsch-französischen Krieges zufallenden schwierigen Aufgaben in so ruhmvoller Weise zu lösen. Am 2. Oktober 1870 beantragte Baden seinen Eintritt in den Norddeutschen Bund, am 15. November wurde der Verfassungsvertrag mit dem Norddeutschen Bunde und am 25. November die Militärkonvention mit Preußen abgeschlossen.

Großherzog Friedrich von Baden.
Nach einer Originalphotogrphie von Oskar Suck in Karlsruhe.

Kaiser Wilhelm I. ehrte seinen Bundesgenossen und Schwiegersohn, indem er ihn 1877 zum Generalinspekteur ernannte; 1888 ward er Generaloberst der Kavallerie mit dem Range eines Generalfeldmarschalls. Am 24. April 1892 vollendete Großherzog Friedrich das vierzigste Regierungsjahr, nachdem bereits im Herbst 1881 ihm und seiner Gemahlin vergönnt gewesen war, das Fest ihrer Silbernen Hochzeit und zugleich die Vermählung ihrer Tochter, der Prinzessin Viktoria, mit dem Kronprinzen von Schweden und Norwegen zu begehen. Der Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm (geb. 9. Juli 1857) ist seit dem 20. September 1885 vermählt mit Prinzessin Hilda, Tochter des früheren Herzogs Adolf von Nassau, jetzigen Großherzogs von Luxemburg.

Ihre schönste Erfüllung haben in der Ehe des Großherzogs Friedrich jene Worte gefunden, mit denen der damalige Prinzregent am 26. November 1855 dem Landtage seine Verlobung anzeigte: „Diese Verbindung, die mir persönlich so viel Glück verheißt, wird auch, das bin ich überzeugt, meinem Volke zum Segen gereichen.“ Durch ihre unermüdliche, segensreiche Thätigkeit im Dienste der Menschenliebe hat sich die Großherzogin die Zuneigung ihres Volkes erworben, Freud’ und Leid hat sie dem Gemahl getreulich tragen helfen.

Viel Schweres ist schon über beide hingegangen, besonders im Jahre 1888, als die zum Besuche des kaum genesenen ältesten Sohnes an die Küste des Mittelmeeres gereisten Eltern plötzlich durch die Botschaft von der tödlichen Erkrankung des blühenden jüngeren Sohnes, des Prinzen Ludwig Wilhelm, nach Hause zurückgerufen wurden. Sie sollten ihn nicht lebend wiedersehen; am 23. Februar, wenige Stunden vor ihrem Eintreffen, hatte er den letzten Atemzug gethan. Nur wenige Tage später folgte ihm der bis dahin so rüstige Kaiser Wilhelm I., und kaum hatte die Großherzogin den Sohn und den Vater dahingehen sehen, als der Tod auch noch den geliebten Bruder, den Kaiser Friedrich, aus dem Leben abrief. Selbst damals aber vergaß die edle Frau nicht ihres Werkes im Dienste der leidenden Menschheit, und diese Liebesthätigkeit stählte ihre Kraft, daß der Schmerz sie nicht niederzubeugen vermochte.

So wirkt sie auch heute noch als die treueste und verständnisvollste Genossin des Großherzogs. Möge dem trefflichen Fürsten noch lange vergönnt sein, für sein eigenes Land und für das gesamte deutsche Vaterland thätig zu sein und sich der Anerkennung und des Dankes der Nation zu erfreuen! E. M.     


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Aus der Hohen Tatra.

Von Johannes Schmal.

Wer die schweizer und österreichischen Alpen kennt, der wird von dem ersten Anblick der Centralkarpathen, zumal wenn er sich ihnen von der Süd- oder Ostseite nähert, überrascht sein. Unvermittelt, ohne die in den Alpen fast überall die Hochspitzen umgebenden Vorberge und allmählichen Erhebungen steigt hier der Gebirgsstock, einer von Giganten aufgetürmten Mauer gleich, aus der Ebene der Popper und der Weißen Waag empor. Man hat den in seiner Kruste erstarrenden Erdball mit einem gebratenen und dann erkalteten Apfel verglichen; nirgendwo trifft dies Gleichnis augenscheinlicher zu als in den Karpathen und ihrer Umgebung. Hier sieht man, wie die Erdoberfläche zusammengeschrumpft ist, wie große Tiefebenen hinabsanken, durch ihren seitlichen Druck die stehengebliebenen Erhebungen noch mehr emporpreßten und so aus einer großen Hochfläche diese buckelige Welt bildeten, die wir heute, nachdem sie durch die stille Thätigkeit von vielen vielen Jahrtausenden, durch die Wirkung des Wassers, den Wärmewechsel und die chemische Zersetzung hübsch ausgehobelt und gefeilt worden ist, Gebirgs- und Flachland nennen. Hätte diese gewaltige Naturthätigkeit, dieses stete und in unseren Tagen noch still und unmerklich fortdauernde Versinken nicht stattgefunden, so hätten wir eine Menge der interessantesten Dinge nicht; wir ermangelten beispielsweise der natürlichsten Landesgrenzen, der Stromschiffahrt, der Hochtouristik; es gäbe in Europa und auch in anderen Erdteilen eben weder Flußthäler noch Gebirgskämme, weder Almen noch Sennerinnen darauf, sondern nur ein großes ebenmäßiges Plateau, sich abdachend an der einen Seite, steil abfallend an der andern ins brandende Meer.

Wennschon für das geologisch geschulte Auge das ewige Walten der Natur, nicht nur das Nebeneinander, sondern auch das Nacheinander allüberall erkennbar ist, so bieten doch die Karpathen in dieser Beziehung ein besonders anschauliches Bild. Der Verwitterungsprozeß, der da unten in der Popperebene alles so sorgsam geebnet und geglättet hat, ist auch den senkrecht emporstrebenden Bergwänden und dem massiven Gestein an der Hochfläche, dem Granit und Phyllit, dem Gneis, der Hornblende und dem Glimmerschiefer zu Leibe gegangen. Die Massengesteine hatten Sprünge erhalten, aus diesen wurden größere Spalten, Teile der benachbarten Kruste stürzten nach, und es entstanden so die ausgefransten Thalengen, durch welche von der Hohen Tatra aus die Flußläufe sich nach allen Richtungen der Windrose hin ergießen.

Die Hohe Tatra! Seit im Jahre 1875 der gebirgskundige Bielitzer Professor Kolbenheyer im Auftrage des Ungarischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0605.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2024)