Seite:Die Gartenlaube (1896) 0475.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Die Frau wurde vor Überraschung völlig rot im Gesicht. „No, no, no, so gar pressieren thut’s doch net!“ meinte sie beschwichtigend. „Bist mir ja gut! … Sonst nix g’fällig?“

Schorschl zögerte mit der Antwort. „Mehl und Schmalz zum Kochen thät ich freilich brauchen! … Schreibst mir denn noch was auf?“

„Aber ja! Wer zahlt, hat Kredit, weißt! … Und sonst brauchst nix? Kein’ Tabak?“

„Na!“ Das Wort hatte dem Daxen-Schorschl Ueberwindung gekostet. Aber an einem Pfeiflein hing ihm das Herz. Deshalb fügte er etwas kleinlaut bei: „No, meinetwegen! Kannst mir ein Packerl geben! Aber bloß ein einzig’s!“

„Vom guten?“

„Na, vom andern! Der thut’s schon für mich!“

Als Schorschl mit der großen Papierdüte, in die ihm die Krämerin alles eingepackt hatte, über die Straße schritt, bekam er einen gelinden Anfall von Reue. „Wenn ich ihr bloß d’Hälfte ’zahlt hätt’,“ sagte er sich, „eigentlich wär’s fürs erste Mal auch g’nug g’wesen. Und ich hätt’ doch ein bißl was auf der Hand g’habt.“ Aber dann lachte er und schüttelte den Kopf. „Ah was! Gott sei Dank … ’zahlt is ’zahlt!“

In seiner Werkstätte legte er den Pack in eine Fensternische. Es begann wohl schon zu dämmern – aber eine halbe Stunde konnte er immer noch arbeiten – er hatte in den Fäusten ein so merkwürdiges Zucken, das ihm keine Ruhe ließ.

„D’Arbeit muß schier eine Krankheit sein,“ meinte er, „wenn die einmal ein’ anpackt, laßt s’ ein’ nimmer aus!“

Während er bei der Esse stand und den Blasbalg trat, um die eingesunkene Glut wieder zu beleben, verfinsterte sich das Thor, und eine Mädchenstimme klang: „Recht guten Abend!“

Schorschl fuhr auf, als hätte er sich den Ellbogen angestoßen und das Mäuschen geweckt.

Aber auch Vroni, die auf der Schwelle stand, einen Spaten über der linken Schulter und das Beil in der rechten Hand, schien ihren Augen nicht zu trauen und glühte über das ganze Gesicht – oder war das nur der Wiederschein der Essenglut? Denn sie sagte in aller Ruhe: „Ah, da schau! … Du? … Hab’ g’meint, Dein G’sell is bei der Arbeit. An Dich hätt’ ich gar net ’denkt!“

„Sonst wärst am End’ gar net ’rein? Was?“ Schorschls Fuß, der den Blasbalg trat, kam in immer rascheres Tempo.

Vroni schwieg und blickte in den Hof hinaus, als besänne sie sich, ob sie nicht wieder umkehren sollte.

(Fortsetzung folgt.)



Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Neue Gedichte von Johanna Ambrosius


 Zwei Seelen.

Zwei Seelen wanderten durchs Erdenland
Den Berg hinauf in trübem Schwermutssinn,
Getrennt durch eine hohe Felsenwand
Schritt eine rechts, die andre links dahin.

5
Sie hatten nie im Leben sich geseh’n,

Nie an die Brust sich liebevoll gedrückt,
Doch hat ein Engel mild mit sanftem Weh’n,
Mit heißer Lieb’ die Herzen beid’ beglückt.

Die Wege waren dornig, schmal und rauh,

10
Nur selten bot ein Plätzchen süße Ruh’,

Doch fand die eine gar ein Blümlein blau,
Warf sie’s der andern über’n Felsen zu.

So gingen sie der Tage, Jahre viel
Mit gleicher Last und gleich in Weh und Not,

15
Bis endlich kam des Gipfels höchstes Ziel,

Und heiter lächelnd grüßte Morgenrot.

Verschwunden war die Mauer, die getrennt,
Ein Blumenteppich breitete sich aus,
Und Jubelklänge grüßten ohne End’,

20
Denn beide Seelen fanden nun ein Haus.


Aus ihren Augen strahlt es sonnenhell,
Sie drücken an die Brust sich fort und fort,
Von ihren Lippen bricht sich, wie ein Quell,
Die Bahn das lang zurückgedämmte Wort:

25
Nun bist du mein in alle Ewigkeit,

Was Andrer Glück, war für uns bitt’re Not.
Nun kosten wir auch Himmelsseligkeit,
Was and're scheidet, einte uns – der Tod.




 Im Traum.

Kannst du auch nie das Lied vergessen,
Dem deine Seele einst gelauscht,
So wie das Glück, das, nie besessen,
Nur pfeilschnell dir vorbeigerauscht –

5
Es bringt doch manche Nacht dir Bilder

So farbenreich, du fass’st sie kaum,
Das herbste Weh wird weicher, milder
Im gottgesandten, sanften Traum.

Dann steigt sie auf zur Geisterstunde,

10
Die Liebe, die bei Tag dich mied,

Und singt mit süß bethörtem Munde
Das alte unvergess’ne Lied.

Und wie sie singt, hast du vergessen,
Daß dir der Tag nichts hat gebracht,

15
Sie giebt dir, was du nie besessen,

All jenes Glück – im Traum der Nacht.




 Kein Licht, kein Haus.

Muß wieder weiter wandern,
Obgleich der Abend naht.
Die Winde mich umtosen,
Verweht liegt jeder Pfad.

5
Wie hat mein Herz gejubelt,

Als es geschaut ein Haus,
Wie wollt’ es ruh’n und träumen
Von seiner Wand’rung aus!

Vergebens war mein Hoffen,

10
Zu spät kam ich hinan,

Am trauten Feuerherde
Saß schon ein andrer Mann.

Er lachte, scherzte, koste,
Mit meinem Mägdelein.

15
Um beide wob das Feuer

Gar märchenhaften Schein.

Die Lichter sind erloschen,
Zum Schlummer alles geht,
Weiß keiner, daß noch draußen

20
Ein Armer weinend steht,


Der zitternd seine Hände
Streckt nun ins Dunkel aus?
Nicht eine Stimme rufet
Ihm zu. – Kein Licht, kein Haus! –




Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0475.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2022)