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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Der Deutsche Kriegerbund hat es gestiftet und die deutsche Kunst setzte ihr bestes daran, um auf jener denkwürdigen Höhe eine der größten Wandlungen in der Geschichte Deutschlands würdig und bedeutend darzustellen. Kaiser Wilhelm I., dem Begründer des neuen Deutschen Reiches, sollte es geweiht sein; zahlreiche deutsche Meister rangen um die Palme, die nach schwieriger verantwortungsreicher Prüfung dem genialen Entwurf von Bruno Schmitz zuerkannt wurde. (Vergl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1892, S. 160[WS 1]). Fünf Jahre dauerte die Arbeit; mit Erlaubnis des Grundherrn vom Kyffhäuser, des Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt, wurden in der Nähe der Baustelle mächtige Steinbrüche angelegt, die das nötige Baumaterial lieferten; nun steht das Kunstwerk vollendet da, und am 18. Juni, dem Tage von Waterloo, soll es eingeweiht werden.

Schon in seiner äußeren Gestaltung übertrifft es an Größe alle Bau- und Kunstwerke ähnlicher Art. Seine Anlage, welche den Flächenraum von 2500 qm einnimmt, hat eine Längenausdehnung von 131 m bei einer Breite von 96 m und besteht aus der großen Ringterrasse, der Hoch- und Turmterrasse und dem Turm.

Die Ringterrasse bildet in der Horizontalprojektion einen Halbkreis mit 96 m Durchmesser und stellt sozusagen den Vorhof des ganzen Baues dar. Sie ist rings herum mit einer schön ausgeführten Schutzmauer umgeben, denn das Gelände fällt stellenweise so steil ab, daß hier ein Schutz höchst notwendig erscheint.

Ueber der Ringterrasse erhebt sich die Hoch- und Turmterrasse, zu welcher breite Treppen führen, welche durch eine Bogenhalle voneinander getrennt sind. Durch diese dreifache Bogenhalle tritt man in den Burghof ein, wo sich im Hintergrunde das in Stein gehauene Bild des alten Barbarossa von Nikolaus Geiger befindet. Die Hoch- und Turmterrasse ist mit der Bogenhalle und dem Burghof 90 m lang und 61 m breit; sämtliche Fundamente ruhen auf festem Fels und reichen noch viele Meter unter die Sohle der Terrasse.

Der Turm, der eigentliche Träger des Denkmals, ist viereckig, nach oben sich verjüngend, und trägt auf seinem Haupte eine gewaltige Kaiserkrone, welche auf acht massiven Rippen ruht und einen Durchmesser von 3½ m, sowie eine Höhe von 6,60 m hat; Oberhalb des Barbarossabildes nun erhebt sich, scheinbar aus dem Turm herausreitend, das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms, von Emil Hundrieser in Charlottenburg entworfen und in Kupfer ausgeführt, das einen gewaltigen Eindruck macht. Alle Künstelei ist glücklicherweise daran vermieden: das ist der Kaiser, wie er war und wie seine alten Krieger ihn im Geiste noch vor Augen haben, derselbe Kaiser und Held, der sie einst von Sieg zu Sieg führte, der, jahrhundertealte Schmach rächend, den Erbfeind zu Boden schlug und endlich wieder die alten, uns ehemals geraubten Lande dem neuen Deutschen Reiche zurückgab. So steht er hoch oben, den Gipfel des sagenumwobenen Kyffhäuserberges weit überragend, und blickt nach Osten der aufgehenden Sonne entgegen und unter ihm rauschen und brausen die Wipfel der alten Eichen und Buchen.

Innerhalb des Turmes zu ebener Erde befindet sich ein kreisrunder, mit einem Kegel- oder Trichtergewölbe überspannter Raum mit vier Absiden und einem Durchmesser von 10 m, und mitten auf diesem aus meterstarken Quadersteinen ausgeführten Gewölbe ruht eine starke Säule, um welche sich die über vier Stockwerke bis zur Krone führende spiralförmige, massive Steintreppe windet.

So steht der aus dem Gestein des alten Kyffhäuserberges errichtete imposante Bau fest und stolz und Stein auf Stein unzertrennlich ineinander gefügt da – ein Sinnbild des neuen Deutschen Reiches und ein Denkmal für den, der es geschaffen; aber es ist auch gleichzeitig ein Ehrendenkmal für alle diejenigen, welche die Mittel dazu spendeten, den Bau erdachten und ausführten. Es ist bereits oben gesagt, daß der Entwurf des Bauplanes vom Architekten Bruno Schmitz in Berlin herrührt, die Ausführung desselben war dem Maurermeister Reichenbach in Frankenhausen übertragen und wurde vom Architekten Lindemann beaufsichtigt. Von seiten des Denkmalsausschusses war es der Professor Dr. Westphal aus Berlin, welcher den Bau unausgesetzt in seinen Fortschritten verfolgte; er hat auch als der Vater des Gedankens zu dem ganzen Unternehmen zu gelten und wird bei der Einweihung des Denkmals die Festrede halten.

Dieses Fest wird in seinem Verlauf sicher den Charakter einer großen nationalen Feier annehmen. Der Kaiser hat den Tag selbst bestimmt und seine Anwesenheit zugesagt; und es werden sich, wie bereits festgestellt ist, gegen dreißigtausend alte Krieger aus allen Teilen des Deutschen Reiches hier versammeln, um ihrem königlichen Führer zum Sieg ihre unvergängliche Liebe zu bekunden und an seinem Denkmal seinem Enkel das Gelübde felsenfester Treue feierlichst zu erneuern. Mit Recht sagt das Programm über die Einweihungsfeier des Kaiser Wilhelm-Denkmals, daß dieser Tag der größte Ehrentag sein wird, den das deutsche Kriegervereinswesen bis jetzt erlebt hat.

Ueber den Verlauf der Einweihungsfeier werden wir einen besonderen Bericht bringen, möchten aber zum Schluß noch allen denen, welche mit der Ortslage nicht vertraut sind, einen Fingerzeig geben, wie sie am besten und bequemsten an den Kyffhäuser gelangen. Derselbe liegt bekanntlich im nördlichen Thüringen und wird durch das Helmethal, welches die „goldene Aue“ genannt wird, vom Südharz getrennt; der waldgekrönte Bergzug zwischen den beiden größeren Städten Nordhausen und Sangerhausen, von welchem bisher der einsame alte Turm melancholisch herabblickte und der jetzt von dem majestätischen Kaiser-Denkmal gekrönt wird – das ist der Kyffhäuser. Wer von Westen kommt und Nordhausen passieren muß, steigt auf der Station Berga-Kelbra aus und beginnt von hier seine Kyffhäuserbesteigung unter Mitnahme der Rothenburg. Wer jedoch von Süden über Erfurt, oder von Osten über Sangerhausen zu reisen hat, der fährt mit der Bahn nach Frankenhausen, von wo aus er mit Omnibus direkt zum Kyffhäuser fahren oder, was bei weitem vorzuziehen ist, auf schattigen Waldwegen mühelos und bequem zu Fuß dem herrlichen Ziele zuwandern kann. Hermann Ferschke.     


Fata Morgana.

Roman von E. Werner.

     (Schluß.)

Im Garten der Bertramschen Villa gingen Selma und ihre Schwägerin, die in der nächsten Woche nach Birkenfelde übersiedeln wollte, im Gespräch auf und nieder. Es herrschte heute ausnahmsweise Stille in ihrer Umgebung, denn die drei Jungen befanden sich im Hause bei ihrem Vater und halfen ihm bei den Vorbereitungen zu einer kleinen Abschiedsfeier, die dem „afrikanischen Onkel“ galt. Auf diese Weise hatte auch Achmet Ruhe, der ein noch gesatteltes Reitpferd am Zügel auf und ab führte, offenbar, um es abzukühlen, denn das Tier dampfte und trug alle Spuren eines heftigen Rittes. In Kronsberg wurden während des Sommers stets Reitpferde gehalten, zur Verfügung für die vornehmen Kurgäste, und Ehrwald ritt täglich einige Stunden, wenn er hier war. Auch heute war er dieser Gewohnheit treu geblieben und eben erst nach Hause gekommen.

„Die Kronsberger Gäule werden froh sein, wenn dieser Wüstenmensch erst fort ist,“ bemerkte Ulrike in ihrer gewohnten liebenswürdigen Ausdrucksweise. „Und ihre Herren erst recht, er reitet ihnen ja die Tiere zu Schanden. Da ist er nun wieder wie toll umhergejagt, man sieht es dem armen Geschöpfe an.“

„Ja, Ehrwald kann nicht leben, wenn er nicht täglich ein paar Stunden im Sattel ist,“ sagte Selma. „Er ist allzusehr daran gewöhnt, sein Beruf bringt das so mit sich.“

„Dann soll er aber reiten wie ein Christenmensch und nicht seine wilden afrikanischen Gewohnheiten mit hierherbringen,“ grollte Ulrike, bei der Reinhart nun einmal nicht zu Gnaden angenommen wurde. „Viel Vergnügen habt Ihr übrigens in der letzten Zeit nicht gehabt von eurem ‚berühmten Gast‘. Er geruhte immer übler Laune zu sein, und vollends heute, als er von Burgheim kam und gleich darauf fortritt, machte er ein Gesicht wie zehn Donnerwetter.“

„Ich finde auch, daß er seit einiger Zeit verstimmt ist,“ pflichtete die Frau Hofrätin bei. „Aber das begreift sich, es ist der Abschied von Sonneck, der ihm schwer wird und auf ihm lastet.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Seite der Nummern-Ausgabe; in der Halbheft-Fassung S. 140.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0398.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)