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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 13. 1896.


Der Brückeneinsturz in Freiburg i. B. In der zweiten Woche des März, in welcher anhaltender Regen und plötzliche Schneeschmelze in vielen Gegenden Deutschlands große Überschwemmungen herbeiführten, sind die Flußthäler des Schwarzwalds besonders schwer heimgesucht worden. Leider haben diese Ueberflutungen auch den Verlust von Menschenleben zur Folge gehabt, so die der Dreisam den Tod zweier angesehenen Beamten, die in Ausübung ihres Berufes ein Raub der Wellen wurden. Die Dreisam wird von zahlreichen wilden Bergbächen gespeist, deren gleichzeitiges jähes Anschwellen die Katastrophe herbeiführte. Es war am 8. März abends 10 Uhr, als die plötzliche Ueberschwemmung für die schöne Breisgaustadt Freiburg eine gefährliche Wendung nahm.

Der Einsturz der Schwabenthorbrücke in Freiburg im Breisgau.
Nach einer Photographie von E. Kempke in Freiburg i. Br.

Der eiserne Steg an der Fabrikstraße wurde von der tobenden Flut weggerissen und mit zahlreichen Baumstämmen und anderen Trümmern gegen die nahe Schwabenthorbrücke getrieben. Unter dem südöstlichen ihrer drei Bogen entstand eine vollständige Stauung, und das Wasser drängte nunmehr mit umso größerer Gewalt nach der Stadtseite. Um Mitternacht war die niedriggelegene Karthäuserstraße bereits überschwemmt, aber schon war auch die Feuerwehr und unter dem Befehl des Erbgroßherzogs von Baden das Militär zur Stelle, um den gefährdeten Anwohnern Hilfe zu leisten. Die Schwabenthorbrücke wurde für das Publikum gesperrt, dagegen leiteten von ihr aus die obersten Beamten der Stadt die Vorkehrungen, welche den Schutz der Ufer und der weiteren Brücken bezweckten. Daß die Brücke selber dem Ansturm der Flut nicht gewachsen sei, scheint man nicht befürchtet zu haben; da brach zwischen 3 und 4 Uhr nachts ihr nordwestlicher Bogen jählings in sich zusammen. Der Oberbürgermeister Winterer und andere städtische Beamten konnten sich retten; den Landeskomissar Geheimen Oberregierungsrat Siegel und den Stadtdirektor Geheimen Regierungsrat Sonntag verschlang dagegen die Flut. Bald fiel auch die übrige Brücke mit dem nächsten Pfeiler in Trümmer. Der Bruch des Gasrohres verbreitete Finsternis ringsumher. Die Leitung der Schutzmaßregeln übernahm nun der Major v. Lindenau. Sie wurden auch erfolgreich durchgeführt und weiteres Unheil von ähnlicher Größe verhütet. Die telegraphisch herbeigerufenen Pioniere aus Kehl machten sich sofort nach ihrer Herbeikunft an die Sprengung des noch stehenden Brückenpfeilers und an die Hebung der Trümmer, um einen rascheren Abfluß des noch immer gewaltig angeschwollenen Wassers zu bewirken.

General Baldissera. An die Spitze des tapferen, aber vom Schlachtenglück nicht begünstigten italienischen Heeres in Abessinien ist General Baldissera getreten. Ob es ihm gelingen wird, die Fehler seines Vorgängers Baratieri wieder gut zu machen und die Scharte von Adua auszuwetzen? Man hofft es; denn Baldissera hat sich auf Afrikas Boden in der Erythräischen Kolonie bereits einmal als Krieger und Diplomat bewährt. Anton Baldissera steht gegenwärtig im 58. Lebensjahre, 1838 ist er als Sohn eines österreichischen Statthaltereirates in Udine geboren, zu Wiener-Neustadt erhielt er seine militärische Erziehung und diente bei dem 59. Infanterieregiment. Im österreichischen Heere machte er 1859 den Feldzug gegen Italien mit, kämpfte mit Auszeichnung und wurde zum Hauptmann im Generalstabe befördert. Auch in dem Kriege von 1866 zeichnete er sich in der Schlacht bei Custozza aus. Nach erfolgtem Friedensschluß verließ Baldissera die österreichischen Fahnen, denen er bis dahin treu gedient hatte, und trat in die italienische Armee ein. Der Hauptmann rückte hier langsam in höhere Stellungen empor, bis er im Jahre 1889 die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Als Generalmajor erhielt er die Führung der Expedition nach Massaua. Während Baldissera als Befehlshaber in der Kolonie wirkte, gelang es den Italienern, die ersten Erfolge auf dem abessinischen Hochlande zu erzielen. Baldissera gebührt auch das Verdienst, die eingeborenen Truppen, die ursprünglich ein zuchtloses Gesindel bildeten, in eine brauchbare Miliz verwandelt zu haben. Leider wurde er nach kurzer Wirksamkeit abberufen, weil die öffentliche Meinung über Ausschreitungen oder zu strenges Vorgehen seiner Untergebenen entrüstet war. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wirkte Baldissera als Brigadier in Calabrien, war später Divisionär in Bari und wurde 1893 zum Generallieutenant befördert.

General Baldissera.

Baldissera ist tapfer, aber kühl in seinem Wollen und nicht nur ein kluger Heerführer, sondern auch ein gewandter Diplomat. Man sagt von ihm, daß er während seiner ersten Thätigkeit in Afrika verstanden habe, selbst ohne Schlacht zu siegen. Sollte diese seine Kunst sich diesmal wieder bewähren und zu einem Abessinien wie Italien versöhnenden Friedensschluß führen, dann wäre wohl damit die beste Lösung dieser afrikanischen Wirren erreicht.

Teure Gespinste. Die trauliche Spinnstube mit ihren schnurrenden Rädern ist dem größten Teile des heranwachsenden Geschlechtes kaum noch dem Namen nach bekannt; die prosaische Spinnmaschine hat Frickas Erbe verschlungen. Aber ganz und gar ließ sich das Spinnrad nicht verdrängen. Die Garne zu den allerfeinsten Batisten und Spitzen können nur auf dem Rade gesponnen werden, und während die Maschine Leinengarn nur etwa bis zur Feinheitsnummer 300, von unten angefangen, liefert, bringt es die menschliche Hand bis zur Feinheitsnummer 1600. Derartige Garne fertigt man auf dem Spinnrad in Belgien. In Brabant soll das Pfund des feinsten Leinengarnes bis zu 4000 Frank bezahlt werden, ein fabelhaft klingender Preis! Belgische Leinenzwirne, d. h. gezwirnte Garne, wie sie zu den feinsten Brüsseler Spitzen verwendet werden, kommen je nach der Güte des Rohmaterials und der Feinheit des Gespinstes bis zu 850 Mark für das Pfund zu stehen.

Nächst Belgien liefern der Reihe nach Frankreich, England, Schottland, Böhmen die feinsten und teuersten Leinengarne und Leinenzwirne, alle werden aber von Indien in Feingespinsten übertroffen. Dort sollen – allerdings aus Seide – Gewebe, groß genug zur Bekleidung eines erwachsenen Menschen, von solcher Feinheit hergestellt werden, daß man ein solches Kunstwerk in einer Nußschale unterbringen kann.

Hauswirtschaftliches.

Braune Bübchen nennt sie das Nesthäkchen des Hauses, die wohlschmeckenden Klößchen, welche Mutter aus den Resten von Milch-, Apfel- oder Rosinenreis herstellt, und die allen Hausfrauen als rasch zu bereitendes süßes Restergericht empfohlen werden können. Man verrührt die Reisreste mit einigen Löffeln frischer Milch, einem Ei, einigen Löffeln Obstgelée und zerbröckelten Makronen, und formt auf einem Brett, das mit geriebener Semmel bestreut wurde, kleine, länglichrunde Bällchen davon. Man bäckt sie in Backfett rasch goldbraun und wälzt sie dann sofort in geriebener Schokolade, worauf man sie mit einer Fruchtsauce zu Tisch gibt. L. H.     

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 220 a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0220_a.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)