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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Die kaiserliche Matrosenstation bei Potsdam.

Von Johannes Wilda. Mit Abbildungen von W. Stöwer.

Weite glitzernde Seeflächen, umrahmt von dichtbewaldeten ernsten Fichtenhügeln, von Pappeln, Weiden und von herrlichen Parks, aus denen hier Schlösser und Villen hervorlugen, dort eine malerisch gelegene Kirche oder Ruine ragt, – enge gewundene Wasseradern zwischen Wald und Wiese, wo Schwäne entlang gleiten, während ein hohes weißes Segel hinter dem anderen auftaucht oder Dampfer die Schilfrohrsäume in wiegendes Neigen versetzen: das ist die große Wasserheerstraße der Mark, das sind die grünumkränzten blauen Havelseen! Kunst und Natur, Absicht und Zufall haben sich vereinigt, um mit bescheidenen Mitteln hier eine Fülle der lieblichsten Scenerien zu schaffen, über welche der überraschte Fremde staunt, und an denen selbst das verwöhnte Auge, das berühmte Glanzpunkte unserer schönen Erde schauen durfte, immer und immer wieder sich erfreut.

Auch der deutsche Kaiser hat eine große Vorliebe für diese heimatlichen Binnenseen, die sich mit seiner Begeisterung für Seefahrt und Flotte vereinigt. So hat er denn an einem jener, dem weitgedehnten Jungfernsee, eine Matrosenstation anlegen lassen. Die Lage des Sees gestattet, auf der einen Seite die Pfingstbergtürme und die Kuppel von St. Nicolai in Potsdam zu sehen; auf der andern schweift der Blick über die blaue Fläche des Sees zur Basilika von Sakrow und zur Pfaueninsel, dann rechts nach dem Schloß und der langen Bogenbrücke von Glienicke mit dem weißen Schloß Babelsberg im Hintergrunde.

Früher bestand die Matrosenstation aus einer kleinen Bootsanlage und einem nicht häßlichen, wenn auch unbedeutenden Gehöft. Das alte Haus, dessen Vorgarten von einer wundervollen Linde beschattet wird, dient heute noch dem Schiffsführer zur Wohnung; im Herbst aber dürfte das neue Vorsteheramtsgebäude der Station vollendet sein. Im übrigen ist die jetzige Anlage, die Schöpfung Kaiser Wilhelms II., fertig, denn das im vorigen Jahre erbaute, in Norwegen gezimmerte originelle Kasernement ist bereits von den Mannschaften bezogen worden.

Den Mittelpunkt bildet das hart am Wasser liegende, von Rasen und junger Pflanzung umgebene Empfangs- und Einsteigehaus der kaiserlichen Familie. Es ist ein ebenfalls in Norwegen gearbeitetes Blockhaus, das in seinem braunen Ton, mit den schön geschnitzten phantastischen Giebeln, Galerien und sonstigen Verzierungen eigenartig und malerisch wirkt. Nach der Wasserseite zu ist es von einer Quaimauer umschlossen. Links (vom Wasser aus) zeigt sich unter grüner Bettung eine Batterie von sechs kleinen Achtcentimeter-Geschützen, die zum Salutieren und zum Exercitium für die Mannschaften dienen. Daneben ist der Bootshafen, in dem unter anderem zwei hochgeschnäbelte norwegische Boote liegen, und dann der Bootsschuppen für die Dampfpinasse, mit welcher der Kaiser sich auf seine Segelfahrzeuge übersetzen läßt. Rechts ist wieder ein norwegischer Bau. Es ist das Bootshaus für die Dampfjacht „Alexandria“. Im Hintergrund, jenseit der vorüberführenden Straße, neben der alten Kaserne liegt abermals ein höchst eigentümliches geräumiges, norwegisches Haus, das die Wohnung des Maschinisten nebst Werkstätten umfaßt.

An der Straßenfront des Einsteigehauses sehen wir Jagdtrophäen des Kaisers: Walrippen und -wirbelknochen, einen lebenden, etwas verdrießlich veranlagten norwegischen Adler und einen russischen Geier.

Das Empfangs- und Einsteigerhaus

Im Einsteigehaus liegt rechts und links je ein Toilettenzimmer, während der sonstige Raum aus einer geräumigen, mit bunter Holzmalerei diskret geschmückten Halle besteht. Zwei große Tische mit Sesseln und der Schreibtisch des Kaisers, alles in

Holz ausgeführt, bilden in der Hauptsache die Ausstattung. Wir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_557.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2023)