Seite:Die Gartenlaube (1895) 341.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Nr. 21.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Haus Beetzen.

Roman von W. Heimburg.

     (7. Fortsetzung.)


Frau Cilly blieb auf Beetzen und brachte, als die Zeit ihren Schmerz gemildert, Leben ins Haus, zu Frau Berthas Betrübnis, die zu kränkeln begonnen hatte und öfter denn je verweinte Augen zeigte. Vor dem kleinen Joachim, der gerade wie ihr verstorbener Einziger zum Unterschied von seinem Onkel „Achim“ gerufen wurde, flüchtete sie in die entferntesten Winkel ihrer eignen Gemächer, wenn er durch die Korridore des stillen Hauses tobte mit seiner Bonne und den Hunden. Je mehr der Knabe sich entwickelte, je mehr er die herkömmliche stattliche braune Art der Kronen zeigte, um so ängstlicher mied sie ihn. Sie siechte so hin an dem Schmerz um den Verlorenen.

Onkel Joachim wuchs der frische Junge, den seine Mutter weidlich verzog, nach und nach tief ins Herz hinein, aber vor seiner armen Frau wagte er keine Liebkosungen. Ganz heimlich verkehrten die beiden Jochen zärtlich miteinander; heimlich schlichen sie in den Pferdestall, und da hob der Alte den Jungen, wie er es vor Jahren mit dem Sohne gethan, auf den Rücken eines Gaules und freute sich, wenn der Wicht mit hellem Jauchzen droben saß. Und heimlich hatte der Onkel aus seinem Bücherschrank den Baukasten des ertrunkenen Sohnes hervorgesucht und ihn dem Neffen auf den Teppich seiner Arbeitsstube ausgeschüttet, während er in der Sofaecke dabeisaß und wie verzaubert dem nämlichen Spiel zusah, das der Vorbesitzer des Kastens getrieben. Genau solche wackelnde Pyramiden baute der kleine Kerl in seinem schwarzen Sammetkittelchen, zum Verwundern ähnlich fand Jochen ihn dem Entrissenen in all seinem kindhaften Thun.

Hierbei überraschte ihn einst Tante Bertha. Sie stand plötzlich in der offenen Thür, starrte auf das Kind, starrte auf ihren Mann, wandte sich um und ging. Von diesem Tage an lag sie viel und fieberte beständig. Der Arzt kam nicht mehr aus dem


Der Wittelsbachbrunnen in der „Königlichen Residenz“ zu München.
Nach einer Photographie aus dem Architekturverlage von B. Reiffenstein in München.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_341.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)