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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

gleichen Gehalt an Kochsalz aufweisen. Nehmen wir an, daß dies in einer bestimmten Zeit, z. B. in zwei Stunden, geschehen ist.

Wenn wir darauf denselben Versuch mit einer Zuckerlösung ausführen, so werden wir wahrnehmen, daß auch in diesem Falle der Zucker durch die Wände des Pergamentpapierkastens hinauswandert; aber es wird bei weitem länger dauern, bis das Wasser im Teller und das in unserem Versuchskasten gleich süß schmeckt, d. h. den gleichen Gehalt an Zucker aufweist.

Wir lernen daraus, daß nicht alle im Wasser gelösten Körper mit gleicher Leichtigkeit durch Häute wie das Pergamentpapier hindurchtreten. In der Wissenschaft wird der Austausch verschiedener Flüssigkeiten durch Membranen oder Häute mit dem Namen „Osmose“ bezeichnet. Die Naturforscher haben nun das Verhalten der einzelnen Körper genau studiert und gefunden, daß die Unterschiede sehr groß sind, und die Techniker und Industriellen haben diese Eigenart der Körper für ihre Zwecke ausgebeutet. Um z. B. die Melasse in der Zuckerfabrikation von den Salzen, die im Rübensafte enthalten sind, zu reinigen, behandelt man sie in ähnlicher Weise, wie wir es mit der Salzlösung gethan haben. Die Salze gehen rascher durch das Pergamentpapier als der Zucker und so kann die Melasse gereinigt werden.

Unsere Suppen enthalten, je nach ihrem Ursprung, verschiedene gelöste Stoffe; wir finden in ihnen Fleisch- und Pflanzensalze, Extraktivstoffe, welche ihnen den Wohlgeschmack verleihen und anregend auf den Körper wirken, und nährende Stoffe wie Stärke und Eiweiß; dazu kommt noch das Kochsalz. Von allen diesen Bestandteilen der Suppen wandert nur das Kochsalz mit Behendigkeit durch das Pergamentpapier, während die anderen nur äußerst langsam oder auch gar nicht hindurchdringen.

Entsalzungs-Apparat.

Gießen wir also eine versalzene Suppe in einen Kasten, wie wir ihn oben beschrieben haben, und stellen diesen in ein mit reinem Wasser gefülltes Gefäß, so werden in der ersten Zeit große Mengen Kochsalz aus der Suppe hinauswandern, von den wohlschmeckenden und nährenden Bestandteilen jedoch nur Spuren durch die Pergamenthaut dringen können. Es liegt auf der Hand, daß wir auf diese Weise eine versalzene Suppe wieder entsalzen können. Nur ist ein mit Stecknadeln zusammengehefteter Kasten für den praktischen Gebrauch selbstverständlich zu schwach; er muß für Küchenzwecke durch einen Apparat ersetzt werden. Ein solcher ist von Dr. G. Fr. Meyer in Braunschweig zusammengestellt worden und in den Haushaltungsgeschäften zu haben. Er besteht, wie unsere Abbildung zeigt, aus zwei ineinander passenden siebartigen Gefäßen, zwischen die ein Bogen Pergament- oder Osmose-Papier hineingefaltet ist. Stellen wir nun den Entsalzungsapparat in reines heißes Wasser und gießen die versalzene Suppe hinein, so wird der letzteren in kurzer Zeit der Ueberschuß an Kochsalz entzogen.

Aber das Entsalzen der mißlungenen Suppe wird nicht so häufig nötig sein, daß die Hausfrauen bloß deswegen einen eigenen Entsalzungsapparat sich anschaffen würden.

In der Küche muß jedoch noch vieles andere entsalzen werden.

Seit uralten Zeiten benutzen die Völker das Kochsalz als Konservierungsmittel. Wir salzen und pökeln das Fleisch ein, bereiten Salzfische, z. B. Heringe, legen Bohnen und Gurken in Salz ein. Diese Konserven müssenm, bevor wir sie kochen, entsalzen werden, und dies geschieht in der Regel dadurch, daß man sie auswässert. Das Wasser entzieht ihnen das Kochsalz und den Salpeter, der vielfach zum Pökeln mit verwandt wird, aber es löst auch viele der nahrhaften und wohlschmeckenden Bestandteile des Fleisches, der Fische und der Gemüse auf. Diese wertvollen Stoffe gehen dann verloren, denn sie werden mit dem Salzwasser fortgeschüttet. Auch diesen Uebelstand beseitigt nun der Meyersche Osmose-Apparat für Küchenzwecke.

Bei seiner Benutzung waschen wir das betreffende Nahrungsmittel, z. B. Salzfleisch, gut ab, legen es in den Apparat, übergießen es mit Wasser und stellen den Apparat in ein größeres mit reinem Wasser gefülltes Gefäß, wobei wir darauf achten, daß die Flüssigkeit in beiden Gefäßen gleich hoch steht. Das Wasser im Apparat laugt nun das Salzfleisch aus, durch das Pergamentpapier gehen aber nur das Kochsalz und der Salpeter in das Wasser des größeren Gefäßes über, die schmackhaften und nährenden Stoffe bleiben zum allergrößten Teil in dem mit Pergamentpapier ausgekleideten Behälter zurück. Ist nun die Entsalzung vollendet, so kocht man das Fleischstück in dem Saft, der im Apparat zurückgeblieben ist, und erhält auf diese Weise ein Gericht, das viel wohlschmeckender und auch nahrhafter ist als ein durch die gewöhnliche Entwässerung hergestelltes.

Das Entsalzen in dem Meyerschen Apparate dauert etwas kürzere Zeit als das gewöhnliche Auswässern; im übrigen hängt die Dauer von dem Salzgehalt der Konserven und der Geschmacksrichtung ab. Der Apparat wird in verschiedenen Größen von 2 bis 20 Liter Inhalt hergestellt, so daß er in kleinen wie in großen Küchen gebraucht werden kann. Er verdient wohl die Beachtung der Hausfrauen; denn er vermag nicht nur eine versalzene Suppe zu „retten“, sondern er hat auch gesundheitliche Vorzüge, indem er die Schmackhaftigkeit und Nahrhaftigkeit vieler unserer gebräuchlichsten Konserven erhöht. J. 


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Die Sklaven.

Novelle von Ernst Eckstein.

 (2. Fortsetzung.)

Seit dem Zwiegespräche mit Afra, das ihm klar gemacht hatte, wie schwer er sich in den Gesinnungen dieses Mädchens täuschte, war Geticus nur von dem einen Gedanken beseelt: wie hintertreib’ ich, was Afra plant? Denn daß sie um keinen Preis die Gattin jenes verhaßten Ostländers werden dürfe, das stand ihm so fest wie der Glaube an das Rächeramt Jupiters.

Sonst nicht eben boshaft geartet, kannte er jetzt in seiner schäumenden Wut gegen den Leibarzt kein Maß mehr. Abergläubisch bei all seiner Schlauheit, gab er dem Ninus schuld, durch unlautere Kunstgriffe, Liebestränke und sonstige Zaubermittel bei Afra erreicht zu haben, was er, Geticus, nun vergeblich anstrebte; denn nur so schien es ihm faßlich, daß seine Jugendgespielin einem so ernsten und schweigsamen Manne, der fast doppelt so alt war als sie, den Vorzug gab. Im Kampfe mit einem so schmachvollen Gaukler jedoch war jedes Mittel erlaubt. Geticus befand sich im Zustand der Notwehr: thöricht, wenn er da irgend welches Bedenken trug!

Sein erster Einfall war der gewesen, dem Nebenbuhler unvermerkt Gift in den Wein zu mischen. Der wütende Grimm und die wahnwitzige Sehnsucht nach dem Besitze Afras, die ihm jetzt doppelt begehrenswert schien, da er sie fast schon dem Gegner verfallen sah, raubten ihm jede Fähigkeit, das Schurkische dieses Planes klar zu beurteilen. Ninus war für seinen erbitterten Haß kein menschliches Wesen mehr, sondern ein tückischer Dämon, nicht viel besser als das Geziefer in Kammer und Keller, dem der Proviantmeister schierlingdurchtränktes Brot streute. Auch für die große Gefahr, die ihm selber aus dieser Unthat erwachsen mußte, war er jetzt vollständig blind.

Plötzlich jedoch fiel ihm der Eid aufs Herz, den ihm die bangende Afra, wie in Voraussicht seiner unglaublichen Niedertracht, in so furchtbarer Form abgenommen. Er hatte geschworen dem Manne, den sie ihm nennen würde, nie und nirgends feindlich entgegenzutreten, niemals die Hand wider ihn zu erheben oder sonstwie eine gewaltsame That an ihm auszuüben. Jupiter selbst sollte ihn friedlos machen in Zeit und Ewigkeit, wenn er den Schwur brach! Das überkam ihn jetzt wie eine vollständige Lähmung. Alles, was ihm die Unabwendbarkeit dieses Fluches bestätigen konnte, tauchte in bunter Verworrenheit aus der Erinnerung empor und erschreckte ihn mit den furchtbarsten Larven. Die Furien sterben nicht! Am Grabmal des Gnejus Vitruvius, der vor mehr als neunzig Jahren zu Pästum verstorben war, ging es noch heute allnächtlich um und erfüllte die Gärten der Via Appia mit dem entsetzlichen Klageruf: „Wehe dem Meineidigen!“ Und dann klirrten die Ketten, und ein Stöhnen erscholl, herzzerreißend wie der Sterbelaut eines Gefolterten. Auf der Insel des Tiberstroms, unweit des Hafens, stand ein verfallenes Haus, das der Eigentümer, ein Ritter aus Corduba, weder neu aufzubauen noch vollständig niederzureißen wagte; denn ein Blitz, der nicht zündete, hatte die Rückwand just an dem Tage in Trümmer gelegt, da dreißig Jahre verstrichen waren seit dem entsetzlichen Meineid des Tullius Celer, der vor dem Prätor unter Anrufung der rächenden Gottheit die Richtigkeit eines von ihm gefälschten Testamentes beschworen hatte und, auf der Stelle von einem Blutsturz niedergeworfen, im Angesichte des Tribunales verstorben war. Am Tage nach jenem zermalmenden Blitzstrahl fand man auf einem Kalkstück, das von der berstenden Wand losgebröckelt war, seltsame Schriftzeichen, die von den Kundigen als die Kürzung eines unheimlichen Bekenntnisses ausgelegt wurden. Dies Bekenntnis lautete: „Den verwaisten Kindern des Bruders, denen dies Haus gehört, wollte ich Meineidiger ruchlos entziehen, wo sie ihr Haupt hinlegen könnten. Nun hetzt mich die furchtbare Hekate durch die Schlünde der Unterwelt.“

Diese und andre Erinnerungsbilder jagten sich in dem aufgeregten Gemüte des Sklaven wie unheilverkündende Wolken. Vornehmlich jedoch hallten die Worte des Isispriesters in seinem Ohr, die ihm so grausenhaft und so überweltlich geklungen hatten wie nichts zuvor. Daß der Aegypter ihm diese Lektion nur in sehr eigensüchtiger Absicht erteilt hatte, um ihn demnächst desto sicherer zu

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