Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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Handels- und Gewerbestädte in dem grünen, kanaldurchsägten
Lande zwischen Ems und Jade – sie alle verdanken, wenn sie
nicht selbst ehemalige Moorkulturen sind, ihren Wohlstand doch
völlig der Urbarmachung, welche die vergangenen Jahrhunderte
an den endlosen Mooren Ostfrieslands vollzogen haben. Aber
diese Flächen sind zu groß, als daß die Thätigkeit des Einzelnen
sie ganz bezwingen könnte, und so dehnen sich auch heute noch
zwischen blühenden Ortschaften Tausende von Quadratkilometern,
welche dem Auge das Bild des echten, wüstenhaften Hochmoores
gewähren. Nur stellenweise werden diesen Einöden kümmerliche
Buchweizenernten durch den sogenannten „Moorbrand“ abgewonnen,
eine primitive Art der Bestellung, welche auf der Verbrennung
der obersten, ausgetrockneten Riedschicht beruht und für
Westdeutschland den lästigen, das Klima verschlechternden „Haarrauch“ oder „Herauch“ im Gefolge hat.
Hier nun setzen die jüngsten Bestrebungen des preußischen Staats ein, welcher seit Friedrich dem Großen selbst Besitzer umfangreicher Moorstrecken in Ostfriesland ist. Ausgedehnte Kanäle sind erforderlich, um in großem Maßstabe die Moorkolonisierung anzugreifen, diese aber kann die Kraft des Einzelnen nicht schaffen sondern nur staatliches Vorgehen.
Und daran hat es zum Glück seit einigen Jahren nicht mehr gefehlt. Im Westen der Ems ist das früher unzugängliche Moor von Bourtange auf 45 Kilometer Länge vom Süd-Nordkanal durchschnitten, dessen Seitenarme nach Osten zur Hauptader des Landes, zur Ems, nach Westen ins holländische Kanalsystem übergreifen; 50 000 Hektar Landes stehen längs der neugeöffneten Kanäle der Besiedlung frei, ebenfalls große Strecken längs der kräftig geförderten Kanäle rechts der Ems, und 10 000 Hektar nördlich davon, wo ein neuer Kanal das Wiesmoor bei Aurich geöffnet hat. Auch die Art der Moorkultur ist eine andere geworden. Nur auf ziemlich hohen Moorflächen ist die oben geschilderte Torfkultur anwendbar, da in tiefliegenden Mooren die Wasserableitung nicht gelingen kann; auch darf man, nun die Besiedlung in verstärktem Umfange vor sich geht, nicht durch übermäßiges Angebot den älteren Kolonien ihren ohnehin schwierig werdenden Torfabsatz erschweren. Deshalb wird in den jungen Kolonien die erst seit kurzem eingeführte und für den Roggen-, Hülsenfrucht- und Kartoffelbau trefflich bewährte Hoch- oder Dammkultur zur Anwendung gebracht. Ohne Rücksicht auf die Torfgewinnung wird nur die obere Moorschicht gelockert, und durch Vermischung mit Erde oder mit Schlamm, wie ihn die Baggerungen in dem benachbarten Bremerhaven und Wilhelmshaven massenhaft liefern, in Ackerkrume verwandelt. Eine nachfolgende Düngung bringt den Boden schnell zu überraschender Fruchtbarkeit.
So scheint denn für die ostfriesischen Moore, welche noch
zur Aufnahme Hunderttausender von Familien Platz bieten, eine
neue, gesegnete Zeit anzubrechen. Ueberall haben die
Kolonisierungsarbeiten erfreuliche Fortschritte gemacht. Aus den ehemaligen
Torfkolonisten sind wohlhabende Bauern geworden, die Zahl der
Moordörfer hat sich schnell vermehrt und vielfach sieht man auch
schon mitten im Hochmoor aus dem Rahmen der braunen Oede
das freundliche Bild anmutiger Gehöfte hervortreten. In mühevollem Schaffen ist der unfruchtbaren Wildnis Schritt für Schritt der Boden abgerungen worden, und mit hoher Achtung ruht darum das Auge auf den fleißigen Arbeitern, die unsere Abbildung eines solchen Kanalbaues in Ostfrieslands Hochmooren uns vorführt. S. B.
Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte.
Die Osterinsel.
Die jüngsten Zweige der Wissenschaft vom Menschen, die
Urgeschichte und die Völkerkunde, für die in unserer Zeit eine
Fülle von Stoff aus allen Gegenden der Erde zusammengebracht
worden ist, haben so manche Frage, die sich an die Geschichte
der Menschheit, die uralten Wandlungen und Beziehungen
des Menschengeschlechts knüpft,
glücklich gelöst. Aber anderseits
haben uns diese Forschungen
auch neue Gebiete eröffnet, ganz
fremden Boden, auf dem unserer
Erkenntnis enge Grenzen
gezogen sind, sie haben uns hier
und da vor Rätsel gestellt, deren
Lösung für jetzt – und in vielen
Fällen wohl für immer –
unmöglich ist. Aber gerade das
Suchen auf diesen Grenzgebieten
hat ein eigenes und fast
romantisches Interesse: es eröffnet
weite Ausblicke in unbekannte
Fernen der Vorzeit, es erfüllt
uns mit dem Reiz des
Geheimnisvollen und zugleich mit
der Hoffnung auf überraschende
und ungeahnte Ergebnisse und
Entdeckungen. Eins dieser
entlegenen Gebiete der
Menschheitsgeschichte ist schon bei einer
anderen Gelegenheit, in den Aufsätzen
„Altamerikanische Kulturbilder“
im Jahrgang 1892 der „Gartenlaube“ (Nr. 42 und 45)
behandelt worden; es ist nicht das einzige.
Mitten in der Südsee, im östlichen, inselärmeren Teile des gewaltigen Stillen Oceans, liegt, als einer der letzten Vorposten des Südseearchipels, einsam ein Inselchen von nur 118 qkm Flächenraum (also kaum ein Achtel der Größe der Insel Rügen), über 400 Meilen entfernt von dem nächsten Festland, den Küsten Chiles und Perus. Auf allen Seiten umgiebt es der offene, freie Ocean, sein nächster Nachbar ist der 60 Meilen östlich gelegene unbewohnte Felsen Sala y Gomez, der durch das schöne gleichnamige Gedicht Chamissos bekannt ist. Das Inselchen ist die im Jahre 1722 von dem holländischen Seefahrer Roggeveen entdeckte Osterinsel (in der Sprache der Eingeborenen auch „Waihu“ oder „Rapanui“ genannt), und an sie knüpft sich eine jener dunklen menschheitsgeschichtlichen Fragen.
Es war am Ostermontag, als Roggeveen die Insel entdeckte, und sie erhielt danach ihren Namen. Schon der holländische Seefahrer berichtet von wunderbaren Spuren einer alten Kultur, von einer großen Zahl riesiger Steinfiguren in Menschengestalt und von anderen alten Denkmälern, die er auf der Insel bemerkt hatte. Nach ihm besuchte der Weltreisende Cook im Jahre 1774 das Eiland, dann kamen der Franzose La Pérouse, Kotzebue (1816) und andere, aber erst in unserer Zeit, nachdem die ethnologische Forschung ihre Aufmerksamkeit auf die merkwürdigen Ueberreste einer verschwundenen Kultur auf der einsamen Insel gerichtet hatte, fing man an, eingehendere wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen. So geschah dies in den Jahren 1870 und 1874 durch die französischen Kriegsschiffe „La Flore“ und „Saignelay“, und im Jahre 1882 besuchte das deutsche Kanonenboot „Hyäne“ unter dem Kommando des Kapitänlieutenants Geisler die Insel im besonderen Auftrage der kaiserlichen Admiralität, um Material zu sammeln für die Forschung auf diesem interessanten Gebiet und Altertümer von dort für die ethnologischen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_156.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2020)