Seite:Die Gartenlaube (1894) 052.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

die Eisenbahnverwaltungen für die Zeiten des Tauwetters Wagen mit Kühlräumen zur Verfügung stellen, erst organisiert werden.

Anfragen sind zu richten an den kaufmännischen Vertreter der Nordkapgesellschaft in Hamburg, Rudolf Kanzow, Brookthorquai. Derselbe vermittelt die Sendungen und giebt alle gewünschten Aufschlüsse und zweckdienlichen Anweisungen. Bn.     

Von de Mello gekaperte 0 Fort St. Juan.0 Zollinsel.   „Aquidaban“. 0Von de Mello armierte 
Schiffe.  Handelsdampfer. 

Häuser von Rio de Janeiro. Fort Castello.
Von der Revolution in Brasilien: Die Bai von Rio de Janeiro während der Beschießung.
Nach Photographien eines Augenzeugen gezeichnet von A. v. Rößler.

Die Revolution in Brasilien. Seit am 15. November 1889 das Kaisertum in Brasilien gestürzt wurde, ist das von der Natur so verschwenderisch ausgestattete Land der Schauplatz fortwährender Kämpfe, welche seine Entwicklung gefährden. Der erste Präsident der neugegründeten Republik, Marschall da Fonseca, wurde schon am 23. November 1891 wieder zur Abdankung gezwungen, und an seine Stelle trat der Vicepräsident, Marschall Floriano Peixoto. Doch auch er sollte sich nicht einer ruhigen Herrschaft erfreuen. In der Provinz Rio Grande do Sul brach ein langwieriger Aufstand aus und am 6. September 1893 ergriff die Revolution die Hauptstadt selbst: der Konteradmiral Custodio de Mello, der sich an Bord des Kriegsschiffes „Aquidaban“ in der Bai von Rio de Janeiro befand, erklärte seinen Abfall von der „Mißwirtschaft“ des Präsidenten, und binnen 24 Stunden gingen sämtliche brasilianische Schiffe, die im Hafen vereinigt waren, zu dem Admiral über. Der Kampf begann. Die Regierung hatte für sich die Forts, welche den Ausgang aus der Bai und den Standort der aufständischen Schiffe mit ihren Kanonen beherrschen; allein schon nach einigen Wochen schloß sich die Besatzung des Forts Villegagnon, aus Matrosen zusammengesetzt, der Revolution an, de Mello eroberte das der Hauptstadt gegenüberliegende Nictheroy, wo sich das Arsenal befand, und machte reiche Beute an Kohlen und Kriegsbedarf aller Art. Trotzdem wollte seine Sache nicht recht voran, denn die Befehlshaber der fremden Kriegsschiffe erhoben Einspruch gegen eine Beschießung von Rio selbst, im Interesse ihrer dort wohnenden Staatsangehörigen. So beschränkte sich der Kampf auf ein Kanonenduell zwischen der Flotte und den Forts, das bei der gegenseitigen schlechten Ausbildung im Schießen ohne wesentliche Folgen blieb. Erst der Anschluß des mächtigen Admirals de Gama an die Revolution verbesserte die Aussichten de Mellos und führte zu einer Beschießung der Hauptstadt selbst. Inzwischen hatte Peixoto in Nordamerika Schiffe ankaufen lassen, um sie kriegsmäßig auszurüsten und dann in Rio den Krieg auch zur See aufzunehmen. De Mello erwiderte diesen Schachzug durch eine ähnliche Maßnahme und verließ außerdem mit dem „Aquidaban“ unter dem Kugelregen der sperrenden Forts die Bai von Rio, um die vom Präsidenten gekauften Schiffe auf hohem Meere wegzunehmen. Es ist möglich, aber nicht wahrscheinlich, daß irgend ein entscheidender Schlag geführt worden ist, bis unsere Leser das Bild vom Hafen von Rio in Händen haben, das wir nach den Photographien eines Augenzeugen bringen. Wenn de Mello siegen sollte, so wird vielleicht – über seine eigentlichen Absichten gelangen die verschiedensten Nachrichten herüber – die Monarchie wieder eingeführt. Wie aber auch dem sein möge, jedenfalls ist dem unglücklichen Lande und besonders unseren zahlreichen Landsleuten dort zu wünschen, daß die ewigen Unruhen bald ein dauerndes Ende finden möchten

Sappho. (Zu dem Bilde S. 41.) Die schöne lesbische Dichterin hat Dichter und Künstler in alter und neuer Zeit gar viel beschäftigt. War ja doch auch die Sage eifrig dabei, ihr an Ereignissen offenbar durchaus nicht armes Leben – die Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert v. Chr. war für viele Griechenstädte an der kleinasiatischen Küste und auf den benachbarten Inseln eine politisch sehr erregte Zeit – noch mit allerlei romantischen Zuthaten auszuschmücken; man meinte, die Dichterin, die in ihren Liedern die Sprache der Liebe mit solcher Glut zu sprechen wußte, müsse auch im Leben tagtäglich so gefühlt haben, man wußte schließlich von einem schönen Jüngling Phaon zu erzählen, in den sich Sappho sterblich verliebt und wegen dessen Sprödigkeit sie sich vom Leukadischen Felsen ins Meer gestürzt habe. Und es ist merkwürdig, wie gerade an diese Vorstellung von Sappho die Dichter und Künstler auch der Neuzeit mit Vorliebe anknüpfen. Diese Sappho hat Grillparzer seinem Drama zu Grunde gelegt, diese Sappho hatte offenbar auch H. Coomans im Auge bei dem Bilde, das wir heute unseren Lesern vorführen. Sinnenden Auges schaut die Dichterin hinaus auf das in glattem Spiegel sich dehnende Meer und unwillkürlich deuten wir dieses verlorene Sinnen als verzehrende Sehnsucht nach dem Geliebten.


KLEINER BRIEFKASTEN.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

A. F. Plauen. Ihr Manuskript können wir leider nicht verwenden.

Alte Abonnentin in Brandenburg. Sie können die Sammelmappen für die Kunstbeilagen der „Gartenlaube“ ganz gut auch zur Aufbewahrung des laufenden Jahrgangs benutzen.

G. F. M. in Southwark. Gewiß, der Standpunkt, den Sie eingenommen haben, hat sein gutes Recht. Aber für so schlimm können wir die Sache nicht ansehen.

O. V. in Budapest. Die ersten Kirchenglocken werden dem Bischof Paulinus von Nola in Campanien († 431) zugeschrieben, und ihre lateinischen Benennungen „nola“ oder „campana“ werden daher geleitet. Das deutsche Wort Glocke, welches auch in das mittelalterliche Mönchslatein überging, findet sich schon sehr früh und ist vielleicht von dem althochdeutschen clocchon = klopfen, anschlagen, herzuleiten. Die allgemeine Verbreitung der Glocken in Deutschland erfolgte durch Karl den Großen, der ihren Gebrauch beim Gottesdienst einführte und Kirchtürme bauen ließ, um ihrem Schall die volle Wirkung zu sichern. Jedermann kennt diesen herzbewegenden Klang, dem sich kein anderer Ton an feierlicher Macht vergleichen kann, am allerwenigsten der der Stahl- und Eisenstäbe, die man neuerdings da und dort aus Ersparnißrücksichten eingeführt hat. Ihr Klang tönt hart und nüchtern und wird niemals ein volles Glockengeläute entbehrlich machen.

Bernhard V. in Mailand. Sie fragen uns, wer den Weizen nach Amerika eingeführt und wer ihn zuerst gebaut habe. Die Antwort darauf lautet: Der Zufall hat ihn eingeführt und ein Neger ihn zum ersten Male ausgesät oder gepflanzt. Ein Negersklave des großen Cortez fand, so wird berichtet, drei Körner davon unter dem Reis, den man aus Spanien als Proviant für die Armee mitgebracht hatte. In dem Franziskanerkloster zu Quito in Peru wurde noch zu Zeiten Alexander von Humboldts ein Topf aufbewahrt, in welchem der erste Weizen enthalten war, den der Mönch Fray Jodoco Rixi de Gante zu Quito aussäte. Rixi war aus Gent in Flandern gebürtig. Der Topf hatte eine Inschrift, welche die Mönche nicht entziffern konnten und die ihrer Meinung nach eine geheime Beziehung auf den Weizen haben sollte. Der Topf wurde dem gelehrten Humboldt gezeigt, und er las in altdeutschem Dialekte den Denkspruch: „Wer aus mir trinkt, vergesse seines Gottes nicht!“ Gewiß eine seltsame Beziehung deutscher Topfindustrie zu dem peruanischen Weizen! – Das Getreide, welches die Spanier bei den Eingeborenen in Kultur vorfanden, war Mais.


Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (2. Fortsetzung). S. 37. – Der zerstörte Liebesbrief. Bild. S. 37. – Sappho. Bild. S. 41. – Die Kometenfurcht einst und jetzt. Von M. Wilhelm Meyer. S. 43. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard. (2. Fortsetzzung). S. 45. – Das Schloß in Bernburg vor dem Brande am 6. Januar 1894. Bild. S. 45. – Hazardspiel. Von Hermann Heiberg. S. 48. – Die Aufhebung einer Spielhölle im Westen Berlins. Bild. S. 49. – Blätter und Blüten: Das Schloß in Bernburg. S. 51. (Zu dem Bilde S. 45.) – Gefrorene Schellfische. S. 51. – Die Revolution in Brasilien. Mit Abbildung. S. 52. – Sappho. S. 52. (Zu dem Bilde S. 41.) – Kleiner Briefkasten. S. 52.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_052.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)