Verschiedene: Die Gartenlaube (1892) | |
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Dr. Hans Meyer, der berühmte Ersteiger des Kilimandscharo, hat
sich mit seinem Begleiter Purtscheller in den Oktobertagen des Jahres 1889
auch einer gründlichen Erforschung des Mawensi unterzogen. Die furchtbare
Zerrissenheit des Mawensi ist dabei allenthalben festgestellt worden, und
auch Meyer schließt in seinen „Ostafrikanischen Gletscherfahrten“ (Leipzig,
Duncker und Humblot) aus dem ganzen Baue dieser alten Kraterruine, daß
der Berg in seiner ursprünglichen Gestalt dem viel jüngeren, besser erhaltenen
Kibo an Höhe mindestens gleichkam, wenn nicht ihn bedeutend übertroffen hat.
Die Landschaft des Kilimandscharo bietet selbst dem naturwissenschaftlich nicht geschulten Geiste einen bestrickenden Anblick. Hoch auf den Gipfeln lagern Gletscher und jungfräulicher Schnee, in den oberen Gebieten treten uns die bescheidenen Gewächse der gemäßigten Zone entgegen: die Heiden, Hundszungen, das Vergißmeinnicht, die Butterblumen, Waldreben, Anemonen, Veilchen, Geranien und die Farren; dann kommen wir, tiefer hinabsteigend, in das Gebiet, das den Vordergrund unserer Illustration bildet: Wälder von eigenartig geformten Baumfarren, Drachenbäumen und moosbedeckten Baum-Eriken, bis wir in die äquatoriale Zone gelangen mit ihren nach Myriaden zählenden Pflanzenformen, unter denen die Bananen und Palmen als Wahrzeichen hervortreten.
Von den Palmen zum ewigen Schnee schweift hier
der Blick in einer Sekunde! Und zu den Füßen des alten
Feuerberges wollte man jüngst auch werthvolle materielle
Schätze gefunden haben, nämlich weit ausgedehnte Salpeterlager.
Leider hat sich diese Kunde nicht bewahrheitet,
und so wird man sich mit dem Reichthum an landschaftlicher
Schönheit begnügen müssen, wie er dort am Kilimandscharo
dem Beschauer allenthalben entgegentritt. *
Das Mozartdenkmal in Wien. (Mit Abbildung.) Die Mozartgedenktage, welche uns das vergangene Jahr brachte, sind von den Wienern in jeder Beziehung würdig begangen worden. Daß aber diese
Gedenkfeierlichkeiten nicht, wie seit Jahren geplant war,
durch die Enthüllung des Mozartdenkmals gekrönt wurden,
das hatte seinen Grund in gewissen örtlichen Schwierigkeiten,
in jener leidigen Platzfrage, die gleich einer unheilvollen
Wolke in Sicht zu kommen pflegt, sobald die Wiener
das Gedächtniß eines Großen in Erz oder Stein verewigen wollen.
Das Ende der wechselvollen Vorschläge und Versuche war, daß man sich auf den erprobten Rath des verstorbenen Dombaumeisters Schmidt für die Stelle des alten Kärntnerthor-Theaters, hinter dem neuen Opernhaus, auf dem Albrechtsplatz entschied, und zwar sollte das Denkmal, um für ruhige Betrachter Raum zu lassen, nicht in der Mitte, sondern etwas zur Seite, gegenüber der Vorderseite einiger stattlichen Bürgerhäuser, errichtet werden. – Für diesen Platz wurde denn ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben, bei welchem zunächst Bildhauer Hellmer als erster mit einem Entwurf siegte, der den eigenthümlichen Platzbedingungen am meisten gerecht wurde. Die Ausführung des Denkmals selbst wurde aber Viktor Tilgner, dessen Mozartfigur als die beste anerkannt wurde, übertragen. Und dieser Künstler ging nun bei der Ausführung dieses Auftrags dem doppelten Ziele nach, sein Mozartdenkmal aus der profanen räumlichen Umgebung würdig herauszuheben und den Wienern einen Mozart vorzustellen, der zugleich dem Bilde, welches sich jeder von ihm mit unbewußter Idealisierung macht, und den uns überlieferten wirklichen Bildnissen entspräche.
Um den ersteren Zweck zu erreichen, hat Tilgner das 7½ Meter hohe Denkmal – die Figur Mozarts selbst ist 2 Meter 90 hoch – auf einen Unterbau gestellt, zu dem vom Platze aus zwei Stufen emporführen und den im Rücken gegen den Bürgersteig und die Häuser eine Balustrade abschließt. Elliptisch wie der Unterbau erhebt sich das Denkmal selbst, unten breit ausladend, im eigentlichen Postament nach oben sich verjüngend. Die Architektur weicht durch wechselvolle Bewegung in wohlthuender Weise von der akademischen Schablone ab. Sie wird aus weißem Marmor ausgeführt, während aller Schmuck aus Bronze, theilweise vergoldeter Bronze bestehen wird, so daß der Eindruck lebendigster Heiterkeit, reichsten Glanzes, wie er dem Wiener Wesen so recht zusagt, nicht ausbleiben kann. Zu unterst am Sockel steht in goldenen Buchstaben der lateinische Vers: „Dignum laude virum musa vetat mori“, „den Ruhmwürdigen läßt die Muse nicht sterben“. Darüber lehnt in der Ecke eine Lyra, von der ein Goldband zu jener Inschrift herabfließt, während Lorbeerblätter unter ihr hervorschauen und ein üppiger Rosenstrauch aus ihr emporsprießt hinein in die Schrift des Namens: Wolfgang Amadeus Mozart. Dieser Inschrift entspricht auf der Rückseite des Postaments ein Relief, welches den kleinen Mozart vorstellt, wie er vor der Kaiserin Maria Theresia Klavier spielt.
Seiner ganzen reichen und liebenswürdigen Phantasie hat der Künstler
Lauf gelassen in der Behandlung der beiden Seiten. Kosende, allerlei
Musikinstrumente mit komischem Eifer spielende, lesende und scherzende
Putten sitzen, liegen und klettern hier durcheinander, getreue Sinnbilder der
heitern Muse des Tondichters, die uns ja, nach einem tiefen Worte, erst
so recht gezeigt hat, wie schön es auf Gottes Erde ist. Und nun Mozart
selbst, wie poetisch und wie getreu zugleich ist er erfaßt und dargestellt,
in einem Augenblick, da er, gleichsam der Erde entrückt, dem Klange
himmlischer Harmonien zu lauschen und sie festzuhalten scheint, um mit
ihrer Wiedergabe die Welt zu beglücken! Das Haupt, leicht zur Linken und
nach rückwärts geneigt, weist wohl die allen bekannten Züge, aber in einer
fast überirdischen Verklärung. Und etwas wie ein höheres Leben fließt
durch die ganze, in die zierliche Tracht der Zeit gekleidete Gestalt. Da ist
alles von einer süßen, überzeugenden Beredsamkeit, insbesondere der, wir
möchten sagen, in melodischem Flusse bewegte rechte Arm, die Hand,
in deren ausgestreckten feinen Fingern die innere Bewegung sich malt, das
etwas erhobene rechte Bein, das sich von der Erdenschwere loszulösen
scheint, die Linke, die in seliger Vergessenheit in den Blättern auf
dem gefällig ausgemeißelten Notenpulte spielt. In anmuthigen Wellen
senkt sich von der linken Schulter über den linken Arm der Mantel im Rücken zum rechten Fuße herab, während Frack, Kniehose und Strümpfe eng an den Leib sich schmiegen und jede Biegung und Bewegung sichtbar werden lassen. Voll edlen Schwunges, zugleich hoheitsvoll und heiter, wird das Mozartdenkmal Viktor Tilgners eine hohe Zierde der Kaiserstadt, eine würdige Dankesgabe der Nachwelt für den großen Tondichter sein. W. L.
Ein Bahnbrecher der Pädagogik. Erst die geistige
Bewegung der Reformation zusammen mit den Antrieben,
welche eine freudige Versenkung in die innere Welt des
Alterthums seit dem 15. Jahrhundert brachte, half einen
Gedanken durchsetzen, der schon dem weitblickenden Geiste
Karls des Großen vorgeschwebt hatte, den aber das
Mittelalter nicht zu verwirklichen vermochte, den Gedanken
einer allgemeinen Volksbildung. Unter den Männern, die
sich um das Gedeihen dieses Werkes verdient gemacht
haben, steht Amos Comenius in erster Linie, der dreihundertjährige Gedenktag seiner Geburt am 29. März dieses Jahres – Comenius wurde in dem mährischen Städtchen Nivnitz geboren – lenkt
von neuem die Aufmerksamkeit auf seine Bedeutung, nachdem man schon zur Feier seines
zweihundertjährigen Todestages unter dem Namen
einer Comenius-Stiftung in Leipzig eine pädagogische Centralbibliothek geschaffen und ihm 1874 an dem Orte seiner ersten Wirksamkeit, zu Prerau in Mähren, ein Denkmal errichtet hat.
Das Leben des Comenius war ein wechselvolles; die Noth des Dreißigjährigen Krieges vor allem mußte ihn, der nach Beendigung seiner theologischen Studien in Heidelberg Lehrer und Prediger der Brüdergemeinde an verschiedenen Orten Mährens geworden war, mit besonderer Schwere treffen: 1624 wurde er aus seinem Beruf und Hause, vier Jahre später aus Mähren überhaupt vertrieben. Lissa in Polen bot ihm eine neue Heimath und in der Leitung des dortigen Gymnasiums eine ausgedehnte Wirksamkeit. Reisen nach England und Schweden folgten. Man war dort auf seine Werke aufmerksam geworden und beschäftigte sich mit dem Plane, die Schule nach seinen Ideen zu reformieren.
Was diesen Ideen solches Aufsehen verschaffte, das war die Forderung, daß sich alle Erziehung und aller Unterricht anzuschließen habe an die natürliche Entwicklung des Geistes, daß alle Belehrung sich stützen müsse auf die Anschauung lebendiger Wirklichkeit. Demgemäß stellte Comenius den Unterricht in der zu gunsten des Lateinischen bisher vernachlässigten Muttersprache voran und verlangte, daß man den Sprachunterricht nicht auf die Schriften der Gelehrten, sondern auf Beispiele aus der wirklichen Welt gründe. Darin liegt das Moderne seiner Gedanken. Es war ihm vergönnt, diesen nicht nur durch seine Schriften Geltung zu verschaffen, sondern sie auch ins Leben umzusetzen. Im Jahre 1650, nachdem er inzwischen nach Lissa zurückgekehrt war, wurde er nach Siebenbürgen berufen, um dort ganz seinen Plänen gemäß eine höhere Lehranstalt einzurichten und zu leiten. Allein diese Zeit ungestörten freudigen Wirkens sollte nicht lange dauern; der Tod des Fürsten Rakoczy, der ihn herbeigezogen hatte, setzte seiner Thätigkeit ein frühes Ziel. Kriegsunruhen vertrieben ihn auch aus Lissa, wohin er sich wieder wandte, und so war der 64jährige Gelehrte gezwungen, bei einem reichen Gönner in Amsterdam Zuflucht zu suchen. Hier starb er im November 1670. Unter seinen Schriften ist besonders hervorzuheben sein Orbis pictus, der erste seiner Art, welcher zahlreiche Nachahmungen hervorrief; sein Gedanke dabei war, in dieser „gemalten Welt“ die Wortbenennungen der Dinge durch die entsprechenden Abbildungen sinnfällig zu machen und so gemäß seiner pädagogischen Theorie Begriff und Anschauung zu verbinden. In der geplanten Gesamtausgabe seiner Werke wird gerade dieses Buch von besonderem Interesse sein.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_226.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)