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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.

Der erste Zwist.
Nach dem Gemälde von A. Corelli.




Hermann von Helmholtz.

Zu seinem 70. Geburtstage gewidmet von einem seiner Schüler.

Der „Riese“, ein alterthümliches Haus der westlichen Hauptstraße zu Heidelberg, beherbergte vor dreißig Jahren im ersten Stockwerke das physiologische Institut, im zweiten das physikalische. Von den einfachen, niederen Räumen ging aber der Glanz eines Dreigestirns aus, das die „Ruperto-Carola“ zum Mittelpunkte der naturwissenschaftlichen Bewegung machte. In dem obersten Stockwerke verglichen Bunsen und Kirchhoff die Spektren der Metalle mit demjenigen der Sonne; eine Treppe tiefer setzte Helmholtz aus tönenden Stimmgabeln die Vokalklänge zusammen. Wenn heute die ganze gebildete Welt den Jubilar feiert und wir Deutsche mit gerechtem Stolze „unsern Helmholtz“ beglückwünschen, so ziemt es sich, auch den Weg zu beleuchten, auf welchem der große Mann zur Höhe gelangt ist, und uns seiner Großthaten dankbar zu erinnern.

Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz ist am 31. August 1821 zu Potsdam geboren, wo sein Vater als Gymnasialprofessor wirkte. Seine Mutter war die Tochter eines Artillerieoffizierts Namens Penne, dessen Vater in hannöverischen Diensten stand. Dieser stammte von William Penn, dem berühmten Gründer von Pennsylvanien, ab. In seinem siebzehnten Jahre bezog er die Universität Berlin. Er wünschte, sich der Physik zu widmen; äußere Umstände zwangen ihn, in das Studium der Medizin einzutreten, das ihm durch die liberalen Einrichtungen des Friedrich Wilhelm-Institutes (der Pepinière) zur Erziehung von preußischen Militärärzten erleichtert wurde. Er hat diesen Bildungsgang nicht bereut. In seiner Rede über „das Denken in der Medizin“ preist er als Glück, was er einst als Zwang empfunden. Er sagt: „Nicht allein, daß ich in einer Periode in die Medizin eintrat, wo jemand, der in den physikalischen Betrachtungsweisen auch nur mäßig bewandert war, einen fruchtbaren jungfräulichen Boden zur Beackerung vorfand, sondern ich betrachte auch das medizinische Studium als diejenige Schule, welche mir eindringlicher und überzeugender, als es irgend eine andere hätte thun können, die ewigen Grundsätze aller wissenschaftlichen Arbeit gepredigt hat.“

Die medizinische Bildung jener Zeit, in der Helmholtz die Hochschule bezog, beruhte noch wesentlich auf Bücherstudium. Die Mikroskope waren theuer und selten, Forschungen auf Grund eigener Beobachtung daher nicht leicht. Es gelang dem jungen Studenten, sich durch Ersparnisse in den Besitz eines Mikroskopes zu setzen, das zwar nicht besonders gut war, es ihm aber doch ermöglichte, selbstständige Untersuchungen anzustellen. Deren Ergebniß legte er in zwei Schriften aus den Jahren 1842 und 1843 nieder, in seiner Dokorarbeit über die Nervenfortsätze der Ganglienzellen bei den wirbellosen Thieren und in einer anderen über das Wesen der Fäulniß und Gährung. Schon hier zeigte der zweiundzwanzigjährige Forscher jene hohe Beobachtungsgabe, die stets das Wesentliche herausfindet.

Noch im Jahre 1843 wurde Helmholtz Militärarzt bei den rothen Husaren in Potsdam. Aber auch in dieser Stellung blieb er der wissenschaftlichen Seite seines Berufes treu. Die bedeutendste Leistung aus der Zeit seines Potsdamer Aufenthalts ist die kleine Abhandlung „Ueber die Erhaltung der Kraft“ (1847). In derselben führte er den Beweis, daß niemals eine Kraft im All vergeht, sondern nur ihre Aeußerungsweise ändert, derart daß z. B. chemische Anziehung in Wärme oder Elektricität, diese wieder in Bewegung von Massen etc. umgewandelt werden können. Zugleich zeigte er, daß alle Vorgänge in der Natur den Grundgesetzen der Mechanik gehorchen. Hiermit hatte Helmholtz die Naturwissenschaften auf eine helle große Bahn geleitet, die zwar schon andere, namentlich Robert Mayer, gesucht hatten, auf welcher aber er zuerst mit mathematischer Sicherheit voranschritt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_593.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)