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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Originalgestalten der heimischen Vogelwelt.

Thiercharakterzeichnungen von Adolf und Karl Müller.
5.0 Rokokofiguren.
a.0 Der Wiedehopf.

Fremd und absonderlich, wie eine veraltete Seltenheit, welche das Gepränge einer vergangenen Zeit in die neue hineinträgt, so erscheint der Wiedehopf, wenn er sich von dem Boden in zuckendem Fluge mit bald schnellerem, bald langsamerem Flügelschlage erhebt und dem Hochwalde oder den Bäumen der Trift zustrebt. Wenn er sich niedersetzen will auf den derben Ast einer alten Eiche, dann schwebt er einige Augenblicke über der Stelle und lüftet wie ein Prachtfächer den herrlichen Federbusch seines Kopfes. Dann schreitet er dahin wie eine Figur aus dem Zeitalter der Allongeperücken. Ja, eine Rokokoerscheinung ist er, in Gestalt, Haltung, und eigenthümlichem Aufbau des Putzes. Alles an ihm ist auffallend: der lange schlanke, sanftgebogene Schnabel, welcher seitlich zusammengedrückt spitz zuläuft; der merkwürdige Kopf mit dem hohen, dunkel rostgelben Federbusch, dessen Spitzen schwarz gefärbt sind; die im Vergleich zum pomphaften Aufbau des 29 Centimeter großen Vogels kurzen, derben Füße; der mittellange, am Ende gerade abgeschnittene, schwarze, in der Mitte weißgebänderte Schwanz mit den breiten Federn, endlich das weiche lockere Federkleid. Es ist auf der Oberseite lehmfarbig, auf dem Mittelrücken, den Schultern und den Flügeln schwarz und gelblichweiß quer gestreift, auf der Unterseite hoch lehmgelb, an den Flanken entlang schwarz gefleckt.

Der Wiedehopf.
Nach einer Zeichnung von Karl Müller.

Das Weibchen, welches sich vom Männchen durch ein etwas schmutzigeres Gefieder unterscheidet, schaut aus der Nisthöhle neugierig hervor oder sitzt mit nach hinten gelegter Haube in gebeugter Stellung auf dem Aste und empfängt den Gefährten mit unverkennbarer Theilnahme. Im Bewußtsein der Sicherheit und in der behaglichsten Laune giebt das Männchen einen dumpfen Ton von sich, während sein Minneruf, ein ewig wiederholtes, in Pausen erklingendes „Hup, hup“, den Hörer in hohem Grade langweilt. Dieser jedenfalls dem Weibchen höchst zärtlich erscheinende Laut ertönt bis zum Juli. Eifersüchtig antworten sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_478.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2023)