Seite:Die Gartenlaube (1890) 549.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Halbheft 18.   1890.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1890. Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf. alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.


Ein Mann.

Roman von Hermann Heiberg.
(3. Fortsetzung.)

Graf Utzlar, der sehr gespannt auf den Ausgang der Verhandlungen in Snarre war, ließ Tromholt, als derselbe nach Limforden zurückkehrte, sogleich zu sich bitten. Nochmals versuchte es Tromholt, des Grafen Forderung herabzustimmen, aber das Ergebniß war nur eine heftige Auseinandersetzung, infolge welcher der Graf Tromholt im höchsten Zorn die Thüre wies und letzterer erklärte, den Grafen mit Gewalt aus Limforden entfernen zu lassen. Unter dem Eindruck dieses Auftritts schrieb Richard noch am gleichen Abend nach Kiel an Frau Ericius und meldete ihr seine Ankunft dort für den folgenden Tag. Er wollte ihr alles klarlegen, auch aus Snarres Anerbieten – das hielt er für seine Pflicht – kein Geheimniß machen und, indem er ihr die freie Wahl der Entscheidung ließ, die Sache zu Ende führen. Ausdrücklich betonte er in dem Brief, daß ihm aus verschiedenen Gründen eine Besprechung unter vier Augen und ohne weitere Zeugen erwünscht wäre. Er fürchtete sich vor einer neuen Begegnung mit Susannen, die, wenn ihn der Graf recht berichtet hatte, morgen gleichfalls in Kiel eintreffen mußte. Und noch eine weitere Absicht verband er mit dieser Reise. Die alte Wirthschafterin in Trollheide war gestorben und der dadurch freigewordene Posten eignete sich um so mehr für Ingeborg, als diese mit den dortigen Verhältnissen schon von früher her vertraut war. Demgemäß wollte er das Mädchen, das sich immer noch in Kiel im Haus der Frau Ericius aufhielt, von dort abholen und selbst in die neue Stellung einführen. Und dann, so sagte er sich, war für sie alle gesorgt, er konnte ruhig im Bewußtsein vollster Pflichterfüllung sein Amt niederlegen; ein Lebensabschnitt ging für ihn zu Ende, ein neuer, noch ungewisser konnte beginnen, aber gleichviel, er hatte seiner Ueberzeugung genügt wie ein Mann, er fühlte die Kraft, ihr auch ferner zu folgen.

Frau Ericius, auf welche die Ereignisse der letzten Zeit schwer gewirkt hatten, glaubte in Tromholts Entschluß, seine Stellung auf den Limforder Werken aufzugeben, ein neues Glied in der Kette von Unglücksfällen erblicken zu müssen, von denen die Familie in so rascher Aufeinanderfolge heimgesucht worden war. Und doch konnte sie, als eine feinfühlende Frau, seinen Ausführungen nicht widersprechen, zumal sie die tieferen Beweggründe, die Tromholt leiteten, wohl ahnte. Das Angebot Snarres wies sie nach kurzer Rücksprache mit ihrer Tochter entschieden zurück. „Alles andere, lieber als diese drückende Verpflichtung!“ hatte Susanne

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Eiche bei Krayn.
Nach einer Photographie von H. Härtelt in Liegnitz.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_549.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2022)