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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Dem Hotelbesitzer und den Angestellten hatte er vorgespiegelt, sie sei seine Schwester und wahnsinnig. Man möge auf ihre Reden nicht hören und, falls sie Lärm während seiner Abwesenheit mache, darauf nicht achten. Seine biedere, Vertrauen erweckende Miene und Sprache hatten den Besitzer getäuscht, und so fand ich denn das arme Geschöpf, das einen der Kellner bestochen hatte, das Telegramm an mich abzusenden, in einem geradezu unbeschreiblichen Zustande.

In derselben Stunde nahm ich sie mit und schrieb auf einen Briefbogen, den ich in einen Umschlag steckte. ,Ich, Richard Tromholt von Limforden, nahm Fräulein Ingeborg Elbe in meinen Schutz und warne Sie, das Mädchen in irgend einer Weise ferner zu belästigen. Sollten Sie meiner Mahnung keine Folge leisten, so werde ich die Gerichte um Hilfe anrufen und behalte mir vor, dieses auch noch zu thun, wenn Sie von Ihrer Reise zurückkehren.’“

„Und ist sie wieder in meiner Wohnung?“ fragte Bianca, die diesem neuen Bericht mit wahrer Angst zugehört hatte. Auch Allen sprach auf Tromholt ein und forschte voll Theilnahme nach den Vorgängen.

„Nein! Ich habe Ingeborg zu Frau Ericius gebracht, dieser alles mitgetheilt und als einen Beweis ihrer Freundschaft gefordert, daß sie das Mädchen wie eine Hausgenossin aufnimmt, bis ich auch über sie einen Entschluß gefaßt haben werde. Natürlich schien Graf Utzlar diese Sache sehr überflüssig zu finden und legte kein großes Wohlgefallen über mein Ersuchen an den Tag.“

„Ja, ja! Dieser Graf Utzlar!“ stieß Alten heraus. „Ich könnte diesem hochmüthigen, pomadisirten Fuchs den Hals umdrehen, so verhaßt ist er mir. Eins nur begreife ich nicht: wie konnte sich ein Mädchen wie Susanne Ericius in einen solchen Menschen verlieben!“

Bianca winkte ihrem Verlobten zu, nicht weiter zu reden; sie wußte, wie ihr Bruder unter der dadurch wieder geweckten Erinnerung litt.

Aber Richard sagte mit einem traurigen, zustimmenden Blick:

„Sie haben recht, Freund! – Ich sah auch schon zweimal Thränen in ihren lieben, schönen Augen, deren Anblick mich unsagbar schmerzte – – –“

(Fortsetzung folgt.)




Zur Jubelfeier der Buchdruckerkunst.

Von Eduard Grosse.

Zum zweiten Male in diesen, Jahrhundert begehen wir eine Feier, welche die Theilnahme aller Gebildeten finden wird, denn sie berührt nicht nur die Angehörigen eines Landes oder Standes, sondern sie berührt die gesammte Menschheit.

Abbildung 1. Holztafeldruck.

Diese Feier gilt der Buchdruckerkunst, deren Erfindungsjahr man etwas willkürlich auf das Jahr 1440 festgesetzt, die hiernach gerechnet also 450 Jahre im Dienste der Menschheit gestanden und segensreich gewirkt hat. Es dürfte überflüssig sein, die Wohlthaten aufzuzählen, welche wir der Erfindung Gutenbergs verdanken. Jedermann weiß, daß dieselbe sofort im Dienste der Wissenschaft, Kultur und Aufklärung stand, daß sie in diesem Dienste groß ward und mächtig auf die geistige Entwicklung der Menschheit einwirkte. Ihr verdanken wir zum großen Theil unsere geistigen und gesellschaftlichen Freiheiten, den hohen Stand unserer Wissenschaften, die Blüthe unseres Industrie- und Gewerbelebens.

Die früheren Jubelfeste, die schon in den Jahren 1740 und 1840 gefeiert wurden, waren leider noch von wenig erbaulichen Streitigkeiten über den zeitlichen Vorrang der Erfindung umschwirrt, was heute und in Zukunft nicht mehr der Fall sein kann.

Abbildung 2. Aus der Heidelberger Liederhandschrift.

Andere Nationen machten der deutschen die Ehre streitig, den Erfinder der Buchdruckerkunst zu den Ihren zählen, ihn das Kind ihres Landes nennen zu dürfen. So wurden nach und neben einander der Holländer Koster, der Italiener Castaldi und Kuttenberg der Böhme von ihren Landsleuten als Erfinder hingestellt. Dem vermeintlichen Erfinder Koster errichteten die Holländer sogar zwei öffentliche Denkmäler und begingen zu dessen Ehre im Jahre 1821 eine Gedenkfeier. Gegen diese Entstellung der geschichtlichen Wahrheit erhoben sich aber deutsche Gelehrte, und der Federkrieg ward mit den schärfsten Waffen geführt. Alle erreichbaren Urkunden wurden hervorgesucht, von leichtfertigen Männern Urkunden gefälscht, von der ehrlichen Partei die Fälschungen mit Aufwand großen Scharfsinns wieder nachgewiesen, und endlich, nach jahrelangem Ringen, ward der guten deutschen Sache ein glänzender Sieg erfochten. Nicht wenig förderte diesen Sieg ein holländischer Geschichtschreiber selbst, Dr. A. v. d. Linde, welcher mit offener Unparteilichkeit prüfte und schließlich das mit Fälschungswust umhüllte Märchen vom Erfinder Koster, Castaldi und auch vom böhmischen Kuttenberg dahin verwies, wohin es gehört, in die Welt der Hirngespinste. Doch nicht nur die Ausländer, sondern auch die Deutschen trugen möglichst zur Verwirrung der geschichtlichen Thatsachen bei. Gutenberg selbst hat sich bekanntlich auf keinem seiner Druckerzeugnisse als Erfinder der Buchdruckerkunst oder als Drucker eines Buches genannt. Dieses fast unbegreifliche Schweigen kam den Fälschern ungemein zu statten, da es aus diese Weise leicht war, dem rechtmäßigen Erfinder seinen Ruhm zu entreißen und den Ehrenkranz einem andern zuzuerkennen. Den ersten dahingehenden Versuch machte bereits ein Enkel des Gutenbergschen Geschäftstheilhabers Fust, welcher im Jahre 1509 behauptete, sein Großvater Johann Fust sei der eigentliche Erfinder der Buchdruckerkunst. Diese Lüge ging nicht nur in andere Schriften über, sondern sie reizte auch den Straßburger Drucker Johann Schott, seinen Großvater Mentel, welcher einer der ältesten Buchdrucker gewesen ist, gleichfalls als Erfinder hinzustellen. Hieraus entwickelte sich die Sage, Mentels Diener Gensfleisch sei nach Mainz entflohen und habe dort die Mentelsche Erfindung im Verein mit Gutenberg ausgebeutet.

Aus Grund dieses Mentelschen Märchens entstand ein Streit über den Vorrang zwischen den Städten Straßburg und Mainz. Den Pseudoerfinder Mentel mußten die Straßburger allerdings aufgeben, dafür suchten sie sich jedoch zu entschädigen, indem sie Ansprüche auf Gutenberg geltend machten. Dieser scheint seine Jugendjahre tatsächlich in Straßburg verlebt zu haben, vielleicht wurde er sogar da geboren, wie einige Forscher nicht abgeneigt sind, anzunehmen. Wahrscheinlich hat er in Straßburg auch schon den Gedanken seiner Erfindung gefaßt, vielleicht schon die ersten Versuche unternommen. Ob jedoch die Erfindung dort zur Reife gediehen, ist zweifelhaft. Eine Thatsache steht aus jeden Fall unerschütterlich fest, nämlich die, daß Gutenberg und kein anderer der Erfinder der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_492.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)