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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Deutsche Art, treu gewahrt.
Eine Hofgeschichte aus dem 17. Jahrhundert von Stefanie Keyser.

(Fortsetzung.)

Während Achatius längs einer dichten Hecke dahineilte, schwebte Benigna hinter der Buchsbaumgans hervor und sperrte ihm den Weg. „Nun, was habt Ihr mir zu vertrauen?“ flüsterte sie und stach, schelmisch drohend, mit ihrem Fingerlein unter seinen Augen herum.

Er zog es an seine Lippen. „Holde Schäferin, ich fürchte, Lauscher sind auf unserer Spur,“ erwiderte er, ohne den Schritt anzuhalten.

„Wo denn? Wartet doch!“ rief sie und folgte ihm mit ausgestreckten Händen nach.

Aber nicht er wartete auf sie, sondern auf ihn wartete im nächsten Hagedorngang die Sternguckerin aus Eisenach. „Wie steht es mit der Zusammenkunft von Mars und Venus?“ wisperte sie, neben ihm hertrippelnd.

„Sie kann leider nicht stattfinden,“ schwadronirte Achatius, weiter eilend; „die holde Venus wird allein am Himmel stehen, was das Sicherste ist für eine einzelne Dame, wenn sie nicht dem himmlischen Klatsch verfallen will. Deshalb geziemt dem feurigen Mars, so schnell als möglich am Horizonte zu verschwinden.“

Er spendete einen Kniefall, drückte seine schlanke Gestalt mit Todesverachtung durch die dornige Hecke, schlug die Zweige hinter sich zu und – stand vor der zweiten Eisenacherin.

Sie sah ihn so barmherzig an wie die heilige Elisabeth selbst. „Rautenblätter in Wein gesotten sind das Mittel gegen ein preßhaftes Herz,“ flüsterte sie. „Aber erst muß ich prüfen, ob Euer Herzschlag nicht zu unruhig ist für die starke Medizin.“

Mit fliegender Eile drückte er ihre Hand an sein Herz, versprach, das Tränklein in Eisenach abzuholen, wenn sein Leiden sich nicht bessere, und setzte über das Muschelbassin des Neptun. Da fielen wie zwei Wegelagerer hinter dem aus Stein gehauenen Meergott hervor die beiden Koburgerinnen ihm in die Seite.

„Vor wem spielt Ihr Reißaus?“ fragte die Eva sich ihm zugesellend.

„Vor der Holdseligkeit des Frauenzimmers,“ rief er verzweifelt.

„Fürchtet Euch nicht; ich führe Euch auf den rechten Pfad,“ lispelte der Cherub und flog hinter ihm her.

„Schöne weiße Hände haben mich allezeit von solchem abgelenkt,“ stöhnte er, schlug sich mit der Faust vor die Stirn und flüchtete in eine Grotte, die ihr Tuffsteinthor vor ihm aufthat.

Himmelkreuzdonnerwetter! Da rannte er mit der rundlichen Hofmeisterin zusammen. Er hatte sich zu dem Standbild des Hymen verirrt.

„Hochehrwürdige Frau!“ flehte er.

„Was fällt Euch ein,“ schalt sie empfindlich, „daß Ihr so ehrerbietig thut, als sei ich neunzig Jahre alt?“

Was half’s? Er mußte einen Kuß auf ihre Lippen drücken, um zu beweisen, daß es mit seiner Hochachtung nicht allzu weit her war.

„Mein herzallerliebster Bräutigam!“ jubelte auf.

Er taumelte entsetzt rückwärts zum Tempel hinaus.

Da sah er sich von der ganzen Schar der holden Schäferinnen umringt.

Reichsgerichtspräsident Simson.
Nach einer Photographie von G. Brokesch in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 773. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_773.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)