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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Anton von Werner.

Aus A. v. Werners Skizzenbuch.

Der Künstler kann sich vor vielen glücklich preisen, dessen Leben in eine Epoche fiel, welche ihm in ihren geschichtlichen Menschen und Ereignissen wahrhaft große würdige, seiner besonderen Begabung entsprechende Gegenstände und zugleich die Möglichkeit bietet, sein Talent in vollem Maße zu entwickeln und es in deren künstlerischer Behandlung zu bethätigen. Anton v. Werner ist dies Glück zu theil geworden.

Gerade während seiner Lehr- und Wanderjahre begannen jene Persönlichkeiten in den Vordergrund der vaterländischen Geschichte zu treten und die ersten jener Reihe von gewaltigen historischen Thaten zu vollziehen, deren treue Schilderung ihm zur künstlerischen Hauptaufgabe seines Lebens geworden ist. In der persönlichen Anschauung der Ereignisse und in der persönlichen Berührung mit den Männern, welche dieselben so glorreich hinausführten, wuchs mit der Begeisterung auch die Kraft zur Lösung dieser Aufgabe, wurde er sich seines Berufes dafür erst wahrhaft bewußt. Im Vollbesitz einer früh schon errungenen Meisterschaft aber hat es ihm jederzeit ebenso wenig an verständnißvollen Auftraggebern, welche die Größe jener Kraft richtig erkannten und würdigten, als an einem Publikum gefehlt, das seinen Schöpfungen und speciell eben den Darstellungen aus dieser großen Zeitgeschichte freudiges Interesse und warme Anerkennung entgegenbrachte. Aber auch mit Werken von wesentlich anderer Art hat er seines Volkes Herz zu treffen, es zu erheitern und zu rühren verstanden. Der die Wahrheit über alles hochhaltende, streng realistische Maler, welcher „dem Jahrhundert und Körper der Zeit seinen Spiegel“ vorzuhalten trachtet, war und ist ebenso heimisch im alten romantischen Lande der deutschen Dichtung und in der geschichtlichen Vorwelt wie in der modernsten Wirklichkeit. Manche Jahre schon, bevor er die großen historischen Momente und die intimeren Einzelscenen aus den Zeiten des Krieges gegen Frankreich und der Erringung der deutschen Einheit auf dessen Schlachtfeldern schilderte, war er als hochbegabter Nachfolger der romantischen Geschichtsmaler Altdüsseldorfs geschätzt. Seinen heutigen populären Ruhm dankt er zu nicht geringerem Theil als seinen Wand- und Staffeleigemälden, Panoramen und Dioramen, auf denen er Könige, Fürsten, Generale, Staatsmänner und Soldaten unserer Tage lebendig in die Erscheinung ruft, – manchen von ihm gemalten poetischen Allegorien und mehr noch seinen Zeichnungen zu den Dichtungen eines nachgeborenen Sprößlings der deutschen romantischen Poetenschule, Scheffels.

Anton v. Werner ist 1843 zu Frankfurt an der Oder geboren als der Sohn eines Handwerkers. In engen dürftigen häuslichen Verhältnissen wuchs der zarte, anscheinend schwächliche, aber geistig sehr geweckte und lebhafte Knabe auf. Früh schon wurde er in die Lehre zu einem Zimmermaler gegeben, um dessen Kunst gut handwerksmäßig praktisch zu erlernen. Ueber seine künstlerischen Neigungen und seine Begabung hatte er schon als Kind keinen Zweifel gelassen. Bei jenem Beruf meinte man daher den für ihn geeignetsten gewählt zu haben. An die Ermöglichung des höheren Kunststudiums für den Knaben war unter den gegebenen Verhältnissen zunächst gar nicht zu denken. Anton v. Werner hat diese harten Lehrjahre später nie beklagt, sie niemals als eine verlorene Zeit angesehen. Vor der Mehrzahl seiner nur auf dem herkömmlichen modernen Wege des Akademie- und Atelierbesuchs zur künstlerischen Ausbildung gelangten Genossen hat ihm gerade jene von ihm durchgemachte Lehrzeit einen unschätzbaren Vorsprung gegeben. Dankt er ihr doch die handwerklich-technische praktische Schulung, seine Fertigkeit und Sicherheit in der Behandlung auch der größten Flächen und gleichzeitig die Vertrautheit mit allem Ornament und mit dessen Malerei.

Des jungen Gehilfen höherer künstlerischer Beruf und ungewöhnliches Talent, die sich in jenen Jahren mehr und mehr durch wohlgetroffene Bildnisse und Kompositionen bekundeten, erweckten ihm indeß in seiner Vaterstadt thätige Freunde und Gönner. Mit deren Hilfe und der eigenen Kraft vertrauend, begab er sich 1859 nach Berlin, um hier mit dem Studium der Kunst auf der Akademie zu beginnen. Was ihm noch zum Lebensunterhalt mangelte, bestritt er durch eine eifrige illustrirende Thätigkeit. Seine Erfindungskraft und seine Geschicklichkeit im Entwerfen ornamentaler Kompositionen kam ihm dabei vortrefflich zu statten. Seine Vorliebe für dies Genre erweckte und nährte in natürlicher Folge auch die für einen der ersten, phantasievollsten und liebenswürdigsten deutschen Meister desselben, Adolf Schrödter in Düsseldorf.

Anton v. Werner, theils um dem verehrten Manne die Bewunderung für seine Schöpfungen kund zu geben, theils ihn zu einem Urtheil über seines jungen Verehrers eigene derartige Arbeiten zu veranlassen, sendete an Schrödter eine Auswahl seiner Entwürfe und Studien. Sie fanden bei diesem die freundlichste Aufnahme. Es entwickelte sich ein brieflicher Verkehr zwischen ihm und Werner. Als Schrödter damals, 1862, dem Ruf nach Karlsruhe an die großherzogliche Kunstschule folgte, lud er seinen jungen Freund ein, dorthin zu übersiedeln. Letzterer entsprach dieser Aufforderung mit Freuden. In Karlsruhe begann für ihn eine schöne glückliche Zeit, die rechte Blüthenperiode seines Daseins. Schrödters Schwager, C. F. Lessing, der Direktor der Kunstschule, wurde Werners Lehrer. Sehr bald schon überraschte der begabte Schüler letzteren und die gesammte deutsche Kunstwelt durch selbständige Schöpfungen von großer Reife und allseitiger Gediegenheit: die Illustrationen zu Herders „Cid“, zu einigen Dramen Schillers, zu Scheffels „Frau Aventiure“ und besonders durch das im 21. Jahr gemalte, in seiner Einfachheit so hochdramatische und charakteristische Geschichtsbild „Luthers Disputation mit Cajetan“ – eine Gruppe lebensgroßer Halbfiguren von echt geschichtlichem Gepräge, voll Wucht und Nachdruck, – und durch die Genrebilder voll frischer Laune und feiner Beobachtung „Vertrauliche Unterredung“, „Geburtstag im Atelier“, „Das Quartett“.

Den starken Einfluß seines Meisters Lessing verleugneten die in Karlsruhe und demnächst in Paris gemalten größeren Geschichtsbilder, jener Cajetan, „Konradin empfängt das Todesurtheil beim Schachspiel“ (1866) und „Erzbischof Hanno entführt den jungen König Heinrich IV. auf dem Rhein“ (1867 gemalt) keineswegs. Aber an Energie der farbigen Wirkung zeigte Werner sich dem Maler des „Huß auf dem Scheiterhaufen“, seinem Meister, schon damals überlegen.

Mit Scheffel in Karlsruhe persönlich bekannt geworden und für dessen Person wie für seine Dichtungen begeistert, widmete Werner außer der Illustrirung von „Frau Aventiure“ auch den anderen Dichtungen desselben seine künstlerische Kraft. „Juniperus“, die „Gaudeamuslieder“, die „Bergpsalmen“, vor allem der „ Trompeter von Säkkingen“ empfingen durch ihn reichen künstlerischen Schmuck. An der ungeheuren Popularität

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_603.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)