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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

bereits in Vergessenheit gerathen sei. In der Wachau sind beide noch aufrecht, und noch im Vorjahre hörten wir dort die Strophen:

„Der heilige Sankt Veit
Thät bitten um a Scheit,
Wer uns ka’ Scheit net gibt,
Hat mit’n Feur a ka’ Glück!“

Gewiß eine hübsch anklingende und zugleich etwas artigere Variation zu den ebenfalls bajuvarischen Versen, die Stieler anführt:

„Wir kommen vom Sankt Veit,
Gebt’s uns auch a Scheit,
Gebt’s uns auch a Steuer
Zu unserm Sonnwendfeuer;
Wer uns ka Steuer will geben,
Soll das nächste Jahr nimmer erleben!“

Auf der Donau.

Mit dem Hereinbrechen des Abenddunkels am Festtage selbst wird es überall im Thale und auf den freien Höhen lebendig von erwartungsvollen Zuschauern und erregten Mitthätern. Bald prasselt und qualmt es hier und dort lustig aus den leichten Reisighäuflein einiger „Schulerbubn“ oder aus solider angelegten Holzstößen auf – endlich flammt vom Berge drüben über der Donau eine erste mächtige Feuergarbe empor, der nun rasch unzählige andere große und kleine in Nah und Fern, auf den Höhen wie im Thale, so selbst den Strom auf kleinen Flößen herabtreibend, folgen, von immer lauter werdenden Jubelrufen begrüßt und begleitet. Die gewaltigsten dieser Feuer brennen alljährlich draußen schon am Ausgange der Thalenge, auf dem Klosterberge des Stiftes Göttweih und auf der Spitze des hohen Jauerlings (956 Meter), einer berühmten Aussichtswarte, die in dieser Sonnwendnacht oft von 3- bis 400 Menschen erstiegen wird. Das Schauspiel der beiden dort brennenden, wahrhaft riesigen Holzstöße ist aber auch ein dämonisch fesselndes: die leidenschaftliche Wuth, das Knattern, Zischen, Lodern, Knallen, ja Heulen der hochaufschlagenden Flammen, rings um die beiden Feuerherde ein weiter bunter Kreis von halb bewundernden, halb grausig erregten Zusehern: Landleute, Touristen, Sommergäste, nicht wenige schöne Wienerinnen unter ihnen – alle mit dem Wechsel des Windhauchs bald in hellen Gluthschein, bald in tiefe Schatten getaucht. Tritt man aus diesem tobenden Feuerkreis hinweg ins stille Nachtdunkel hinaus, so ist es dann wieder ein ganz einziger Anblick, das weite Bergland ringsum wie übersäet mit unzähligen Höhenfeuern zu sehen, die flammend, glühend, zuckend bis in die letzten Fernen hinausziehen. Das lauteste und mannigfaltigste Treiben aber entfaltet sich doch unten im Bereiche der Menschenwohnungen. Wie phantastisch leuchten nun dort im Wandelscheine dieser Feuer alle die alten und malerischen Orte an Strand und Berglehne auf: die befestigten Kirchen von Sankt Michael und Weißenkirchen, die geborstenen Mauern der Kuenringer Burg Dürnstein, die zackigen Wallmauern und Thürme des gleichnamigen Städtchens zu ihren Füßen. Am hellschimmernden Donaustrande werden leere Pechfässer angezündet und in den Strom hinausbugsirt, angetriebene brennende kleine Flöße hier jubelnd ans Land gezogen, dort wieder abgestoßen; hochgeschwungene glimmende Besen fahren wie Feuerräder durch die Luft, hier und da zischt eine Rakete auf; überall wird einzeln oder paarweise mit mehr oder weniger Geschick über die Flammen gesprungen. Die Thalwände hallen von all dem Schreien, Jubeln, Lachen und Aufkreischen der jugendlichen Stimmen wieder. Aber auch diese Lust geht zu Ende – schon lange vor Mitternacht ist auch das letzte Feuer erloschen, der letzte Ruf verhallt. Ueber Thal und Berg herrscht ungestört die kurze, die kürzeste Sommernacht mit dem stillen Prangen ihrer ewigen und unzählbaren Himmelslichter. Auch dieser Gegensatz gehört noch mit zum Bilde einer solchen Sonnwendfeier, die dem Betrachtenden gewiß eine schöne und bedeutsame Erinnerung bleiben wird, lebensvoll und das Nachdenken beschäftigend.

Eduard Zetsche.      





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Alle Rechte vorbehalten.
Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt. Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Claudine war den steilen Schloßberg hinauf gefahren und stieg an dem Portale des Flügels ab, den die Herzogin-Mutter bewohnte. Die aufgehende Sonne tauchte eben die verschneiten spitzen Giebeldächer, die Thürmchen und Mauern in Purpurgluth, und in demselben Moment entrollte sich das herzogliche Banner auf dem Hauptthurm der Stadt, die unten noch in grauer Dämmerung lag, ein Zeichen, daß die Herrin heimkehre, ja – heimkehre, um zu sterben.

Claudine fand im zweiten Stockwerk ein paar gemütliche Zimmer zu ihrer Verfügung und ward noch im Laufe des Vormittags zur alten Hoheit beschieden. Die freundliche Dame hatte verweinte Augen; sie saß an dem bekannten Erkerfenster und blickte über die Dächer ihrer guten Stadt hinweg, weit in das verschneite Land hinein. O, wie oft hatte Claudine hier vor ihr gesessen in dem lauschigen Zimmer, mit den steifen kostbaren Möbeln der ersten Kaiserzeit und den vielen, vielen Bildern an den Wänden, und hatte sich mit ihrer Gebieterin der herrlichen Aussicht gefreut. In der gegenwärtigen Stunde hatten sie beide kein Auge für diese Schönheiten. Sie sahen dort hinaus, wo der Schienenstrang aus dem Walde hervortrat, auf dem der Zug daherkommen sollte, der die arme Kranke brachte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_397.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2016)