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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt. Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)

Die Nachricht, daß die Herzogin krank, war bereits überall verbreitet.

„Sie sah so merkwürdig bleich zuletzt aus,“ bemerkte Prinzeß Thekla, als man beim Abendessen saß im Neuhäuser Speisesaal.

„Meine Kousine ist schon in aller Morgenfrühe hingeholt,“ erzählte Beate, der man keine Spur von Müdigkeit ansah, obgleich sie gar nicht zu Bette gegangen war, um unter ihrer Aufsicht die sämmtlichen Spuren des Festes beseitigen zu lassen. Da befand sich jede Silbergabel wieder an ihrem Platz, jede Tasse, jedes Möbel; nichts erinnerte mehr an das Feenmärchen der letzten Nacht, am allerwenigsten die Menschen selbst. „Sie schreibt mir soeben,“ fuhr Beate fort, „daß sie die Herzogin pflegt und ganz nach Altenstein übergesiedelt ist.“

„Welch rührende Freundschaft!“ rief die alte Prinzessin, die sehr schlechter Stimmung war; denn heute früh, als sie noch süß schlummerte, hatte Baron Lothar die Kinderfrau knall und fall entlassen; und Frau von Berg war schon in aller Morgenfrühe ein Billet an das Bett gebracht worden, das sie just in einem beglückenden Traum störte. Es enthielt die Entlassung von ihrer Stelle als Erzieherin „meiner Tochter“ in aller Form, zwar unendlich artig gehalten, aber es war so, wenn auch liebenswürdigerweise der Baron am Schlusse die gnädige Frau bat, sie möge über die Gastfreundschaft in seinem Hause verfügen.

Sie hatte nur ein Morgenkleid übergeworfen und war gegen alle Etikette in das Schlafzimmer der Prinzessin Helene gestürzt. Die kleine Durchlaucht hatte elend ausgesehen, mit dunklen Ringen um die Augen, als habe sie während der Nacht mehr geweint als geschlafen.

„Was ist da weiter?“ war der verdrießliche Trost gewesen. „Sie kommen dann zu Mama, Alice; ich werde mit ihr sprechen. Die Moorsleben geht ja ohnehin zu ihren Eltern zurück.“

Mama hatte dann auch wirklich sogleich die theure Alice aufgefordert, zu ihr zu kommen. Es war ja unerhört, einer „Dame“ zu kündigen, als sei sie eine Bonne; einer Dame, die sie eigens ausgesucht. Und sie hatte dennoch nicht gewagt, Gegenvorstellungen zu machen; der kurz angegebene Grund des Barons war allzu triftig; man mußte ihr, die beinahe die fahrlässige Tödtung des geliebten Enkelkindes verursacht hatte, sogar pro forma zürnen. Außerdem, noch hatte er nicht gesprochen, und leider konnte man ihn nicht zu einer Heirath „befehlen“, wie zu einem Walzer.

Der Frau von Berg war mit dem Arrangement so gar nicht gedient; sie saß, blaß wie ein unschuldig gekränkter Engel, in ihrem Gemach, äußerlich voll edler Fassung, innerlich vor Zorn „außer sich“. Das Kinderzimmer war urplötzlich nach unten verlegt, dicht neben die alte gemüthliche Schlafstube Beatens, nach dem weiten luftigen Hofe hinaus, wo es Pferdchen,

Die Kirche von Schwarzort.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_293.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2016)