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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

„O gerne, Elisabeth, aber was?“

„Aus Deinem Leben.“

„Ach Gott, da ist wenig zu berichten. Ich meine, Elisabeth, Du kennst das Alles.“

„Alles?“

„Ja, meine liebe Elisabeth!“

„Hast Du niemals eine Neigung gehabt, Dina?“

Ueber des Mädchens Gesicht flog ein glühendes Roth; langsam neigte sie den Kopf.

„Laß das, Elisabeth,“ bat sie mit erstickter Stimme, „frage nicht weiter – ich –“

„Kannst Du es mir nicht sagen?“ sprach die Herzogin leise und dringend. „Schenke mir Dein Vertrauen, Dina, schenke es mir – Du weißt doch alles von mir.“

In diesem Augenblick meldete die Kammerfrau den Herzog, und fast verstört erhob sich das schöne Mädchen und trat mit einer Verbeugung an ihm vorüber in das Nebenzimmer.

„Claudine! Claudine!“ rief die Kranke, und als sie zurückeilte, deutete die Herzogin auf den Sessel neben ihrem Bette. „Bleib’ hier!“ sagte sie herrisch. Es war zum ersten Male, daß sie so zu ihr sprach.

Gehorsam setzte sich Claudine. Sie hörte, wie theilnehmend der Herzog mit der Kranken redete, wie er hoffe, daß sie morgen doch wieder an dem Fest im Garten teilnehmen könne, daß sicher auch Mama erscheinen werde.

„Ich will mir Mühe geben, gesund zu werden,“ erwiderte sie.

„Das ist prachtvoll, Liesel! Gieb Dir Mühe,“ lachte der Herzog. „Wenn alle Kranken so dächten, gäbe es weniger Patienten. Der Wille thut wirklich etwas zur Genesung, frage nur den Medicinalrath.“

„Ich weiß es, ich weiß es,“ sagte sie hastig.

„Der Medicinalrath behauptet, Du seist heute nur psychisch krank,“ sprach der Herzog weiter. „Ich wüßte nicht, wieso? Ich meine, Du hast Dich einfach erkältet, mein Kind. Du mußt durchaus mehr geschont werden; Nachtluft ist nichts für Dich. Zum Winter gehst Du auf jeden Fall nach Cannes.“

„Zum Winter!“ dachte sie bitter und sagte laut mit völlig ungewohntem Trotz. „Ich will mich aber nicht mehr schonen!“

Se. Hoheit schaute verwundert auf das sonst so fügsame Geschöpf „Du bist in der That angegriffen,“ erwiderte er mit der Schärfe, die ein nicht völlig logischer Widerspruch unwillkürlich erzeugt. Und sich zu Claudine wendend, sagte er, dem Gespräch eine andere Wendung gebend. „Ihr Vetter hat gestern aber in Wahrheit ein reizendes Fest veranstaltet, welch geschmackvolles Arrangement und welch originelle Toiletten! Die Ihrige zum Beispiel, gnädiges Fräulein, einfach großartig! Nicht, Elisabeth?“

„Ich kann das Sprechen nicht ertragen, Adalbert; bitte – geh,“ sagte die Kranke mit nervös zuckender Lippe. Und als er mit einer ungeduldigen Bewegung zurücktrat, reichte sie ihm ängstlich die Hand, während ihre Augen in Thränen schimmerten: „Verzeihe mir!“ Und dann faßte sie Claudinens Hand, und sie in ihrer heißen Rechten haltend, legte sie sich zurück und schloß die Augen.

Er war gegangen.

Der Himmel hatte sich indessen mit schweren dunklen Wolken bezogen, gewitterschwül und beängstigend war die Luft. In der trüben Regenbeleuchtung sah das Gesicht der Herzogin aus wie das einer Todten. So lag sie unbeweglich, und so saß Claudine neben ihr, stundenlang.

Seltsam unheimlich dünkte es ihr.

(Fortsetzung folgt.)




Ein deutscher Fürst als Geschichtsschreiber seiner Zeit.
Von Friedrich Hofmann.

Der deutschen Nation ist mit dem Werke des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha „Aus meinem Leben und aus meiner Zeit“[1] ein Buch in die Hand gegeben, welches nach allen, selbst den entschiedensten Parteiurtheilen zu den denkwürdigsten Erscheinungen unserer historischen Litteratur gehört. Selbstverständlich ist es vom höchsten Interesse für alle, welche die geschilderten Zeitereignisse verständnißfähig mit erlebt haben. Wer in der Menge und im Gedränge des Tages mit fortgeschoben wurde oder selbst mit schob, der muß es als eine Wohlthat erkennen, daß er die ganze durchlaufene Bahn noch einmal überschauen kann, aber mit einer Beleuchtung von oben, die es ihm nachweist und verständlich macht, wo auf diesem Gange unvorhergesehene Hemmnisse oder überraschende Vorwärtsstöße zu verspüren waren und warum das sogenannte Schicksal oft so wunderliche und unheilvolle Wege für Deutschlands Weltstellung und Zukunft einschlug. Wir lesen dieses Buch mit doppelter Empfindung; wir empfinden Freude über den Wahrheitsmuth, der hier die Leuchte trägt, und Trauer über das, was wir so oft erleben mußten, um vom rechten Weg zum richtigen Ziel unseres nationalen Auflebens immer wieder abgedrängt zu werden.

Zu der letztern Empfindung, zu der Trauer, ist ganz besonders die Periode unserer Geschichte geeignet, welche im ersten Bande des Werkes uns vorgeführt wird: wir stehen am Ende vor den Tagen von Olmütz, vor dem österreichischen Sieg des wiedererstandenen Bundestags durch Rußlands Gnade, – vor der „Leidensgeschichte des Jahres 1850“, wie der Herzog es bezeichnet.

Wer hier, bei der 616. Seite des Buchs, angekommen ist, der fühlt einen Druck wie von einem erneuten bitteren Leid auf dem Herzen; es ist des Niederbeugenden so viel über uns ergangen, daß wir uns nach den ersten Kapiteln des Werks zurücksehnen, wo Heimath, Haus und Jugend des Herzogs und seines Bruders Albert mit frischen erquickenden Bildern die Seiten füllen.

Wenn andere Autoren in ihren Vorworten sich über Wahl und Behandlung des Gegenstandes ihrer Werke aussprechen, so sieht der Verfasser des vorliegenden Buchs sich genöthigt, vor allem seinen Standesgenossen gegenüber sich das Recht eines solchen öffentlichen Wortes zu wahren. Drei Sätze des Vorworts stellen das entschieden fest:

„Offen spreche ich meine Ueberzeugung aus, daß in unserer vielgeschäftigen, den Erfolg der Dinge oft nur äußerlich beurtheilenden Zeit der Mann der That mehr als jemals das Bedürfniß haben muß, seinen Standpunkt und seinen Antheil am politischen Leben nicht ganz verdunkelt zu sehen.“

„In den Erzählungen der Nachgeborenen wird nur derjenige hoffen können, einen sichern Platz zu behaupten, welcher dafür Sorge getragen hat, daß von seinen Bestrebungen schriftliche Kunde bestehe.“

„Ich kann mich nicht bestimmt finden, mir mein Recht verkümmern zu lassen, die Dinge darzustellen, wie ich dieselben erlebt, empfunden und mitbewirkt habe. Mir war ein halbes Jahrhundert hindurch Gelegenheit geboten, im Vordertreffen zu stehen; ich habe vieles erfahren, die Ereignisse scharf beobachtet, und kein wirklicher Kenner der Zeit dürfte meinen bescheidenen Antheil an den Gestaltungen unseres Vaterlandes in Zweifel ziehen wollen.“

Diesen drei Sätzen möge noch der folgende zum Abschluß aus dem Vorwort dienen: „Mein Leben fiel in eine große Zeit des Ringens um die nationalen Güter; ich habe nie anders als mit Freude und Hingebung mitgearbeitet, immer die großen Resultate im Auge, deren sich die Generation, welcher ich angehöre, nun dankbar rühmen darf. Selbstverständlich wird kein einzelner Mann und vielleicht noch weniger eine einzelne Partei für sich in Anspruch nehmen wollen, immer auf der einzig richtigen Bahn dem Ziele unserer heutigen Entwickelung zugestrebt zu haben. – Das rein sachliche Interesse jedoch, welches meiner Darstellung Freunde erwerben muß, wird für bloßes Uebelwollen keinen Raum gewähren; ich glaube sicher sein zu können, daß meine Aufzeichnungen noch nach vielen

  1. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz (Besser’sche Buchhandlung), 1887.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_280.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2016)