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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Blätter und Blüthen.

Villa Zirio. (Mit Illustration S. 893.) Wir haben unsern Neujahrswünschen für die Wiedergenesung des deutschen Kronprinzen warmen Ausdruck gegeben: wir bringen S. 893 das Bild der Villa, in welcher derselbe gegenwärtig, und zwar seit dem 2. November dieses Jahres, verweilt: an diesem Tage ist er von Baveno an dem entzückenden Lago Maggiore nach San Remo übergesiedelt, jenem Städtchen an der Riviera, das in neuerer Zeit, hauptsächlich durch seine geschützte Lage zwischen zwei vorspringenden Kaps, einen großen Aufschwung als Luftkurort genommen hat. Die Altstadt von San Remo erhebt sich, malerisch ansteigend, am Südabhange eines Hügels. Die Neustadt erstreckt sich am Strande hin mit schönen Palästen und Villen, Gärten und Hôtels. An dem ruhigeren Ostende der Neustadt befindet sich die Villa Zirio, durch einen schönen Garten von der Straße getrennt, von den Fenstern der Südseite aus den Ausblick auf das Meer gewährend bis zu den fernen Bergen Korsikas, die an hellen Tagen dämmernd am Horizonte auftauchen. Die Villa hat zwei Stockwerke außer dem Erdgeschoß; sie ist im freundlichen Stil der italienischen Villen gebaut. Nach der Straße zu hat sie einen großen Balkon, darunter eine in den Garten führende Veranda. Im Garten selbst befindet sich ein Haus, in welchem das Gefolge des Kronprinzen wohnt. Möchte dies schöne Stückchen Erde, über das er rüstig und muthig wandelt, wo er mit den Seinigen das reinste Familienglück genießt, mit seinem üppigen Pflanzenwuchs einen heilkräftigen Lebensathem ausströmen, welcher die tückische Krankheit bannt und heilt! †      

Dekoration zu Graun’s Oper „Orfeo“. (Mit Illustration S. 890.) Zum Glanz der italienischen Oper in Deutschland hat der Komponist Karl Heinrich Graun (1701 bis 1759) am meisten beigetragen. Die Graun’schen Opern beherrschten in Berlin das Repertoire; denn es war der Lieblingskomponist Friedrich’s des Großen. Wer kennt heut zu Tage die zahllosen Opern Graun’s? Sie sind alle der Vergessenheit anheimgefallen, auch sein „Orfeo“, der noch lange nach dem Tode des Komponisten auf Ordre des Königs in Berlin gegeben wurde. Im Jahre 1785 wurden von dem Maler Bartolomeo Verona neue Dekorationen zu dieser Oper gemalt, von denen wir eine Probe mittheilen. Die Unterwelt, in welche Orpheus seiner Eurydice folgte, ist hier mit ihren Höllengeistern und phantastischen Ungeheuern mit Gluthaugen anschaulich genug dargestellt. Obschon Friedrich der Große nach dem Siebenjährigen Kriege der italienischen Oper in Berlin nicht mehr die frühere warme Theilnahme zuwendete, so sorgte er doch, wie diese Dekorationen beweisen, noch stets für ihren dekorativen Schmuck und äußern Pomp. Wir entnehmen die Vorlage zu unserer Illustration dem Prachtwerke, welches Louis Schneider über die „Geschichte der Oper und des Königlichen Opernhauses in Berlin“ (Duncker und Humblot) herausgegeben hat: einem Werke, das auf den genauesten Forschungen beruht. Neben der glänzend ausgestatteten italienischen Oper führte die deutsche lange Zeit hindurch nur eine Aschenbrödelexistenz. †      

Unterhaltungsabende für Arbeiter. Im zweiten Vierteljahrshefte des „Arbeiterfreundes“ berichtet Dr. Viktor Böhmert über eine Veranstaltung, welche vor der Hand noch in den Anfängen steht, aber einen so segensreichen Keim zu enthalten scheint, daß wir gern dem großen Leserkreis der „Gartenlaube“ darüber Bericht erstatten. Im vorigen Winter veranstaltete das „Komité für Volkswohl“ in Dresden eine Reihe von sonntäglichen Unterhaltungsabenden für Arbeiter und deren Angehörige, mit dem Bestreben, dadurch das Volk an reinere und mäßigere Sonntagsfreuden zu gewöhnen, als sie in dem Dunst der Bierhäuser und bei den Kouplets der Volkssänger zu finden sind. Man miethete die große Turnhalle des Turnvereins und kündigte eine Abendunterhaltung an, der sofort Scharen von Neugierigen zuströmten. Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit einer Ansprache, worin er betonte, daß jeder thätige Mensch im Staate ein Arbeiter sei, einerlei, welchem Berufe er obliege, und daß die besten Eigenschaften des Arbeiters: Treue und Freudigkeit für sein Werk, Jedem gegeben sein können, der mit Gewissenhaftigkeit dasselbe verrichtet. Musik leitete darauf die gesellige Unterhaltung ein, welche an den verschiedenen Tischen in zwangloser, aber durchaus gesitteter Weise sich entwickelte. Es waren 2000 Menschen anwesend; während des ganzen Abends aber wurde kein rohes Wort gehört und Niemand gab durch sein Betragen irgend welchen Anstoß.

Das Hauptgewicht des Abends liegt in den volksthümlichen Vorträgen, welche die verdienten Männer des Komités abwechselnd mit anderen Arbeiterfreunden halten.

Die Gegenstände waren passend gewählt; das große Auditorium lauschte gespannt den Rednern und manche private Danksagung gelangte später an das Komité.

Mit sehr richtigem Takte wird jede politische oder kirchliche Färbung dieser Versammlungen vermieden. Die Wirkung auf das Gemüth ist die Hauptsache; daß sie erreicht wurde, dafür zeugt die wachsende und warme Theilnahme der Besucher, dafür sprechen vielfache Dankeszuschriften an das Komité. Möchten doch auch anderwärts in großen und kleinen Städten Menschenfreunde an die gleiche Aufgabe herantreten. „Der Mensch lebt nicht vom Brote allein“ und bedarf nach der mechanischen Wochenarbeit einer Erholungsstunde für Geist und Gemüth. Dieselbe ihm in edler und ansprehender Weise zu bieten und dadurch zur allmählichen Verbesserung und sittlichen Hebung ganzer Bevölkerungsschichten beizutragen: das ist sicher ein schönes und erstrebenswerthes Ziel!

Gedichte von Amélie Godin. Von den Lesern unseres Blattes geschätzt und geliebt ist Amélie Godin als Erzählerin; es wird Allen von Interesse sein, ihr auf dem Gebiete der lyrischen Dichtung zu begegnen. Ihre soeben erschienenen „Gedichte“ (München, Theodor Ackermann), denen ihr Bildniß vorangestellt ist, zeugen für das sinnige Naturgefühl der Dichterin und für die Innigkeit, mit der sie sich in das Familienglück am häuslichen Herd versenkt. Die Form der Gedichte ist anmuthend und gefällig; es sind meistens kleinere Liederblüthen, welche an diejenigen von Martin Greif erinnern. Als Probe theilen wir das Gedicht „Schläfer“ mit:

„Frühe Liebe – holder Traum
Einer Sommernacht,
Noch versteht das Herz sich kaum,
Als es schon erwacht
Und auf süße Lust und Qual
Lächelnd sich besinnt,
Wie der Thau im Morgenstrahl
Funkelt und zerrinnt.

Späte Liebe – Todesnacht,
Dunkel, still und tief;
Nie zur Tageslust erwacht,
Wer darin entschlief.
Traumlos sinkt der Schläfer hin,
Kennt nicht Welt noch Zeit,
Weder Ende noch Beginn,
Nur die Ewigkeit.“ †      



Allerlei Kurzweil.


Neujahrsglocken-Räthsel.

[FDIEGETLSHSI
REIREUEATREE]

Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 788:
Weiß: Schwarz:
1. L h 6 – g 7 K d6 – d 5 :
2. D g 1 – g 5 d 7 – d 6
3. L g 7 – e 5 : d 6 – e 5 : a. B.
4. D 6 5 – d 8 matt.
Weiß: Schwarz:
1. L b 7 – d 5 :
2. L g 7 – e 5 : K d 6 – e 5 :
3. D g 1 – g 5 K e 5 – d 6 (d 4 :)
4. D 6 5 – f 4 (f 6) matt.

Varianten: a) 1. … e 5 – d 4 :, 2. D g 1 – h 2 †, K d 6 – d 5:, 3. D h 2 – e 5 † etc. oder 2. … K d 6 – c 6, 3. D h 2 – c 7 † etc. – b) 1. … S b 1 – d 2 (a 3), 2. D g 1 – g 5, S d 2 – c 4 !, 3. d 3 – c 4 : etc. oder 2. … S d 2 – f 3, 3. D g 5 – e 7 † etc. oder 2. … e 5 – d 4 :, 3. D g 5 – e 5 † etc. – c) 1. … a 7 – a 5 2. D g 1 – g 5, a 5 – b 4 :, 3. D g 5 – e 7 † etc. – d) 1. … beliebig anders, 2. D g 1 – h 2 nebst 3. D h 2 – e 5 : matt. – Eine vorzügliche Arbeit! Der Ideenreichthum und die Formgewandtheit K. Erlin’s sind überraschend.


Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 17 auf S. 880.

Der Spieler gewinnt sein Schellensolo, obwohl nur 2 Sieben liegen und keine Zehn blank sitzt, mit Schneider bei folgender Kartenvertheilung: Skat: e7, r7.

Vorhand: gW, rW, sK, eZ, e9, rZ, r9, g9, g8, g7,
Hinterhand: eW, sW, s9, eK, eO, rK, rO, gZ, gK, gO,

denn der Gang des Spiels wird folgender sein:

1. g9, gD, gO (+14),
2. s7, s9, sK (−4),
3. g8, r8! gZ (−10),
4. eK,[1] e9, e8! (−4),
5. gK, g7, sD (+15),
6. 8, sW, rW (−4),
7. eZ, eD, eO (+24),
8. sO, eW, gW (−7),
9. rK, r9, rD (+15),
10. sZ, rO, rZ (+23).


  1. Spielt Hinterhand sofort gK nach, so wirft der Spieler auch die e8 ab und das Resultat ist dasselbe.


Auflösung des obenstehenden Neujahrsglocken-Räthsels: Man folgt den Schwingungen des Pendels und erhält: „Friede sei ihr erst’ Geläute“.



Inhalt: Jascha. Von W. Heimburg (Schluß). S. 881. – Zum Neujahrsball. Illustration. S. 881. – Eine Wolfsjagd in den Vogesen. Von J. Weber. S. 886. Mit Illustration S. 885. – Neujahr. Gedicht von Ernst v. Wildenbruch. Mit Illustration S. 888. – Ueber Hypochondrie. Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marienbad. S. 889. – Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Schluß). S. 891. – Neujahrswünsche. S 895. – Blätter und Blüthen: Villa Zirio. S. 896. Mit Illustration S. 893. – Dekoration zu Graun’s Oper „Orfeo“. S. 896. Mit Illustration S. 890. – Unterhaltungsabende für Arbeiter. S. 896. – Gedichte von Amélie Godin. S. 896. – Allerlei Kurzweil: Neujahrsglocken-Räthsel. S. 896. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 788. S. 896. – Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 17 auf S. 880. S. 896. – Auflösung des Neujahrsglocken-Räthsels. S. 896.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 896. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_896.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2023)