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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 39.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Der Unfried.

Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)

Mit aufgezogenen Brauen und verdutzten Augen schaute Karli der zur Stube hinauseilenden Kuni nach. Dieser Abschied mochte ihm doch ein wenig sonderbar bedünken. Aber Müdigkeit und Wein hatten ihm den Kopf bereits so schwer gemacht, daß er keine sonderliche Lust mehr zum Räthsellösen verspürte. Und wenn er sich schon Gedanken machen wollte, da hatte er ja an ganz andere Dinge zu denken, als an die „Dummheiten“ einer Magd. Seufzend streckte er die Füße, verschlang die Hände hinter dem Nacken, lehnte den Kopf an die Mauer und starrte so in den flackernden Schein der Kerze.

Er dachte an den kommenden Tag, an die Unterredung mit Götz, und überlegte, wie er seinen Entschluß, Sanni zu sprechen, am besten verwirklichen könnte. Es war selbstverständlich, daß er schon am frühen Morgen die blaue Montur anlegen würde. Erstens stand sie ihm einmal so gut zu Gesicht, und zweitens mußte Sanni, wenn er sie nur sehen sollte, ohne sie sprechen zu können, aus seinem Gewande den Zweck seines Besuches errathen. Das war aber nur ein angenommener Fall, denn in seiner rosigen Hoffnungsseligkeit war er der festen Ueberzeugung, daß ihm am kommenden Morgen alles nach Wunsch gelingen mußte. Er hörte sich schon in einem heimlichen Waldversteck mit Sanni plaudern und legte sich in Gedanken die Worte zurecht, in denen er „gar g’scheit“ mit ihr reden wollte, damit sie beide vor seinem Abschied doch wüßten, wie sie mit einander dran wären. Mit dem Bygotter würde es freilich seiner Zeit noch „schieche Sachen“ absetzen – so etwas schwante ihm – aber desto leichter und glatter würde er dafür mit dem eigenen Vater ins Reine kommen. Der Pointner konnte es ja kaum erwarten, daß er den Hof an seinen Buben los wurde – und daß dem Pointner die Sanni als Schwiegertochter wie keine Andere gefallen würde, darüber war Karli schon längst mit sich im Klaren, denn seiner Meinung nach gab es auf der weiten Gotteswelt kein weibliches Wesen, welches so wie Sanni die Ansprüche des Pointners gedeckt hätte: „a richtig’s G’müth, bildsauber, und so a recht a lieb’s Gsicht’l, daß man gleich ’neinbeißen möcht’!“ Was Wunder also, daß Karli in den Träumen des Halbschlummers, der ihn allmählich überfiel, bereits seinen


Marie Antoinette.
Originalzeichnung von A. Brunner zu: „Das Milchmädchen von Trianon“ (S. 637.)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_629.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)