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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Das Kind und seine Pflege. Populär zu schreiben, ist eine schwierige Kunst, die nicht Jedem gegeben ist. Besonders schwierig aber ist die volksthümliche Darstellung der einzelnen Abschnitte der medicinischen Wissenschaft: sie gleicht einem zweischneidigen Schwerte, welches nützen und schaden kann. Die allgemeinen Regeln zur Erhaltung der Gesundheit und Verhütung von Krankheiten bringen, zum Gemeingut weitester Kreise geworden, sehr großen Nutzen; von ihnen aber öffnet sich dem Laien auch ein verführerischer Weg zu der eigentlichen Heilkunde, zum Eingreifen in ausgesprochenen Krankheitsfällen. Das Selbstkuriren oder unberufene Kuriren der Angehörigen und Freunde hat nun seit jeher unendlichen Schaden gestiftet: denn die Halbbildung und das Halbwissen führen zu Trugschlüssen, die im praktischen Leben zu schwerwiegenden Mißgriffen werden. Der volksthümlich schreibende Arzt muß darum stets auf diese Gefahren der populären Medicin achten und stets das Ziel im Auge behalten, daß er den Laien nur zum Hygieniker und Krankenpfleger ausbilden soll; er muß es aber zugleich vermeiden, daß durch seine Lehren Kurpfuscher großgezogen werden. Namentlich auf dem Gebiete der Pflege des Kindes rächt sich eine derartige Kurpfuscherei, die eben so schlimm ist wie die an dem zarten Körper herumdokternde Ammen- und Basenweisheit. Es giebt in unserer Litteratur nur wenige Bücher, welche den oben aufgestellten Grundsätzen entsprechen, und darum scheint es uns von allgemeinem Interesse zu sein, auf ein Werk hinzuweisen, in welchem der Verfasser alle jene gefährlichen Klippen der populären Heilkunde glücklich zu vermeiden wußte. Es ist dies das Werk: „Das Kind und seine Pflege im gesunden und kranken Zustande“ von San.-Rath Dr. med. Livius Fürst (Leipzig, J. J. Weber), welches bereits in dritter Auflage vorliegt. Der Verfasser, ein angesehener Specialist auf dem Gebiete der Kinderkrankheiten, verfügt über eine außerordentlich gefällige und klare Darstellungsweise; er ist kein langweiliger Lehrer, sondern versteht den Leser stets zu fesseln und entrollt in seinem Buche ein sehr wahrheitsgetreues Bild der Entwickelung des Kindes von dem Säuglingsalter bis zu dem höheren Kindesalter. Mütter, Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen finden in demselben die besten und zuverlässigsten Aufschlüsse über alle gesundheitlichen Fragen, welche die Kinder betreffen: sie lernen in rationeller Weise ihre Pfleglinge zur Gesundheit zu erziehen, sie erfahren die Grundsätze der Krankenpflege und finden mit Klarheit und Schärfe die Grenzen gezogen, an welchen ihr selbständiges Eingreifen aufhören und wo der Arzt gerufen werden muß. Kein Wunder also, daß sich das Fürst’sche Buch so rasch in den deutschen Familien eingebürgert hat; es ist ein wahrer Hausschatz, der auch weiterhin gehütet zu werden verdient. * 

Der Sitz im Eisenbahnwagen. In Nr. 1, „Gartenlaube“ 1884, brachte Prof. O. Knille eine Abhandlung über die Sitze in unsern Eisenbahnwagen und wies auf die Nothwendigkeit hin, die Bänke etc. den Anforderungen der Hygiene entsprechend zu reformiren. Wir sind heute in der Lage, unseren Lesern die Abbildung eines Sitzes vorzuführen, welcher der gegebenen Rückenlinie des menschlichen Körpers gerecht wird und den Anforderungen der Bequemlichkeit entspricht. Der Erfinder des neuen, gegen Nachahmung gesetzlich geschützten Sitzes ist C. Fischmann in Nordhausen. Die Eisenbahndirektion in Erfurt hat bereits den probeweisen Gebrauch des Sitzes angeordnet. * 

Neapolitanische Bräute. Die Gesichter früherer deutscher Studenten gleichen, um mit Heine zu sprechen, öfters Albums, in denen sich ihre Freunde sehr leserlich eingetragen haben. In Neapel aber sind es die Frauen, in deren Gesichtern die Liebesabenteuer ihrer Jugend verzeichnet sind. Die Bräute oder solche, die es werden wollen, sind nur zu häufig den leidenschaftlichen Aufwallungen ihrer Verehrer ausgesetzt. Und diese Leidenschaft begnügt sich nicht mit heftigen Ergüssen: sie greift zum Messer. Das ist wenigstens in den niederen Ständen üblich. Der Liebende oder Bräutigam versetzt, in Anwandlung berechtigter oder unberechtigter Eifersucht, dem erkorenen Mädchen mit seinem Rasirmesser einen Schnitt über die Wange; ja, wenn er sich empfindlicher rächen will, so bedient er sich eines gezackten Rasirmessers, weil der Schnitt mit einem solchen weher thut. Die verwundete Geliebte begiebt sich ins Hospital, zeigt aber nie den Thäter an; die Liebe leidet dabei keinen Schaden, das Verhältniß dauert fort. Sie erhält durch diesen Schnitt, wie eine Pflanze durch den Schnitt beim Okuliren, oft nur eine schönere Blüthe. Minder günstig gestaltet sich das Verhältniß, wenn die Mädchen selbst zum Messer greifen, um ihre treulosen Liebhaber zu zeichnen. Auch das ist oft genug der Fall. Diese rühmen sich gerade ihrer „Schmisse“ nicht; aber wie ein deutscher Student mit ihnen seinen Muth und seine Tapferkeit beweist: so trägt eine Neapolitanerin mit Stolz ihre gezeichnete Wange zur Schau, zum Beweis, wie sehr sie geliebt worden. †     

Allgemeine Bildung. Es ist leicht zu beobachten, mit welchem geringen Aufwande die sogenannte allgemeine Bildung ihre Kosten deckt, wie oft sie sich mit der angelernten Phrase begnügt und wie die meisten Menschen mit berühmten Namen nur einen Begriff verbinden. Ein kleines Verzeichniß solcher im Umgang kursirenden Münzen mag das erläutern; wir geben an, was der Name den Meisten bedeutet; mehr wissen sie nicht von den Trägern desselben: Byron – Weltschmerz; Tasso – Befreites Jerusalem; Ariost – Rasender Roland; Petrarca – Laura; Don Quixote – Windmühlen; Ben Akiba – Alles schon dagewesen; Humboldt – Kosmos; Kant – Kategorischer Imperativ; Holbein – Madonna; Watteau – Schäferspiele etc.

Wie man vor 200 Jahren seiner Angebeteten die Glückwünsche zum Jahreswechsel darbrachte, giebt nachstehendes Schreiben zu erkennen, welches der 1662 zu Nürnberg erschienenen „Neu-Aufgerichteten Liebs-Cammer“[WS 1] entnommen ist. Es lautet:

Hoch-Tugendhaffte und schönste Jungfrau. Bey Gottlob glücksehligem Schluß deß Alten, und fröligem Antritt deß Neuen Jahrs, treibt mich die vor diesem zum offtern erklärte Dienst begierde, meiner Schönsten und in Ehren herzgeliebten Jungfrauen, von dem Allmächtigen einen erfreulichen Anfang dieser verneuten Zeit und danebst vieler andrer Jahre glückliche Erfüllung, hertzlichst zu wünschen. Der Allerhöchste, welcher unser aller Thun anfängt, mittelt und endet, dazu der Zeit ihren Ursprung und Ausfluß eröffnet, wolle die Zier-reichen Rosen ihrer holdseligsten Jugend nach wie vor in ihrer behaglichen frischen Blüthe erhalten, vor Anwehung wiedriger Gesundheit- und Glücks-Stürme unter seinen Gnaden-Flügeln beschirmen, und ihren Stand mit allem Jungfräulichen Wohlergehen gesegnen und krönen: mir aber die vielverlangte Gelegenheit schenken, deroselben meinen ergebenen Gehorsam mit würklichen Diensten besser in diesem neuen, wie in dem abgewichenen Jahr, zu beglauben. Welches die schönste und liebste Jungfrau mit ihrer huldreichsten Befehlung zu befordern und veranlassen geruhe; in ungezweifelter Versicherung, daß nächst göttlicher Gnade die ihrige das theuerste Präsent sey, welches ich mir selbsten zum Neuen Jahr wünsche.

 Ihrer Tugenden Dienst-eigener
 Knecht N N.



Allerlei Kurzweil.

Schach.
Von Otto Fuß in Hannover.

Schach.
Von Otto Fuß in Hannover.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 400.
Weiß: Schwarz:
1. T g 1 – g 6 ! S g 7 – e 6 :
2. S d 4 – f 5 : ! S e 6 – c 7 : a. B.
3. S f 5 – e 3 matt.

Weiß droht mit 2. S d 4 – b 4 (oder e 2) fortzufahren. Auf 1. … L c 8 – d 7 folgt 2. D c 7 – d 7 : † nebst 3. D d 7 – b 5 matt. Schade, daß dem ausgezeichneten Hauptspiele nicht wenigstens eine hervortretendere Variante zur Seite steht! Das Problem dürfte ziemlich schwierig sein.


Auflösung der Charade auf S. 416: 0 „Fischweib“.



Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

L. G. in Magdeburg. Lesen Sie das „Buch der praktischen Erwerbslehre“ von Reinhold Fröbel (Leipzig, 1887)[WS 2]. Im 35. Kapitel dürften Sie ziemlich Alles finden, was Sie über Kapitalanlage zu wissen wünschen, und im 43. Kapitel auch eine eingehende Besprechung der Nebenerwerbe für alle Berufsarten. Das Buch ist mit Sorgfalt und Sachkenntniß geschrieben und verdient die Beachtung Aller, welche sich über Fragen auf dem Gebiete des Erwerbslebens orientiren wollen. Wie reichhaltig und Ihren Wünschen entsprechend der Inhalt des Werkes ist, ersehen Sie schon aus einer kurzen Inhaltsskizzirung des oben genannten Kapitels über die Kapitalanlage. Dasselbe enthält neben allgemeinen Klugheitsregeln sehr wichtige Winke über: Kapitalanlage behufs Erwerbung werthvoller Kenntnisse, Kapitalanlage in berufsmäßigen Unternehmungen, offenen Theilhabergeschäften, städtischen Grundstücken und Landgütern, stillen Theilhabergeschäften, Kommanditgesellschaften, Aktienunternehmungen, Hypotheken, Staatsschuldscheinen, garantirten Schuldverschreibungen etc. Und in dem Kapitel über die Nebenerwerbe wird sowohl des Landwirths gedacht als des Industriellen und Gewerbetreibenden, des Kaufmanns, Rentiers, des Beamten in Dienst und Pension; und auch die Nebenerwerbe für Frauen und Mädchen haben gebührende Berücksichtigung gefunden.

W. R. in Petersb. Einen derartigen Artikel hat die „Gartenlaube“ nicht gebracht.

N. R. in Würzburg. Eine solche Kuranstalt ist uns nicht bekannt. Wenden Sie sich an einen Specialisten der Universität Würzburg.


Inhalt: Götzendienst. Roman von Alexander Baron v. Roberts (Schluß). S. 417. – Blumengruß. Illustration. S. 421. – Hans Hopfen. Von Rudolf v. Gottschall. Mit Portrait. S. 425. – Der Nordostseekanal. Ein Gedenkblatt an den 3. Juni 1887. S. 426. Mit Illustration S. 429. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 428. – Die Enthüllung der Domfaçade zu Florenz. Von Isolde Kurz. Mit Illustration S. 432. – Eine neuerschlossene Thüringer Waldidylle. Von Fr. Hofmann S. 433. Mit Illustrationen S. 417 und 433. – Die Emailleuse. Von Hans Wachenhusen. S. 434. – Blätter und Blüthen: Der große alte Mann. S. 435. – Das Stiefmütterchen. Mit Abbildung S. 435. – Das Kind und seine Pflege. S. 436. – Der Sitz im Eisenbahnwagen. Mit Abbildung. S. 436. – Neapolitanische Bräute. S. 436. – Allgemeine Bildung. S. 436. – Wie man vor 200 Jahren seiner Angebeteten die Glückwünsche zum Jahreswechsel darbrachte. S. 436. – Allerlei Kurzweil: Schach. S. 436. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 400. S. 436. – Auflösung der Charade auf S. 416. S. 436. – Kleiner Briefkasten. S. 436.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Neu-Auffgerichtete Liebs-Cammer, Darinnen / Allerhand höfflich-verliebte Send-Schreiben / an das löbliche und anmuthige Frauenzimmer / auch andere Personen abgefasset … Erbauet durch E. F. [= Erasmus Francisci]. [Nürnberg]: Endter, 1662 im VD17 unter der Nummer 23:620138N
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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_436.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2023)