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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

sträubt, und fächert und schließt im Takte den prasselnden Stoß. Heller und heller wird es am Himmel, dessen östliche Ferne sich schon mit farbigen Streifen säumt. Immer rascher und erregter tönt der Falzgesang des Hahnes, und prächtiger mit jedem Augenblicke entwickelt sich das Bild des leidenschaftlichen Thieres. Schon unterscheidet der Jäger die weißen Sprenkeln des Gefieders, feurig leuchtet ihm die „Rose“ entgegen, und schneegleich schimmern die „Spiegel“ der hängenden, zitternden Schwingen.

Da läßt sich von der nahen Lichtung ein leises, mahnendes Glucken vernehmen, der Hahn verstummt inmitten des beginnenden Klippens; eine Weile schweigt er, dann hebt er von neuem sein Falzlied an – sein letztes! Denn auch der Jäger hat jene Mahnung verstanden. Langsam führt er die Büchse zur Wange – eine Sekunde noch – dann bricht der Schuß, und

„Rings der Hall die Vöglein weckt,
Die schlafend in Busch und Baum versteckt,
Und keines von ihnen bekümmert der Tod,
Sie alle frisch grüßen das Morgenroth,“[WS 1]

wie Vater Kobell einst gesungen, der auch seine Herzensfreude daran hatte, wenn der stattliche Vogel niederstürzte durch das brechende Gezweig.

So willkommen glatt und sauber geht die Sache freilich nicht immer ab. Gar oft verdirbt die Bosheit des Wetters dem Jäger nach weitem Weg und langer Mühe die ganze Jagd. Oder es will der Hahn trotz aller Gunst der Witterung nicht falzen, und da läßt er sich nicht einmal fragen, weßhalb er nicht will – er macht sich eben unsichtbar. Häufig auch bringt sich der Jäger durch eigene Schuld um den erhofften Erfolg; ein Schritt zuviel beim „Anspringen“, eine unvorsichtige Bewegung während der Pausen, und der Hahn ist vergrämt; da heißt es dann vor dem mißtrauisch gewordenen Vogel stehen wie eine Mauer, oft durch lange, endlos scheinende Minuten, ob einem auch die Knochen im Leibe zerbrechen möchten; ein vorzeitiges Ermüden, ein einziges Wanken, und der Hahn reitet dem Jäger vor der Nase davon. Manchmal auch gelang das Anspringen trefflich; man steht schon in nächster Nähe des Falzbaumes – aber kein Hahn ist zu sehen. Denn wie in der modernen Lyrik, so giebt es auch unter diesen Liebessängern des Bergwaldes Idealisten und Pessimisten; diese letzteren singen ihr Falzlied in gar melancholischem Tone, halten sich dabei in einem dichten Tannenwipfel verborgen oder drücken sich während des Falzens regungslos an den Stamm der Buche, so daß nicht einmal das schärfste Jägerauge sie im Dämmergrau von den dunklen Knorren des Baumes zu unterscheiden vermag. Hat man endlich den Hahn erblickt, so gilt es immer noch einen guten Schuß zu thun, was bei dem grauen Lichte und bei der gesteigerten Erregung des Jägers auch kein so leichtes Ding ist. Und dann – es ist ja nicht jeder treffende Schuß im Momente tödlich; da streicht der Hahn im Feuer ab; tief unten auf dem Hange hört man ihn zur Erde plumpsen und findet ihn erst, wenn er überhaupt gefunden wird, nach stundenlangem Suchen. Manchmal auch ermuntert sich der angeschossene Hahn beim Anblick des Jägers wieder, flüchtet sich mit Flattern und Laufen, und ist gewöhnlich verloren, wenn ihn der Jäger nicht in der Eile mit einem zweiten Schuß zu erhaschen vermag.

Von solchen kleinen Bitternissen der Hahnenjagd könnte ich zur Genüge erzählen. So passirte es mir vor Jahren in der Forstei Seehaus, daß ich einen alten Pechhahn „flügelte“. Ich wollte das Gefieder des Vogels schonen, gab einen zweiten Schuß nicht ab, sondern verließ mich auf meine jungen Beine. Eine tolle Jagd begann; ein um das andere Mal hatte ich den Hahn unter den Händen, aber immer entwischte er mir wieder, meine Finger mit scharfen Schnabelhieben bedenkend. Schließlich geriethen wir in eine steile, mit tiefem Schnee erfüllte Lawinengasse, und da ging es an ein Stürzen, Kollern und Kugeln im Schnee, daß es für den lachenden Förster gar lustig anzusehen, für mich aber wenig lustig mitzumachen war. Als ich endlich des Hahnes habhaft wurde, war er in einem Zustande, als hätte ihn die des Rupfens kundige Köchin schon ein Stündlein in der Arbeit gehabt.

Kein Ungemach aber vermag dem rechten Waidmann die Hahnenjagd zu verleiden. Geht die Sache einmal schief, so macht sie sich ein andermal um so besser. Dann mag man sich des Erfolges doppelt freuen, mag zur Rast den weichen Wettermantel auf die Erde breiten, mag sich bei Vogelsang den Imbiß und das Pfeiflein schmecken lassen und von der luftigen Warte niederblicken in das graue Thal, aus dem die Morgennebel dampfen, indeß mit Glanz und Leuchten zwischen den weißen Felsenhörnern voll und ganz der schöne Frühlingstag erwacht.




Wetterprognosen.

Von M. Wilhelm Meyer.

Die Ueberschrift dieses Artikels fordert direkt zu einem Vergleiche mit der Heilkunde auf. Auch der Arzt prognosticirt. Aus beobachteten Krankheitssymptomen sucht er die Art des herannahenden Unheils zu bestimmen und die Krankheit bei ihrem rechten Namen zu nennen. Dann weiß er auch zugleich aus dem Schatze der tausendfältigen Erfahrungen, von denen er theils durch sein Studium, theils durch eigene Praxis Kenntniß erlangt hat, wie die Krankheit nun weiter verlaufen, welchen Theilen voraussichtlich die meiste Gefahr drohen wird und wie man derselben möglicherweise noch entgehen kann.

Das schlechte Wetter ist in der That auch nichts Anderes als eine Krankheit der irdischen Lufthülle, eine Gleichgewichtsstörung jener luftigen Lebenssäfte unseres Planeten, welche um seinen Körper pulsend kreisen und zugleich für uns arme Parasiten des Erdballes die erste unumgängliche Existenzbedingung bilden. Die Wetterforscher sehen es nun heut zu Tage immer mehr ein, daß sie es in Bezug auf jene „Luftkrankheiten“ den Aerzten ganz gleich thun müssen, die sich am Krankenlager nicht lange den Kopf darüber zerbrechen, wie die Krankheit entstehen konnte oder weßhalb nun die zu erwartenden Folge-Erscheinungen sich aus den zu Tage getretenen Krankheitskeimen entwickeln werden; denn sie haben längst eingesehen, daß über der Lösung dieser letzten Probleme der Lebensthätigkeit nicht nur jener Patient, sondern die ganze leidende Menschheit leicht zu Grunde gehen möchte. Wenn Jemand wiederholt niest, so vermuthet er, daß er den Schnupfen bekommen wird, während es ihm der beste Arzt nicht sagen könnte, wie es eigentlich zugeht, daß der Mensch überhaupt niest und in welcher Wechselwirkung diese sonderbare Zuckung mit dem herannahenden Schnupfen steht. Ist dann letzterer mit gewohnter Pünktlichkeit erschienen, so kommt es uns gewiß nicht so sehr darauf an zu wissen, wo wir uns denselben geholt haben, als vielmehr, wie wir ihn am schnellsten wieder los werden.

Wenn nun zwar der Wetterdoktor die herannahende „Luftkrankheit“ nicht verhindern oder auf ihren Verlauf irgend welchen Einfluß üben kann, so ist es dagegen für die Menschheit von augenscheinlichster Wichtigkeit, ihren weiteren Fortgang genau im Voraus zu wissen, damit wir unser Gut und Leben bei Zeiten gegen die Wuth der entfesselten Elemente schützen können. Zu diesem Ende kommt es offenbar zunächst darauf an, eine möglichst große Menge von Wetterbeobachtungen anzustellen, welche als Symptome den äußeren Charakter der Krankheit in ihren verschiedenen Stadien bestimmen. Solche Beobachtungen sind in der That an vielen Orten der Erde theilweise schon seit einem Jahrhundert mit größester Regelmäßigkeit und Ausdauer angestellt worden. Es ist daher um so seltsamer, daß die Forscher angesichts des ungeheuern Materials von beobachteten Symptomen doch erst in jüngster Zeit, seit kaum fünfzehn Jahren, an die praktische Bearbeitung desselben herangetreten sind, indem sie zahlenmäßig zu beweisen versuchen, daß auf ein gewisses Zusammentreffen solcher Wettersymptome beispielsweise nach vierundzwanzig Stunden regelmäßig ganz bestimmte Wettererscheinungen zu Tage treten und man folglich aus dem Vorhandensein der Symptome den künftigen Verlauf des Wetters vorher zu sagen vermag, ohne deßwegen über den inneren Zusammenhang zwischen dieser Aufeinanderfolge von Erscheinungen, so sicher derselbe auch vorhanden ist, irgend etwas zu wissen.

Von der alten Schule der Meteorologen wurde zwar ein derartiges Vorgehen als ein Fischen im Trüben und der strengen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Franz von Kobell: Auerhahnfalz, in: Wildanger, Stuttgart 1859, S. 362–363 Google
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_395.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2023)