Seite:Die Gartenlaube (1887) 206.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Personen, welche ein üppiges, schwelgerisches Leben führen, sich durch unmäßige Zufuhr von Speisen und Getränken mit Fett belasten, durch den Genuß spirituöser und erregender Flüssigkeiten die Herzthätigkeit häufig im Uebermaße anregen, Personen, bei denen der Puls voll und kräftig schlägt, die Schlagadern sichtbar pulsiren, das Gesicht heftig geröthet ist, die Augen lebhaft glänzen und über die Augenhöhle hervorgewölbt erscheinen, das Herz bei Bewegung oder Erregung sichtbar klopft, das Gefühl von Druck auf der Brust herrscht, bei geistigen Anstrengungen, Gemüthserregungen oder nach reichlicher Mahlzeit und heftiger Bewegung leicht Kopfschmerz, Flimmern vor den Augen, Sausen vor den Ohren, Schwindel, Athemnoth, das Gefühl von Ameisenkriechen in den Gliedern eintritt – daß solche Personen es vorzugsweise sind, über deren Haupte das Damoklesschwert des Schlagflusses schwebt.

Wie häufig stark fettleibige Personen von diesem Unfalle betroffen werden, ist daraus ersichtlich, daß ich in den Leichenbefunden von 37 hochgradig Fettleibigen nicht weniger denn zwölf Mal Gehirnschlag als Todesursache verzeichnen konnte. Damit soll aber nicht geleugnet werden, daß auch schlanke, magere und zarte Personen einer Hirnblutung unterworfen sein können. Männer werden im Allgemeinen weitaus häufiger als Frauen von Hirnblutungen betroffen – es wird sogar von Manchen behauptet, daß statistisch unter zehn Schlaganfällen nur einer auf eine Frau komme. Der Grund liegt wohl darin, daß zu viel essen und zu stark trinken meistens eine männliche Eigenschaft, wogegen Mäßigkeit in dieser Beziehung vorzugsweise eine weibliche Tugend ist.

Eine große Rolle spielt bei der Geneigtheit zu Schlaganfällen die Erblichkeit, und es ist eine ziemlich häufige Erscheinung, daß in manchen Familien die männlichen Nachkommen in einem bestimmten Alter vom Gehirnschlage betroffen werden. Auch die Berufsarten sind in dieser Beziehung nicht ohne Einfluß. Personen, welche aus geschäftlichen Rücksichten viel alkoholhaltige Getränke genießen oder in Bezug auf Diät sehr unregelmäßig leben müssen, sind zu Blutandrang gegen das Gehirn eben so geneigt, wie anderseits Männer von anhaltender und angestrengter geistiger Thätigkeit, die ungewöhnlich viel mit dem Kopfe arbeiten müssen, oder Individuen, die in ihrer Beschäftigung großen, nervösen Anstrengungen, mächtigen Erschütterungen der ganzen Blutcirkulation ausgesetzt sind. Eine plötzliche Steigerung der ohnedies bei derartigen Leuten erhöhten Blutgefäßspannung durch eine heftige, leidenschaftliche Erregung, durch einen bedeutenden Exceß im Essen und Trinken oder durch ungewöhnliche Muskelanstrengung, wie bei starkem Lachen, Schreien, Niesen, führt dann mit einem Male ganz unerwartet zum Eintritte der eigentlich schon lange drohenden Katastrophe, zur Berstung eines Blutgefäßes im Gehirn. Das unter starkem Drucke stehende Blut ergießt sich in die weiche Hirnmasse und bringt durch die örtliche Verletzung des Gehirns sowie durch die Erschütterung auch der entfernteren Hirntheile jenen Sturm von Erscheinungen hervor, welche oben geschildert wurden.

Wie ist nun dem Eintritte dieses verhängnißvollen Ereignisses vorzubeugen? Diese Frage mag sich wohl mancher Leser stellen und ihre Beantwortung ist thatsächlich nicht bloß für den Arzt, sondern auch für jeden Gebildeten von Wichtigkeit; denn die Krankheiten zu heilen, kann nur die Sache des ärztlichen Studiums sein; die Kunst aber, ihnen vorzubeugen, soll, soweit es möglich, Gemeingut aller Gebildeten, des gesammten Volkes werden. Die Verhütung des Gehirnschlages besteht in der Bekämpfung seiner Ursachen, und da läßt sich wohl sagen, daß, wenn auch nicht in allen Fällen, doch in manchen dem Eintritte der Hirnblutung vorgebeugt werden kann, indem man die Entwickelung von Blutüberfüllung des Gehirns, von Blutandrang gegen dieses edle Organ, von Blutstauung im Schädel verhütet. Es gelingt dies namentlich bei vollblütigen, fettreichen Personen durch eine strenge Regelung der Diät, welche den Körper von dem Ballaste überflüssigen Fettes befreit, die Thätigkeit des träge gewordenen Darmes lebhafter anregt, das zu reichliche oder stockende Blut in geeigneter Weise verwerthet und so eine Herabminderung des Blutdruckes in den Hirngefäßen erzielt. Solche Personen müssen eine zu reichliche Ernährung des Körpers meiden, den Genuß alkoholhaltiger Getränke unterlassen, die Muskeln in geeigneter Uebung halten, hinreichend lange sich in freier Luft ergehen und für regelmäßige Leibesöffnung Sorge tragen. Wenn wir so häufig zu beobachten Gelegenheit haben, wie derartige zu Gehirnschlag geneigte Individuen, welche die mannigfaltigsten Zeichen abnorm verstärkter Herzthätigkeit bieten, über häufige Athembeschwerden klagen, sehr leicht an Kopfschmerz, Schwindel, Flimmern vor den Augen, Ohrensausen etc. leiden, durch Angewöhnung einer mäßigen gemischten Kost, durch strenge Regelung der Ernährungs- und Lebensverhältnisse, durch systematische Anwendung leicht abführender Mittel alle jene mannigfachen belästigenden Erscheinungen verlieren: so sind wir wohl berechtigt anzunehmen, daß durch jenes Verfahren auch die Vorbeugung eines Gehirnschlages erzielt worden ist, indem die Blutüberfüllung und Blutstauung im Schädel siegreich bekämpft wurde. Darum haben auch „ableitende“ Brunnenkuren (in Marienbad, Kissingen, Homburg etc.) einen altbegründeten, wohlverdienten Ruf als Vorbeugungsmittel bei Personen, deren konstitutionelle Anlage das Eintreten eines Schlagflusses befürchten läßt, oder bei vom Schlage Betroffenen, wo die Wiederholung dieses bedrohlichen Ereignisses verhütet werden soll. In den Kurorten ist es so auch am leichtesten durchführbar, daß Schlemmer und Wohlleber, welche anderwärts gegen die Regelung ihrer Lebensweise hartnäckigen Widerstand leisten, sich zur diätetischen Buße auf einige Wochen herbeilassen.

Ist ein Hirnschlag eingetreten und liegt der Kranke, von demselben betroffen, bewußtlos mit geröthetem Gesichte da, so muß, bevor der Arzt zur Stelle ist, ein sehr vorsichtiges Verfahren eingeleitet werden, um nicht durch zu viel Geschäftigkeit mehr Schaden zu veranlassen, als Nutzen gebracht werden kann. Der Kranke muß bequem mit erhöhtem Oberkörper, den Kopf durch ein Kissen höher gestützt, gelagert, sein Anzug von allen beengenden Kleidungsstücken, wie Kravatte, Leibgürtel etc. befreit werden. Um das Bewußtsein zu wecken, die Thätigkeit der Athmungsorgane zu beleben, kann das Gesicht des Kranken mit kaltem Wasser bespritzt und ein Hautreiz durch Legen von Senfteig auf die Waden, durch Reiben und Bürsten der Füße ausgeübt werden. Auf den Kopf kann man kalte Ueberschläge oder eine mit Eis gefüllte Blase legen. Ob kräftigere Reizmittel anzuwenden sind, ob eine stärkere Ableitung auf den Darm vorzunehmen oder ob selbst eine Blutentziehung mittelst Schröpfköpfen, Blutegel und Aderlaß angezeigt erscheint: dies zu entscheiden, ist Sache des Arztes, welcher die Verhältnisse des Einzelfalles genau erwägen und beachten muß. Zuweilen bleibt die Anwendung aller erdenklichen mannigfachen Mittel ohne jede günstige Wirkung, und wiederum in manchen Fällen erholen sich die Kranken auch ohne viele eingreifende Hilfeleistungen so ziemlich von selbst. Der ärztlichen Entscheidung muß auch anheimgestellt werden, was zu geschehen hat, um den Folgen des Schlaganfalles, den eintretenden Lähmungserscheinungen zu begegnen, die Wiederholung des Schlages zu verhüten. Der Arzt muß den Zeitpunkt bestimmen, der geeignet erscheint, auf die gelähmten Nervenbahnen und Muskeln einzuwirken, eben so ob es zweckmäßig ist, dies durch Warmbäder oder Kaltwasserkur, durch Massage oder Anwendung von Elektricität oder durch eine Kombination dieser Heilmethoden zu erzielen, endlich, wann und wo der Kranke durch den Gebrauch von ableitenden Mineralwässern den Naturheilungsvorgang unterstützen soll.




Die Klaque.

Studie zur Naturgeschichte des theatralischen „Handwerks“.
Von Otto Felsing.

Man sitzt im Theater. Das Lustspiel, welches gerade zum ersten Male gegeben wird, erweist sich als ziemlich schal und öde. Der Hauptdarsteller ist ein hölzerner Gesell, der sich offenbar im Salonrock sehr unbehaglich fühlt und die zwar banalen, aber immerhin leicht flüssigen Worte des Autors herunterbrüllt, als tragire er den Bombast eines Ritterstiefeldramas von Anno dazumal; sein Gegenpart, die sinnige, schüchterne Jungfrau, ist von einer Sentimentalität, die geradezu zum Davonlaufen reizt;

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_206.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)