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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


„Forschungstein?“ Der Professor griff schleunigst wieder nach dem Puls des Freiherrn, was dieser sich auch ruhig gefallen ließ, während er wohlwollend fortfuhr:

„Es wäre ja nicht das erste Mal, daß das Mitglied eines alten Hauses auf die Führung des Adelstitels verzichtet, wenn es durch die Verhältnisse gezwungen wird, eine bürgerliche Profession zu ergreifen.“

„Bürgerliche Profession!“ fuhr Wehlau auf. „Herr, glauben Sie etwa, daß die Naturwissenschaften ein Schusterhandwerk sind?“

„Jedenfalls sind sie kein passender Beruf für den Adel,“ sagte Eberstein hochmüthig. „Was aber den Forschungstein betrifft, so ist es der Stammsitz eines jungen Edelmannes, der im vorigen Herbste nach der Ebersburg kam und während einer Gewitternacht meine Gastfreundschaft in Anspruch nahm. Ein liebenswürdiger junger Mann, dieser Hans Wehlau Wehlenberg –“

Die Schwestern.
Nach dem Oelgemälde von Fritz August von Kaulbach.


„Auf Forschungstein!“ fiel der Professor laut auflachend ein. „Jetzt wird mir die Geschichte klar! Das ist wieder einer der tollen Streiche meines Jungen. Hat er mir doch selbst erzählt, daß er während eines Gewitters in einer alten Burg Unterkunft gesucht und gefunden hat. Es thut mir leid, Herr Baron, aber da hat Ihnen mein gottloser Bube eine fürchterliche Nase gedreht. Der Einfall mit dem Forschungstein ist gar nicht so übel, aber das ist auch der einzige Adel, den er und ich aufzuweisen haben. Im Uebrigen ist er gut bürgerlich Hans Wehlau, grade so wie ich, und wegen seiner Standeserhöhung werde ich ihm noch gründlich den Text lesen.“

Er fing von Neuem an zu lachen. Aber der alte Herr schien die Sache durchaus nicht von der komischen Seite zu nehmen. Er saß anfangs ganz sprachlos da vor Zorn und Entrüstung, und endlich brach er aus:

„Ihr Sohn? Nur Hans Wehlau? Und ich habe ihn als einen Standesgenossen aufgenommen! Ich habe ihn völlig als meines Gleichen behandelt! Einen jungen Menschen, ohne Namen, ohne Familie –“

„Bitte sehr!“ unterbrach ihn der Professor gereizt. „Ich will den tollen Streich nicht entschuldigen. Was aber den Namen und die Familie betrifft, so ist Hans erstens mein Sohn, und ich glaube doch Einiges in der Wissenschaft geleistet zu haben, und zweitens hat er selbst schon Tüchtiges geleistet, auf einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 817. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_817.jpg&oldid=- (Version vom 29.9.2022)