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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Der Csardas wogte schon her und hin. Die Geige schrie, das Cimbal hämmerte, zuckte und wirbelte, wie Terka’s Herz und Kopf. Mit voller Leidenschaft begann sie sofort die zuckenden Tanzschritte zu machen und jauchzte hellauf, wenn Janos sie umschlang, mit wilder Schnelle herumdrehte und sie wieder fahren ließ, worauf sie dann floh, um ihm um so feuriger in die Arme zu fliegen. Eine volle Stunde schon hatte sie getanzt, ohne zu ermüden. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung und fühlte nur, daß das wilde Gewoge ihre Lust verstärkte und ihr mehr Sicherheit gab.

Janos dagegen, dessen Blut, wie gesagt, ziemlich ruhig floß, hatte bald in Nähe und Ferne viele Einzelheiten betrachtet, und sein Blick war vorzugsweise auf einem Paare ruhen geblieben, welches dicht neben ihm tanzte. Das Paar, ein Bauer und eine Bäuerin, Beide am Ende der Dreißiger stehend, war natürlich kein Ehepaar, da die Beiden sonst, so schloß Janos, nicht mit einander getanzt hätten. Aber obgleich die Bäuerin viel älter und keineswegs hübscher war als seine Braut, fiel doch der Vergleich, welchen Janos zwischen den Beiden zog, sehr zu Ungunsten der Letzteren aus; denn Terka hatte wohl ihren Zopf mit handbreiten rothen und grünen Bändern durchflochten und die verhältnißmäßig zierlichen Füße in hübsche graue Atlasschuhe mit grünen Rosetten gesteckt; sonst aber trug sie, wie alle geringeren Leute, nur ein helles Battistkleid, und ihren Busen umspannte ein Mieder von schwarzem Tuch. Die Bäuerin dagegen trug ein vielfältiges Kleid von schwerer rother Seide; ihren hartknochigen Oberkörper umschlossen ein goldgeschnürtes Sammetmieder und ein rothseidenes Busentuch, und um das scharfe Gesicht schlang sich ein Kopftuch von ebenfalls schwerer Seide; ein großes, schwarzseidenes Umschlagetuch mit eingestickter Blumenborte hatte sie sich der Hitze wegen über den Arm gehängt. Und ihre großen, tiefliegenden schwarzen Augen blickten unverwandt zu Janos hinüber. Der ärgerte sich unwillkürlich, daß er nicht seinen Hochzeitsstaat anhatte, und freute sich, daß sein schlanker Wuchs auch in den älteren Kleidern der reichen Bäuerin in die Augen stach. Je öfter er nach ihr hinsah, desto mehr erblich der Reiz der rothen Wangen und der liebeglänzenden Augen Terka’s vor der Pracht der rothen Seide und der goldglänzenden Schnüre. Als vollends die Zigeuner wieder einmal den Csardas in den wiegenden „Lassan“ des ersten Theiles übergehen ließen, da trat die Bäuerin einen Schritt von ihrem Partner weg zu Janos hin, Janos aber that fünf Schritte von Terka fort zur Bäuerin. Nun wiegten sich die Beiden vor einander in den Hüften, und Janos sah mit aufleuchtenden Augen in die düstern der Bäuerin, die ihren Ausdruck nicht änderten, aber unverwandt an ihm hingen.

Terka hatte nur einen Augenblick allein gestanden; im nächsten wiegte sich der Bauer vor ihr in den Hüften und sah sie dabei zuerst mit grimmiger Miene, dann wie wägend und schätzend an.

Auch Terka betrachtete ihren Partner; er hatte ein verwettertes Gesicht mit ungeheurem Schnauzbart, sah trotz seiner listig funkelnden Aeuglein eher dumm als klug, aber sehr gutmüthig aus; seine Gestalt war auch verwettert und ausgearbeitet, starkknochig und so wenig elastisch, wie die von Leuten wird, welche lange Zeit schwere Arbeiten verrichtet haben. Aber das hagere Bein steckte in bestem Tuch und hohen Stulpstiefeln; eine rothe Weste mit großen silbernen Knöpfen öffnete sich über einen reichgestickten Gurt, und der Szür (Mantel), welchen er über den knochigen Schultern trug, war von feinster, weißer Wolle, über und über bedeckt mit kostbarer Handstickerei von bunter Seide. Der Bauer war also reich, und Terka hätte mit dem Tausch des Tänzers zufrieden sein können; aber ihr Herz brannte und bebte in einem unklaren Gefühl von Gekränktheit, Scham, Eifersucht und Liebe. Indeß war es so sehr üblich, im Csardas den Partner zu wechseln, daß sie vorläufig keinen rechten Grund zum Zorn hatte und den aufsteigenden Argwohn niederhielt.

Der Bauer hatte sie indeß immer schweigend betrachtet; ihre stattliche Fülle mußte nach seinem Geschmack sein; denn er sagte mit wohlgefälligem Augenzwinkern:

„Bist ’ne saubere Dirn!“ Dann mit einem Augenwink nach dem Nachbarpaar: „Wohl Dein Liebster? He?“

Terka schoß das Blut ins Gesicht, und sie antwortete rasch und scharf: „Wir wollten morgen Hochzeit machen.“

„Wollten?“ fragte der Bauer. „Wollen jetzt nicht mehr? He? Er will nicht? Oder Du willst nicht? He?“

„Was geht das Euch an? Ihr seid unverschämt!“ rief Terka zornig.

„Geht mich schon an,“ sagte der Bauer nun grimmig. „War mit der da versprochen, mit dem dalketen Fratz da, der verliebten Bäuerin. Ich Wittwer, sie Wittwe … Nachbarn! Reich! Keine Kinder! In vier Wochen Hochzeit … Vorhin a bissel gezankt,.. Und nun? Dank schön! Ess’ kein abgefall’nes Obst. Ist wurmstichig. Solltest es auch so machen, Dirn’!“

„Ich brauch keinen Rath; weiß mir selbst zu helfen,“ brauste Terka auf. Der Bauer aber erwiderte gutmüthig:

„Auch gut! Resolutes Frauenzimmer. Gefällst mir.“

Der eifersüchtige Argwohn in Terka’s Herzen war nun aber üppig ins Kraut geschossen. Sie that sich Gewalt an, die Augen von dem Nachbarpaar ab und ihrem Partner zuzuwenden; aber sie drehten sich unwillkürlich immer wieder nach der Seite hin. Der Csardas wogte wilder; man trug Wein von den benachbarten Schenken herbei; die Männer griffen begierig nach den Gläsern; lautes Jauchzen übertönte schon die schrille Geige. Die Bäuerin winkte während des Tanzes mehrere Male den Schenken herbei, nippte ein wenig von dem rothen Wein und reichte ihn dann dem Janos, der ihn in einem Zuge herunterstürzte. Beider Augen wurzelten in einander. Der Terka Herz und Wangen brannten im Zorn; ihr Tänzer betrachtete sie schmunzelnd. Jetzt reichte die Bäuerin während des Tanzes wieder ein Glas dem Janos hin; als er es nahm, verzog sich ihr Gesicht zum ersten Mal zum Lächeln, und sie nickte ihm zu. Da stürzte er den Wein herunter, warf mit einem hellen Jauchzer das Glas in die Luft, umfaßte die Bäuerin, wirbelte sie umher, und als sie athemlos stillstand und ihn mit ihren brennenden Augen ansah, stieß er wieder einen Jauchzer aus und küßte sie auf den Mund.

Kaum hatte er’s gethan, so verflog im Schreck sein Rausch zur Hälfte; er blickte unwillkürlich nach Terka hin, die schneebleich und nach Athem ringend mechanisch die Bewegung des Tanzes machte. Noch ganz unter dem sinnverwirrenden Einfluß des Rausches, und doch im unklaren Reuegefühl trat er rasch auf sie zu und sagte:

„Na, Terka, bist ja ganz blaß, Schatz! Nimm’s Dir nicht so zu Herzen, wenn ich ’ne Andere hübsch finden und ihr ’nen Kuß geben thu’. Da hast auch einen.“

Er legte den Arm um sie und wollte sie küssen. Sie aber, blaß bis in die Lippen, bog sich weit zurück und schlug ihn ins Gesicht.

Ein lautes Lachen scholl aus zwei Kehlen; vor Wuth ebenso blaß wie Terka, aber mit einer flammendrothen Wange sah sich der Bursche um.

Noch immer lachend trat die Bäuerin auf ihn zu.

„Ich lach’ über die da,“ sagte sie, mit dem Finger auf Terka deutend. „Wie dumm sie ist! Nun ist’s doch aus zwischen Euch Beiden. Komm her, ich hab’ Dir was zu sagen.“ Sie faßte Janos bei der Hand und zog ihn fort, in dichtes Gewühl hinein.

Terka stand noch einen Augenblick wie angewurzelt. Dann stürzten ihr die Thränen aus den Augen; sie drehte sich kurz um und ging, immerfort schluchzend und nichts um sich her sehend, weiter und weiter durch die heißen, staubigen Gassen bis an die Theißbrücke. Hier forderte ihr der Zöllner die zwei Kreuzer Zoll ab, und da sie nicht einsah, warum sie für ihren Gram noch bezahlen sollte, so stand sie still, sah, daß die Kaufbuden an der andern Seite des Weges geschlossen und die Gassen ganz menschenleer waren, setzte sich Platt in den Sand am Ufer des trägen gelben Wassers, legte die Schürze über die Augen und heulte laut. Dann, als sie sich des Schmerzes ersättigt hatte, nahm sie die Schürze von den Augen und schaute sich um. Da stand der Bauer, sah auf sie und lachte.

Sie wollte in zorniger Scham aufspringen; er aber sagte: „Bleib sitzen, Dirn’! Hast’s recht gemacht mit dem dalketen Bub’. Gefällst mir. Aber was nun? Abbitten? Ihn doch heirathen?“

„Nimmermehr!“ schrie Terka auf; denn die Worte stachen sie so stark ins Herz, daß sie schreien mußte; aber desto größer war ihr Zorn auf den ungetreuen Janos.

Der Bauer nickte und schmunzelte. „Ist schon recht. Gefallt mir,“ sagte er wieder. „Aber die Hemdlein sind genäht, die Betten gestopft, der Kuchen ist gebacken. Wer ißt ihn? Dein Blut kocht. Meins auch. Und Du gefällst mir. Was meinst,

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