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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


gewaltigen Baumriesen, darunter vielen Brotfruchtbäumen, wimmelte es von weißen Fruchttauben (Carpophaga spilorrhoa), von denen uns bald eine Menge zur Beute fiel. Wie überall bei diesen Naturkindern hatte der erste Schuß immer dieselbe Wirkung: allgemeines Geschrei und wilde Flucht! Aber bald gewöhnte sich die reifere Jugend an den Knall und bewunderte staunend die Wirkung der ihnen unbekannten, unheimlichen Waffe. Bei einem späteren Ausfluge an der Küste bemühten sich die Eingebornen bereits, unsere Ueberlegenheit in ihrem Interesse nutzbar zu machen: wir sollten einen ihnen feindlichen Stamm bekämpfen und vernichten! Dabei hatten sich zahlreiche Krieger in vollem Waffenschmucke unserem Zuge angeschlossen, dem ich einige Skizzen verdanke, welche dem lebensvollen Bilde zu Grunde liegen.

Selbstredend beschränkten wir uns auf eine friedliche Exkursion, um die Küste kennen zu lernen, die Bilibili gegenüber aus niedrigerem Lande besteht, das von mäßigen Hügelreihen begrenzt wird, denen erst weiter im Innern höhere Gebirgszüge folgen. Wir bewunderten die sorgfältig angelegten Plantagen, welche die Insulaner hier besitzen und die beredtes Zeugniß für die außerordentliche Fruchtbarkeit des Bodens ablegen. Ja! Diese Küste ist reich, und die Bilibiliten, geschützt auf ihrer Insel, scheinen die wahren Patrizier derselben zu sein. Dazu verhilft ihnen nicht allein ihr Ackerbau, sondern auch ihre Industrie, denn die Insel ist berühmt wegen ihrer Töpferei, deren Erzeugnisse von der Flotte weithin vertrieben werden. Die Fabrikation liegt ausschließlich in den Händen der Frauen und geschieht in derselben einfachen Weise wie an der Südostküste Neu-Guineas, wo Port Moresby das Centrum der Töpferei und des Topfhandels bildet. Die Töpfe werden nur mit Hilfe eines flachen Steines und eines flachen Schlägels verfertigt, gleichsam aus dem Klumpen Lehm getrieben, was ein ganz wunderbares Augenmaß erfordert. Der Brennproceß ist ein ziemlich oberflächlicher und demzufolge das Fabrikat nicht von bemerkenswerther Haltbarkeit.

(Schluß von Artikel I folgt.)

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Die Andere.

Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Lotte fuhr jäh aus dem Schlafe und starrte mich entsetzt an, die ich, das Taschentuch gegen den Mund gedrückt, mich mit Gewalt zur Ruhe zwingen wollte. „Um Gotteswillen, Tone, was ist geschehen?“ rief sie und strich sich die wirren Haare aus den Schläfen.

„Nichts, Lotte, nichts; nur eine Bestellung habe ich für Dich, aber werde erst ruhig.“

„Eine Bestellung? – Hattest Du nicht geschrien?“.

„Ich stieß mich, Prinzeßchen; darf ich sprechen?“

„Das klingt ja so feierlich, Tone.“

„Es ist auch etwas Ernstes, Lotte.“

Nun wurde sie unruhig. „So rede doch!“ rief sie.

„Fritz Roden liebt Dich, Lotte, und bittet, Du möchtest seine Frau werden.“

Lotte sah mich einen Augenblick starr an, dann warf sie sich zurück und lachte, lachte, bis ihr die Thränen aus den Augen flossen. Wie das vom Herzen kam! So wie Lotte, so ansteckend, so echt und hübsch habe ich nie wieder lachen gehört. Ich schlang meine Arme um sie und lachte ebenfalls – aber mit brennendem Weh; es war ein trauriges Lachen.

„O Gott, o Gott, ich sterbe!“ rief sie endlich und trocknete die Augen.

Weißt Du denn nicht, daß er Dich liebt? Hast Du es nie bemerkt?“ fragte ich und barg mein Gesicht in ihre Hände.

„Ach, nun freilich. Er ist verliebt schon seit dem ersten Tage; ich müßte ja blind gewesen sein, hätte ich es nicht bemerkt. Aber daß er mich heirathen will, das ist so – so –“ und wieder brach sie in erstickendes Lachen aus.

„Aber da ist nichts zu lachen!“ rief ich empört und faßte ihre Schulter. „Lotte, sei ernsthaft, ich bitte Dich!“

Da wurde sie still und sah mich an.

„Wie siehst Du denn aus?“ fragte sie. „Weißt Du was – nimm Du ihn, bitte; ich – ich danke.“

„Liebst Du ihn denn nicht, Prinzeßchen, garnicht ein bischen?“ forschte ich. „Lotte, um des Himmels willen, sei ernsthaft! Meinst Du, es ist eine Rose, die Dir geboten wird? Es ist ein treues Herz, eine leidenschaftliche Liebe, das unbedingte Vertrauen eines ehrenhaften guten Menschen –“

„Ach, werde nur nicht sentimental,“ schmollte sie.

„Lotte,“ bat ich, „das ist doch keine Antwort! Ich will ja nur, daß Du überlegst. Niemals würde ich zureden, wenn ich nicht wüßte, er hat Dich lieb, wie nur ein Mann ein Mädchen lieb haben kann! Und daß Du ihn wieder lieben wirst, lieben mußt, denn er ist unbeschreiblich gut –“

„Ah bah! ’s ist ein Unsinn, Tone; schlaf wohl!“ unterbrach sie mich.

„Nein, nein, Lotte, versprich mir, daß Du, wenn Du Dich mit ihm verlobst, Dir alle Mühe geben willst, seine Liebe zu vergelten; nur mit diesem Vorsatz, Lotte, – sonst sag ihm ein ehrliches Nein. Er darf nicht unglücklich werden.“

„Wie tragisch!“ rief sie, „laß Dir nur den Schlaf nicht darüber vergehen. – Ich bin recht müde und habe heute schon genug über mich nachdenken müssen auf Großmamas Befehl.“

Sie schlang die Arme um meinen Hals und gab mir einen Kuß; und ehe ich noch mit meiner Toilette fertig war, schlief sie schon tief und fest.

Armer Fritz!

Ich that kein Auge zu in dieser Nacht; erst gegen Morgen kam der Schlummer, traumlos, aber schwer und beängstigend. Als ich erwachte, erblickte ich die Großmutter an meinem Bette.

„Bist Du krank, Tone? – Um Gotteswillen, werde nur nicht krank!“

„Ich bin ganz gesund,“ gab ich zurück, indem mir langsam die Erinnerung an das Gestern kam. „Ich stehe sogleich auf!“

„Ich hörte Dich stöhnen,“ antwortete sie, „ich bin schon so lange wach; ich habe mit Dir zu sprechen, Tone – schläft sie?“ forschte die alte Frau und deutete nach Lottes Bette.

„Ja, sie erwacht nie vor acht Uhr.“

„Erschrick nicht, Tone, ich habe einen Brief von Hans,“ flüsterte Großmutter.

„Wie geht es ihm? Was will er – was sagt er zu Papas Tode?“ fragte ich.

Großmutter hob den Kopf, strich sich nervös die weißen Haare zur Seite und raunte mir zu: „Schlecht, Tone, es geht ihm schlecht; er war krank und verlangt Geld, umgehend Geld, eine nicht unbedeutende Summe.“

„Krank? Ach, Großmama – und wir, wir haben nichts!“

„Nein, wir haben nichts,“ wiederholte sie, „ich kann ihm nicht helfen, und wenn er stirbt und verdirbt, wie er droht, so – muß er sterben und verderben; ich bin am Ende!“

Ich antwortete nicht, ich wußte, daß sie Recht hatte.

„Ich wollte Dich nur bitten, daß Lotte nichts erfährt; Du weißt, wie sie an ihm hängt. Sie würde sich bis zur Exaltation gehen lassen und, wie gesagt, es ist ihm ja doch nicht zu helfen.“

„Willst Du antworten, Großmama?“

„Nein!“ erwiderte sie.

„Wie viel verlangt Hans?“

„Achthundert Thaler! Er habe Gelegenheit, sich an einem Geschäft zu betheiligen, von dem er sich reichen Gewinn verspricht. Ich würde ihm ja gern diesen letzten Versuch ermöglichen, aber –“ sie zuckte die Schultern – „wo soll ich es herbekommen? Du mußt auch auf Lotte einwirken; sie war gestern Abend recht ungebärdig, sie kann sich noch immer nicht klar machen, daß wir für Luxusausgaben nichts mehr übrig haben. Da kam sie plötzlich und hatte einen langen Bestellzettel an die Düsseldorfer Firma geschrieben, lauter Malutensilien, ich glaube für beinahe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_086.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2024)