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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

bei Leipzig (1631) forderte er von dem Rathe noch eine große Menge von Lebensmitteln, darunter auch mancherlei Konfekt und 80 Pfund Marzipan. Die Schläge, die er von Gustav Adolf des anderen Tages bekam, verdarben ihm jedoch den Appetit gründlich. Da, wer den Schaden hat, für den Spott nicht zu sorgen braucht, ließen seine Gegner eine ganze Reihe mit Kupfern gezierter Spottblätter gegen ihn los, welche die anzüglichen Titel „Sächsisch Confekt“, „Neu gedeckte Confekt-Tafel“ und ähnliche führten.

Es gab verschiedene Sorten von Marzipan. Das zu Frankfurt am Main 1587 erschienene Kochbuch des Churmainzischen Hofkoches Marx Rumpolt führt weißen und grünen Marzipan, von Mandeln, welschen Nüssen, rothen Haselnüssen und Zirbelnußkernen, sowie Marzipankräpflein auf. Das Basler Kochbuch der Anna Weckerin von 1609 enthält auch ein Recept für Quitten-Marzipan. Die „eröffnete Akademie der Kaufleute“ (1767) meldet, daß man auch Pistazien, Aprikosen- und Pfirsichkerne zur Bereitung des Marzipans verwendet. Es wurde eben in den verschiedenen Städten und zu verschiedenen Zeiten in verschiedener Weise bereitet, und sein Name ist in einzelnen Gegenden auf manche Bäckerei übergegangen, die grundverschieden von dem köstlichen, in der Hauptsache aus Mandeln, Zucker und Eiern bereiteten Marzipan Norddeutschlands ist. So wird z. B. in der Nürnberger Gegend eine ganz geringwerthige Sorte Zuckerbäckerei als Marzipan bezeichnet, die auch noch den anzüglichen, aber ganz richtigen Namen „Wasserzucker“ führt.

Fig. 7. Schlittenfahrt im 17.–18. Jahrhundert.

Die alten Model, mit welchen das Marzipan ausgedrückt wurde und die von den Lebkuchenmodeln nur schwer zu unterscheiden sind, haben sich in ziemlich großer Anzahl erhalten und gehören gerade nicht zu den Seltenheiten; sie haben sich in den Geschäften vom Vater auf den Sohn, im Haushalte von der Mutter auf die Tochter und Enkelin vererbt. Noch gegen Anfang unseres Jahrhunderts bildete sich der tüchtige Nürnberger Lebküchner auch in der Kunst Formen zu stechen aus; er war stolz auf die selbst gefertigten Model, in denen er seiner Phantasie, seinem Geschmacke und seiner Geschicklichkeit Ausdruck gegeben hatte. Die feine Sitte, das Marzipan durch einen bildlichen Schmuck zu verschönern, hat sich bis auf die Gegenwart erhalten, und Darstellungen nach hervorragenden modernen Künstlern, wie Defregger, Meyerheim u. A. blicken uns auf manchem norddeutschen Marzipan entgegen, ebenso wie auch große Schaustücke gefertigt werden, die den alten Luxusgesetzen, würden sie heute noch in Kraft sein, zum Opfer fallen müßten. Nicht verhehlen dürfen wir jedoch, daß Forscher auf dem Gebiete der germanischen Mythologie geneigt sind, den Zuckerfiguren und Bildern, an welchen wir uns während des höchsten Festes der Christenheit erfreuen, einen altheidnischen Ursprung zuzuschreiben und in ihnen die Nachfolger der Opfer zu erblicken, welche die alten Germanen in der heiligen Zeit der Wintersonnenwende ihren Göttern darbrachten. Wir hoffen, daß sich durch diese Annahme keiner unserer Leser veranlaßt fühlt, mit Rücksicht auf sein Seelenheil auf das Lebkuchen- und Marzipanessen zu verzichten; bei unseren kleinen Leckermäulchen brauchen wir uns deßwegen ohnehin keine Sorge zu machen, sie halten heute noch wie vor 200 Jahren einen Lebkuchen und das Marzipan höher als Gold und Silber! Hans Boesch.     


Aus den „Memoiren des Generals U. S. Grant“.[1]

Wenige Tage vor seinem am 23. Juli d. J. erfolgten Tode hat der berühmte Feldherr im amerikanischen Secessionskriege und zweimalige Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika seine Memoiren beendet. Jenseit des Oceans sah man der Publikation dieser Aufzeichnungen wie einem seltenen Ereigniß entgegen, und noch vor Ausgabe des Buches wurden auf Grund vorläufiger Anzeigen bei dem glücklichen Verleger gegen 300000 Exemplare bestellt. Wenn diese Zeilen in die Hände unserer Leser gelangen, wird gerade der erste Band dieser Memoiren erschienen sein und die Kritik sich darüber entscheiden können, ob das Gebotene wirklich den hohen Erwartungen entsprochen. Die inneren politischen Kämpfe der Bürger unter dem Sternenbanner und die Schlachtenschilderungen aus dem großen Bürgerkriege liegen uns ziemlich fern, und darum vermögen wir an dieses Werk nicht den sensationellen Maßstab zu legen, mit dem es im Vaterlande Grant’s gemessen wird. Trotzdem wird auch der deutsche Leser diese Memoiren schwerlich ohne Interesse verfolgen. Was ihn in denselben fesseln muß, das ist nicht allein der Lebensgang des großen Mannes, der aus eigener Kraft zu den höchsten Staffeln des Ruhmes emporsteigt und dann unter schweren Schicksalsschlägen und eigenen Fehlern zu leiden hat. Mehr noch als Grant selbst packt uns in den Memoiren der eigenartige Hintergrund, von dem sich seine Gestalt abhebt, das eigenartige amerikanische Leben, das mit allen seinen Mängeln und Vorzügen vor unseren Augen in unverblümter Wahrheit sich abwickelt. Erst wenn wir dieses Leben, das wie ein breiter ungedämmter Strom dahinfluthet, kennen gelernt haben, werden wir auch das Werden und Wachsen Grant’s begreifen. Der Autobiograph mag noch so geschickt sein und noch so beharrlich die Absicht verfolgen, die Welt, für die er schreibt, nicht zu tief in sein Innerstes schauen zu lassen – hier und dort, hingerissen durch die Macht des Gefühls und den Eindruck scheinbar nebensächlicher Ereignisse, verräth er, indem er den Charakter Anderer schildert, seine eigenen Vorzüge und Schwächen. – –

Grant war ein geborener Soldat, aber kein Geschäftsmann; das beweist das Endschicksal seines Lebens, und der Mangel der kühlen geschäftlichen Berechnung spiegelt sich in vielen kleineren und größeren Begebenheiten wieder, über die er in der unterhaltendsten Weise in seinen Memoiren plaudert.

In der Jugendzeit spielen bei ihm Pferdegeschichten eine hervorragende Rolle. Schon als achtjähriger Knabe war Grant auf den Pferdehandel gegangen und benahm sich dabei nichts weniger als schlau. „Wenige Meilen von unserem Dorfe,“ berichtet er, „lebte ein Herr Ralston, der ein Hengstfüllen besaß, welches ich sehr gern gehabt hätte und für das mein Vater 20 Dollars geboten hatte, während Ralston 25 verlangte. Ich war so begierig, das Füllen zu bekommen, daß ich nach dem Weggange des Besitzers meinen Vater bat, mir zu gestatten, daß ich es für den verlangten Preis kaufe. Mein Vater erlaubte es mir, bemerkte aber, das Pferd sei nicht mehr als 20 Dollars werth, und beauftragte mich, diese nochmals zu bieten; würde das Gebot nicht angenommen, sollte ich 22½ Dollars, und erst, wenn ich das Füllen dafür nicht erhielte, 25 Dollars geben. Ich stieg sofort zu Pferde und ritt zu dem Besitzer des Füllens. Als ich zu Herrn Ralston kam, sagte ich zu ihm: ‚Papa meint, ich solle Ihnen 20 Dollars für das Hengstfüllen bieten; wenn Sie aber damit nicht zufrieden seien, solle ich Ihnen 22½ Dollars bieten, und wenn Sie auch diesen Preis nicht annehmen würden, 25 Dollars geben.‘

Man braucht nicht gerade aus Connecticut gebürtig zu sein, um den schließlich vereinbarten Preis zu errathen. Dieser Handel hat mir vielen Herzenskummer bereitet, denn die Geschichte wurde unter den Knaben des Dorfes bekannt, und es dauerte lange, bis ich sie zum letzten Male hörte. Knaben freuen sich über den Kummer ihrer Gefährten, wenigstens pflegten die Knaben im Dorfe es damals zu thun, und im späteren Leben habe ich gefunden, daß die Erwachsenen ebenfalls nicht frei von dieser Eigenthümlichkeit sind.“ –

„Ich war kein Kommis und besaß auch nicht die Fähigkeit, einer zu werden,“ schreibt er an einer andern Stelle. „Der einzige Platz, welchen ich in meinem Leben ausfindig gemacht habe, wo ich ein Papier so hinlegen konnte, daß ich es wiederzufinden vermochte, war entweder die Seitentasche meines Rockes oder die Hand eines Schreibers oder Sekretärs, der achtsamer war als ich.“

Einmal im Leben, und zwar in einem hochwichtigen Augenblicke, hatte Grant die Folgen einer ähnlichen Nachlässigkeit, die Andere gegen ihn verschuldet haben, tragen müssen.

Am 24. Mai 1861 richtete er beim Ausbruche des Secessionskrieges einen Brief an den Generaladjutanten der Vereinigten Staaten-Armee, in dem er der Regierung bis zum Schlusse des Krieges seine Dienste anbot. Dieser Brief desjenigen Mannes, der später die Heere der Nordstaaten zum endgültigen Siege führte, hatte sonderbare Schicksale. Grant erhielt vom Generaladjutanten keine Antwort!

„Ich nehme an,“ fügt er beim Erwähnen dieser Thatsache hinzu, „daß er das Schreiben kaum gelesen hat; höheren Orts kann es sicherlich nicht vorgelegt worden sein. Nach dem Kriege wandte sich General Badeau, der von dem Briefe gehört hatte, an das Kriegsministerium und bat um eine Abschrift desselben. Das Schreiben konnte nicht aufgefunden werden, und Niemand erinnerte sich, es je gesehen zu haben. Ich selbst hatte keine Kopie von demselben genommen. Lange Zeit nach dem bezüglichen Gesuch des Generals Badeau fand der zum Generaladjutant der Armee ernannte General Townsend den Brief beim Zusammenpacken von Papieren vor der Räumung seines Bureaus an einer abgelegenen Stelle wieder. Er war nicht vernichtet, aber auch nicht in regelmäßiger Weise aufbewahrt worden.“

Grant wurde bekanntlich später vom Gouverneur Yates zum Obersten des 21. Illinois-Regimentes ernannt.

Charakteristisch für Grant sind einige Bemerkungen, die er an geringfügige Erlebnisse während des mexikanischen Feldzuges knüpft:

Auf einem Ausfluge, den Grant, ein gewisser Benjamin und Augur nach Austin unternommen hatten, erkrankte Letzterer und blieb in der Ortschaft Goliad zurück, während Grant und sein anderer Gefährte die Reise fortsetzten:

„Am ersten Abend, nachdem wir Goliad verlassen hatten,“ erzählt der Verfasser, „hörten wir gerade vor uns das unheimliche Geheul von Wölfen. Das Prairiegras war so hoch, daß wir die Bestien nicht sehen konnten, allein der Schall deutete an, daß sie ganz in der Nähe seien. Meinem Ohr kam es so vor, als seien sie in so großer Zahl da, daß sie unsere


  1. „Memoiren des Generals U. S. Grant“. Aus dem Englischen von H. von Wobeser. Erster Band. Leipzig, F. A. Brockhaus 1886.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_822.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2023)