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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Ansiedler, darauf hingewiesen durch schlechte Erfahrungen mit Pferden, die das Klima nicht vertrugen, angefangen, an ihrer Statt Reitochsen abzurichten und zu besteigen. Oben auf dem kühleren und deßhalb etwas gesünderen Hochplateau kann man der zur Beförderung von Reisenden dienenden Hängematte „Tipoya“, die in den schwülen Küstenniederungen so beliebt ist, leichter entbehren, und so trifft man denn oben jeden einigermaßen wohlhabenden Mann europäischer, schwarzer oder gemischter Rasse im Besitz eines Reitochsen „Boi cavallo“ (wörtlich „Pferde-Ochs“).

Auch an mich trat auf meiner ersten afrikanischen Forschungsreise die Nothwendigkeit heran, einen solchen „Boi cavallo“ zu kaufen und mich in der landesüblichen Art beritten zu machen. Ich muß gestehen, daß ich zwar anfänglich einige Vorurtheile gegen dieses sonderbare Transportmittel hatte, kann jedoch nicht umhin, auf Grund der gemachten Erfahrungen mich sehr befriedigt darüber auszusprechcn, zumal es mir glückte, in meinem „Malukku“, den ich von einem bankerott gewordenen Mulatten um 32 Milreis (etwa 140 Mark) erwarb, einen ganz vorzüglichen Vertreter seines Geschlechtes kennen zu lernen. Obgleich mein Kabindabursche André in dem komischen Kabinda-Englisch, das er redete, ihn höchst respektwidrig „the cow“ (die Kuh) nannte, war er doch ein richtiger Stier, kein Ochse, wie der geläufigere Ausdruck „Reitochse“ glauben lassen möchte.

Die afrikanische Luft hat diesen Thieren die Gefährlichkeit ihrer europäischen Vettern fast gänzlich benommen. Allerdings ist ihnen auch dort niemals recht zu trauen, und es empfiehlt sich immerhin, vorsichtig im Umgang mit ihnen zu sein. Die Abrichtung des jungen Stierleins, dem das Loos zufiel, ein „Boi cavallo“ zu werden, beginnt schon vor dem Ende seiner Entwickelung, noch ehe es vollkommen ausgewachsen ist.

Reitochsen in Angola.0 Nach einer Skizze von Max Buchner.

Zunächst fängt man es aus der Heerde heraus, indem man ihm mittelst langer Stangen etliche Schlingen um den Kopf und um die Füße legt, und wirft es zu Boden. Dann wird ihm mit einem Messer die Nasenscheidewand durchbohrt, ein Strick durchgezogen und hinter den Ohren zusammengebunden. Später steckt man meistens durch das mittlerweile heil gewordene Loch eine halbkreisförmig gebogene Eisenstange (vergl. Abbildung S. 434), welche an beiden Enden Ringe zum Einschnallen des jenen Strick ersetzenden Backenriemens und der einfachen Zügel trägt.

An jedem der vier Füße und zu beiden Seiten der Nase ein langes Gängelband und geführt von sechs Mann, muß nun das junge Thier lernen, sich nach fremdem Willen zu richten und die ersten ruhigen, ordnungsmäßigen Schritte zu thun. Ist das erreicht, so legt man ihm einen Sattel auf, der links und rechts mit Sandsäcken beschwert ist, und ist nach und nach die Gewöhnung auch hieran eingetreten, so setzt sich schließlich ein besonders muthiger Negerjunge selber darauf. Jede dieser drei Stufen des Unterrichts kostet einen neuen Kampf. Das Stierlein spreizt die Beine, bockt, springt und will nicht von der Stelle. Im Bogen, wie von einer Feder emporgeschnellt, fliegt der Reiter immer wieder herab, so oft er aufsteigt, aber leicht und elastisch, wie so ein Negerjunge ist, nimmt er dabei keinen sonderlichen Schaden und läßt sich nicht abschrecken, das lustige Schauspiel der unfreiwilligen Saltos, das meistens ein zahlreiches applaudirendcs Publikum herbeigelockt hat, abermals zum Besten zu geben. Das kleine eigensinnig bockende Thier, das vier Mann an den Beinen und zwei an der Nase herumziehen, mit dem Reiter, den es, kaum daß er oben ist, durch einen kurzen Stoß des Rückgrats aus dem Sattel hebt, liefert auch in der That die gelungensten komischen Scenen.

Wenn ich auch nicht behaupten möchte, daß ein Ochsenkavalier sich mit einem Pferdekavalier messen kann, so wäre es doch falsch, den afrikanischen Reitsport nach dem plumpen ungeschlachten Hornvieh Europas zu beurtheilen. Das Angolenser Rind ist viel gracileren schlankeren Baues als das unserige und demgemäß beweglicher. Die Rückenbreite erreicht in der Regel kaum die eines mittleren Pferdes. Als Sitz wird ganz ebenso wie bei jenem ein gewöhnlicher englischer oder portugiesischer Sattel mit Steigbügeln aufgelegt. Mit meinem Malukku, dieser Perle seines Geschlechtes, konnte ich traben und galoppiren, über Gräben setzen, in jeder Gangart Volten und Achtertouren ausführen. Er ging, allein oder in Gesellschaft, wohin ich wollte, auf gebahntem Wege oder durchs Dickicht. Im Inneren leistete er mir gar oft vortreffliche Dienste, wenn es ersprießlich schien, gegen widerspenstige Träger attakirend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_433.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2021)