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Die beiden Alten schätzen sich Als Ehrenmänner inniglich, Vertraun einander als Berather. Sagt Euer Ohm zu meinem Vater: „Vereinen wir das junge Paar! Ich geb’ dem Neffen jedes Jahr Von meinem Land dreihundert Pfund“, So willigt er in unsern Bund. Und ist besiegelt unser Glück, So gebt dem Ohm sein Gut zurück. Reich wär’ ich, wenn mir nichts verbliebe Als Ihr allein und Eure Liebe. – Er folgte freudig ihrem Rath Und ritt auf grünem waldespfad Zum Oheim, der ihn wohl empfing Und mit ihm fern von Zeugen ging. Hoch überm Thor auf dem Altan Besprachen sie des Ritters Plan. Der Alte stimmte willig ein: Du kannst um keine Bessre frein, Mit Freuden biet ich meine Hand, Bei meinem Haupt! ich brings zustand. – Ach, sprach er, liebster Ohm, das thut! Führt meine Sache rasch und gut! Ich fahre jetzt in voller Zier Nach Gallardon auf ein Turnier. Gott geb’, daß ich in Siegesehre Zu meiner Hochzeit heimwärtskehre! – In Eile schied er wie verzückt, Von neuer Hoffnung hochbeglückt: Er sah so nah sein holdes Ziel. So sprengt er froh zum Waffenspiel.

Jedoch der Ohm, dem er vertraut, Der war in Lug und Trug ergraut, In erster Früh’ am andern Tag Ritt schon der Falsche durch den Hag Und kehrte noch bei Morgenschein Am Hof des reichen Nachbars ein. Zum Willkomm lief der alte Degen Erfreut dem werthen Gast entgegen Und führt ihn festlich in sein Haus. Gerüstet ward ein großer Schmaus. Sie saßen lang im hohen Saal Und sprachen heiter nach dem Mahl Von ihrer Jugendzeit und nannten Die alten Freunde und Bekannten. Sie tauschten manche lustge Mähr, Drin klang’s von Schwert und Schild und Speer, Bis endlich nun der Ghm begann: Ich häng’ Euch recht in Treuen an, Das wisset Ihr seit langen Tagen. So laßt Euch eine Bitte sagen, Darum ich hergekommen bin! Gott stimme günstig Euren Sinn! – Der andre rief: was Ihr begehrt, Sprecht nur! Es ist Euch schon gewährt. Gern zahl’ ich alter Liebe Schuld. – Herr, sprach der Oheim, Dank und Huld Bewahr’ ich, wie’s mir stets gebührt. So hört denn, was mich hergeführt! Um Eure Tochter möcht’ ich frein, Und willigt Ihr in Freundschaft ein, So wird ihr alles, was ich habe, Von mir verbrieft als Morgengabe. Ihr wißt, mein Gut ist reich und groß, Ich bin allein und erbelos. Wir Freunde lebten dann im Frieden, An [Haus] und Habe ungeschieden.

Seht, Herr, drum werde sie die meine, Daß sich in ihrer Hand vereine, Was Gott uns beiden hat bescheert. – Herr, wie mich das beglückt und ehrt! Sprach freudestrahlend sein Genoß, Ich nähme drum kein Königsschloß. Fürwahr, wie könnte mir auf Erden Ein solch erwünschter Eidam werden, So zuverlässig, reif an Jahren, So ehrenfest und vielerfahren, Ein Mann so ganz nach meinem Sinn? Mein Kind ist Euer: nehmt es hin! –

Doch als das Fräulein dies erfuhr, Erschrak sie jammernd und beschwur Die heil’ge Jungfrau, sie zu retten Vor dieser Ehe schnöden Ketten. O weh mir! rief sie thränenbleich, Mich mordet dieser Schelmenstreich! Wie hat der Alte uns gelogen Und den geliebten Mann betrogen, Den edlen Ritter tugendvoll! Die Goldgier macht den Alten toll. Erwirbt er mich, geb’ Gott ihm Leid! Sein Todfeind bleib’ ich allezeit. Nein, nein! Den Tag erleb’ ich nicht! Wo berg’ ich nur mein Angesicht? Doch wehe mir, ich kann’s nicht wenden! Hier lieg’ ich mit gebundnen Händen. Wehrlos gefangen muß ich still Erdulden, was mein Vater will. O Schmach dem Alter, Schmach dem Gold, Drum ich mein Lieb verlieren sollt’! –

Indessen schmückte man das Haus Mit Kranz und Teppich festlich aus. An alle greisen Herrn im Land Ward Gruß und Ladung ausgesandt. Wohl ihrer dreißig kamen an, Worauf ein weis Gespräch begann, Und man beschloß im Rath der Alten, Am nächsten Tag das Fest zu halten, Und gab den Zofen das Gebot, Ihr Fräulein noch vor Morgenroth Beim Brautschmuck fertig zu bedienen; Sie hörten’s mit bestürzten Mienen. Der Vater strengen Angesichts Rief: Sind wir fertig? Fehlt uns nichts? – Herr, sprach der Mädchen eines, doch! An guten Zeltern fehlt es noch, Daß insgesammt wir mit ihr reiten Und nach der Kirche sie geleiten. – Der Alte sprach: Die Noth ist klein. An Pferden soll kein Mangel sein. Er rief die Knappen: Lauft zur Stunde Und sagt den Nachbarn in der Runde, Die Frauen seien unberitten, Wir lassen sie um Zelter bitten. –

Der junge Ritter mittlerweile War heimgekehrt in Liebeseile. Er schied vom Kampfplatz sieggekrönt, Von Lob und Freudenruf umtönt Und blühend Hoffnungsglück im Herzen. Er war voll Muthwill und voll Scherzen, Mit lustgem Trällern wandert er Im Hause ruhelos umher. Stets mußt’ ein Fiedler um ihn sein, Der strich ihm neue Melodein. Und so erharrt er Stund’ um Stunde Von seinem Oheim frohe Kunde.

Zum Thore blickt er fort und fort, Und wirklich, sieh, wer naht sich dort? Ein Bote kommt! Vor Schreck und Lust Erbebt das Herz ihm in der Brust. Herr, sprach der Knappe, Gruß und Heil! Mich schickt mein alter Herr in Eil’ Mit einer großen Bitte her. Ihr wißt, er schätzt und liebt Euch sehr. Ihr habt das schönste Roß im Reich, Kein andres trägt so sanft und weich. Herr, habt die Güte denn und leiht Den Zelter uns auf kurze Zeit! – Wozu, Freund? – Daß er früh am Tage Zur Kirche unser Fräulein trage. – Was geht dort vor? Gieb mir Bericht! – Herr, sprach der Knappe, wißt Ihr’s nicht? Dort wird sie Eurem Ohm vermählt, Der sie zur Gattin sich erwählt. –

Vor Schreck begann der Herr zu wanken, Ein Schwindel lähmt ihm die Gedanken: Es ist nicht möglich, sag’ ich Dir! Du treibst nur Deinen Scherz mit mir! – Gewiß nicht, Herr! Ihr dürft mir traun, Ihr könnt’s mit eignen Augen schaun, Versammelt sind von nah und fern Zum Brautgeleit die alten Herrn. – So gab’s seit Kains Mörderthat Nie einen schnöderen Verrath! – Er stand betäubt von Zorn und Leid In dumpfem Brüten lang beiseit. Ach, sprach der unglückselge Mann, Sie selbst hat keine Schuld daran, Sie nicht! Ich muß den Wunsch gewähren Als letzten Dienst für all die Ehren, Die sie mir bot, für all die Wonnen, Die nun auf immerdar zerronnen! Doch wie? Durch den ich sie verlor, Dem soll ich armer blinder Thor Mein edles Roß zum Feste leihn, Zur Lustbarkeit ihm dienstlich sein? Wie kann sich nur der Mann erfrechen, Um solchen Dienst mich anzusprechen? Hat er nicht alles mir geraubt, Woran mein arglos Herz geglaubt, Ach, all die Schönheit, Huld und Güte, Die mir in meinem Lieb erblühte? Doch muß ich allem auch entsagen, Es sei: mein Zelter soll sie tragen, Daß, wenn sie seine Zügel lenkt, Sie nochmals innig mein gedenkt. Ich liebte sie zu meinem Leid Und will sie lieben allezeit! – Er ließ sofort den Zelter zäumen; Der Knecht entführt ihn ohne Säumen.

Herr Wilhelm bleibt allein zurück Und denkt auf sein verlornes Glück, In bittrem Grimm und Herzensjammer Vergräbt er sich in seine Kammer, Und seinen Dienern insgemein Schärft er bei Tod und Leben ein, Daß keiner ihn zu stören wage, Dann überließ er sich der Klage.

Der Knappe mit dem edlen Roß Kam abends spät in’s Hochzeitschloß, Wo all die greisen Ritter saßen, Ein reichlich Mahl mit Freuden aßen. Der Burgherr scherzte mit der Schaar, Der heut in bester Laune war.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_137.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2020)