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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

doch wurde ihnen der Ehrenpreis Hamburgischer Bürger (1000 Mark) zuerkannt. Von der Erscheinung echt englischer Vollblutpferde geben uns die beiden Abbildungen des Hengstes „Monkshood" (Nr. 3) und der Stute „May Day" (Nr. 4) ein treues Bild. Das erste Thier war von dem dänischen Kammerherrn und Rittmeister R. von Oppen-Schilden aus Livoe und das zweite von dem Rittergutsbesitzer Johannes Kellinghusen aus Maasleben in Schleswig-Holstein ausgestellt. Der von dem Majoratsherrn Ernst Lehnsgrafen von Schimmelmann-Lindenberg aus Ahrensberg ausgestellte arabische Vollbluthengst „Amurath" (Nr. 6) ist ein prächtiger Repräsentant des orientalischen Rosses, dessen Lob schon so viele Dichter gesungen haben. Das Thier, ein Schimmel mit rosafarbenen Nüstern, trägt durchaus reinen arabischen Typus. Die drei edlen Pferde wurden denn auch jedes mit einem ersten Preise ausgezeichnet.

Niedliche Thiere sind die aus Norwegen gesandten norischen und Gulbrandsdaler Pferde; die letzteren sind meist von gelber oder hellbrauner Farbe, haben schwarze Mähnen und einen schwarzen Streifen den Rücken entlang. Einen norischen Hengst, den Gerhard Martens aus Rosendal bei Bergen in Norwegen ausgestellt hatte und dem ebenfalls ein erster Preis zufiel, zeigt die Mitte unseres Gruppenbildes (Nr. 5).

Besonderes Interesse erregte auch der Viererzug Ponies, den der Thierhändler Heinrich Möller aus Hamburg von den Shetlandinseln bezogen und ausgestellt hatte. Die muthigen, glänzend schwarzen Thiere haben trotz ihrer kleinen zierlichen Gestalt lange üppige Mähnen und Schweife. Es war eine Freude, zu sehen, wenn dieselben, alle vier Hengste, im Ringe vorgeführt wurden und ihren Wagen in sausender Carriëre durch die Manege zogen.

Eine für Maulthiere reservirte Classe war vacant geblieben. Der Bankert schien es nicht gewagt zu haben, sich öffentlich neben seinem legitimen Halbbruder zu zeigen.

Die Abtheilung des Rindviehs war noch reicher beschickt als diejenige der Pferde. Nicht weniger als 983 Exemplare der „breitgestirnten Rinder" waren erschienen und kündigten schon von ferne den Besuchern der Ausstellung ihre Anwesenheit durch eine imposante Entfaltung wuchtiger Stimmmittel an.

Die Thiere waren in 33 Stallungen untergebracht, und diese zu durchwandern, mußte für Kenner wie für Laien ein Hochgenuß sein. Da sah man in bunter Reihenfolge die verschiedensten Rassen nach einander beisammen, und wenn man auch französisches Vieh vermißte, so trug doch diese Abtheilung einen ausgeprägt internationalen Charakter. Man erblickte Norddeutsche, Süddeutsche, Schweizer, Holländer, Engländer und Schweden. Die Marschschläge der Holländer, Oldenburger, unter denen sich besonders die von dem Gutsbesitzer John Funch aus Rastede ausgestellten Thiere hervorthaten, und Ostfriesen sind schöne schwarzbunte Thiere, und man sieht es ihren schweren Körperformen an, daß sie den grasreichen Niederungen entstammen.

Ein prächtiger Stier Holländer Rasse, der aus Westfriesland importirt und von dem Domänenpächter Hugo Schrewe aus Tapiau in Ostpreußen ausgestellt wurde, findet sich auf unserem Bilde (Nr. 7).

Zu den schweren Marschschlägen gehört auch das berühmte Wilstermarschlander und Breitenburger Vieh, doch hat dasselbe, abweichend von dem ebengenannten, eine rothbunte Färbung.

Leichter sind die sogenannten Geestschläge, die auf dem Höhelandsboden der norddeutschen Tiefebene gezüchtet werden, doch zeichnen dieselben sich durch eine entsprechend hohe Milchergiebigkeit aus, und unter ihnen steht allen voran die „Original-Angler-Vollblut-Viehrasse". Von derselben hatte die „Vereinigung Angler Viehzüchter" eine reiche Anzahl schöner Exemplare ausgestellt, und die zierlichen dunkelrothen Thiere mit ihren feinen Gliedern, ihren kleinen Köpfen mit den schlanken gewundenen Hörnern sahen mit ihren netzartigen Decken, in deren Ecke ein großes buntes Angeler Landschaftswappen prangte, prächtig aus. Für einen Beweis, wie hoch die Rasse selbst in der Werthschätzung der Ausländer steht, mag der Umstand gelten, daß ein Engländer für einen der ausgestellten Angeler Stiere 3000 Mark bot; der Besitzer forderte jedoch den Preis von 4000 Mark.

Wenn auch die Abtheilung von England aus nicht besonders stark beschickt war, so waren doch englische Rindviehrassen in Händen deutscher Aussteller zahlreich da, namentlich Shorthorns, die bekanntlich außerordentlich mastfähig sind, ferner Alderneys und Ayrshires, auch schottische Polled-Angus-Rinder, von denen unser Bild (Nr. 10) die von dem Grafen Alexander von Kielmannsegg auf Gülzow bei Lauenburg gezüchtete und ausgestellte „Stack Agnes" vorführt.

Hier ist der geeignete Ort, zu erwähnen, daß auf der Ausstellung auch ein deutscher Schlag ungehörnten Rindviehs vertreten war, und zwar in recht trefflichen Exemplaren. Die schönen Thiere sind von J. Jacobi auf Gut Stau bei Oldendorf in Hessen-Kassel gezüchtet worden. Diese erste deutsche ungehörnte Rasse entstand ohne jede Einmischung schottischen oder englischen Blutes, indem der Züchter einen prämiirten ungehörnten Stier des Weserviehschlages erwarb und mit ihm Ostfriesen, Oldenburg- und Wesermarschkühe kreuzte. Die Thiere zeichnen sich durch außerordentlichen Milchreichthum aus und haben eine Färbung vom hellsten Silber- bis zum dunklen Mausegrau. Wo Vieh in Laufställen gehalten wird, ist das Fehlen der Hörner ein wesentlicher Vorzug.

Melodisches Glockengeläute des Kuhreigens kündet uns an, daß wir uns den Stallungen nähern, wo das Höhenvieh der Alpen ausgestellt ist. Dasselbe bildet eine Zierde der Abtheilung im vollsten Sinne des Wortes; man erblickte nur ausgesucht schöne Thiere mit kräftigen Gliedern und breiten Köpfen. Unsern Lesern gewähren die Abbildungen (Nr. 8 und 9) des Schwyzer Stieres „Sultan" und der Bündner Kuh eine Vorstellung von der Beschaffenheit dieser prächtigen Rassen. Der Stier war von dem Landwirth J. Bruppacher in Rüschlikon und die Kuh von dem Nationalrath und Gutsbesitzer Andreas Rudolf von Planta zu Samaden und Tänikon bei Aadorf in der Schweiz ausgestellt.

Allseitiges Interesse erregten bei den Besuchern der Ausstellung die norwegischen Telemarkkühe von dem Agronomen Jens Jakobsen aus Okien in Norwegen, von denen unser Gruppenbild gleichfalls ein Exemplar aufweist (Nr. 11). Die in ihren feinen Formen und ihrer Zeichnung so hübschen Thiere tragen auf den Spitzen der Hörner Messingknöpfe und am Halse helltönende Glöckchen. Eine alte Norwegerin mit durchwetterten Gesichtszügen behütete in ihrer malerischen Landestracht auf der Ausstellung ihre Pflegebefohlenen.

Unter dem Gebrauchsvieh imponirten namentlich gewaltige Zugochsen.

Die dritte Abtheilung der Ausstellung enthielt 1192 Schafe. Die deutsche Schafzucht hat in den letzten beiden Jahrzehnten eine totale Umwälzung erfahren. Früher begnügten sich die deutschen Landwirthe, mit möglichst wenig Unkosten ihre Schafe zu züchten, deren Wolle als hauptsächlichster Ertrag gelten mußte. Erst in neuerer Zeit wenden die deutschen Schafzüchter auch dem Körper ihrer Thiere die nöthige Aufmerksamkeit zu und bemühen sich, neben dem Wollertrage tüchtige Fleischschafe zu erzielen. Man übt jetzt in den deutschen Schäfereien je nach der Beschaffenheit des Bodens und des Wirthschaftsbetriebes auf rationeller Grundlage die verschiedensten Zuchtrichtungen mit bestem Erfolge, wovon man sich auf der Ausstellung leicht überzeugen konnte. Ein Gang durch die betreffende Abtheilung war auch durch den Umstand besonders lehrreich, daß uns auf demselben die wesentlichsten, bei der Schafzucht in Betracht kommenden Rassen zu Gesicht kamen.

Französische Merinos, Rambouillets, Negrettischafe, englische Cotwolds, Southdowns, Shropshires, Hampshiredowns und andere, deutsche Kammwollschafe und Landschafe etc. waren in schönen Exemplaren vertreten. Namentliches Interesse beansprucht unter den specifisch deutschen Rassen das friesische Milchschaf, dessen reiche und fette rahmartige Milch besonders in den friesischen Bauernhäusern sehr geschätzt wird. Der Landwirth R. W. Weerda aus Accumersiel hatte schöne Thiere dieser Art ausgestellt. Im Ganzen steht Mitteldeutschland in Bezug auf die Schafzucht auf hoher Stufe, und hier glänzen in erster Reihe die sächsischen Lande. Prächtige Merinokammwollschafe hatten z. B. der renommirte Züchter Heinrich von Nathusius aus Althaldensleben und der Amtsrath Rudolf Rockstroh aus Münchenlohra in Sachsen ausgestellt. Von ersterem zeigt unser Gruppenbild einen Widder (Nr. 13), von letzterem einen Widder und ein Schaf (Nr. 12).

Ueber die Abtheilung der Schweine können wir kurz hinweggehen. Sie enthielt nur 341 der grunzenden Borstenthiere, lieferte aber durch die der deutschen Aussteller vollgültigen Beweis, daß unser Vaterland auch in dieser Beziehung wohl berechtigt ist, sich mit England, dem klassischen Lande der Schweinezucht, ebenbürtig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_550.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2023)