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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

„Ja, wenn mein Herz nicht mitziehen kann, ist mir’s zu gering!“ rief das Mädchen. „Und Dir wird mein Herz nie gehören – nie!“

„Hab’ ich Dir je ein Leid zugefügt?“ fragte David aufspringend.

„Laß das Fragen,“ unterbrach ihn der Bauer ärgerlich. „Du hast mein Wort, und die Moidl kennt meinen Willen, ich hab’ beides noch immer durchgesetzt.“

„Diesmal nicht, Vater!“ rief das Mädchen entschlossen. „Mein Herz kannst Du nicht zwingen, und ehe ich des David’s Weib werde, sterbe ich!“

„Es stirbt sich nicht so schnell!“ rief der Bauer. „Du kennst meinen Willen! Auf dem Oberburgstein gelt’ ich, so lang’ ich leb’! Nun fort, Du wirst schon lernen, daß mein Wille gilt!“

Das Mädchen eilte aus dem Zimmer.

Verblüfft blickte David darein, denn er hatte nicht erwartet, auf einen so entschiedenen Widerstand zu stoßen. Er sprach dies aus.

„Genügt Dir mein Wort nicht?“ entgegnete der Bauer ärgerlich.

„Wohl, wohl,“ gab David zur Antwort. „Aber wenn die Moidl auf ihrem Kopfe besteht?“

„Wart’ es ab, wessen Kopf der härtere ist!“

David bewegte bedenklich den Kopf hin und her, denn er hegte wenig Vertrauen, daß der Bauer seinen Willen durchsetzen werde.

„Sie liebt einen Andern,“ bemerkte er.

„Wen meinst Du?“ fragte der Oberburgsteiner ruhig, obschon er sehr wohl wußte, wen seine Tochter im Herzen trug.

David zögerte mit der Antwort, er konnte Hansel’s Namen nicht über die Lippen bringen.

An das Fenster tretend zeigte er mit der Hand auf das Gehöft Haidacher’s, welches so grau und düster drüben an dem Berge lag.

„Den dort,“ sprach er.

Der Bauer lachte höhnend auf.

„Haha! Den Hansel!“ rief er. „Er mag Dich beim Raufen geworfen haben, meinen Kopf kriegt er nicht unter!“

Das Blut schoß in das Gesicht des Besiegten. Es erbitterte ihn, daß der Oberburgsteiner ihm die Schmach so offen in’s Gesicht warf, er wollte heftig antworten, aber er bezwang sich.

„Ich will Dir sagen, wie ich denk’,“ fuhr der Bauer fort. „So lang’ noch zwischen dem Gehöft des Haidacher und dem Oberburgstein das Thal liegt, so lang’ werden der Hansel und die Moidl auch nicht zusammen kommen – wenigstens so lang’ ich lebe, nicht,“ fügte er hinzu. „Was der Bub’ dort drüben denkt, weiß ich nicht, die Moidl hat ein hübsches Gesicht, das mag es ihm angethan haben – aber ich glaube nicht, daß er je wagen würde, seinen Fuß hierher zu setzen und um ihre Hand zu werben.“

„Und wenn er es thut?“ warf David ein.

Der Bauer richtete seine Gestalt stolz und gerade empor, aus seinen Augen leuchtete es.

„Ich bin zu alt, um mit ihm zu raufen,“ rief er mit erregter Stimme, „aber noch hab’ ich Kraft genug, ihn von meiner Besitzung zu werfen! Nun geh’! Da hast das Wort des Oberburgsteiners!“

David drückte dem Bauer die Hand und verließ das Haus. Er sah indessen nicht aus wie ein glücklicher Freier, der sich vom Vater ein Jawort geholt hat. Wohl kannte er den festen und zähen Sinn des Bauers, der nicht aufgab, was er einmal beschlossen hatte, aber hing es denn allein von seinem Kopfe ab? Hatte er die Macht, seine Tochter zu zwingen? Dies fuhr ihm durch den Kopf hin und beugte seine große Gestalt, die sonst so selbstbewußt auftrat.

Seitwärts von dem Gehöfte, ungefähr hundert Schritte von demselben entfernt, halb versteckt unter hohen Kiefern und zugleich geschützt durch dieselben vor den Stürmen, die hier oben mit voller Wildheit herrschten, lag eine keine Capelle. Der Vater des Bauers hatte sie errichtet, um im Winter, wenn er eingeschneit war und Wochen lang nicht zu Thal steigen konnte, um die Messe zu hören, einen Ort zu haben, an dem er Sonntags seine Andacht verrichten konnte.

Es was nur ein enger und einfacher Raum. Vor einem grob aus Holz geschnitzten und mit grellen Farben überstrichenen Crucifix befand sich ein einfacher Betschemel.

Zu dieser kleinen Capelle richtete David seine Schritte, fast ohne Absicht. An ihr vorüber führte ein Weg durch den Wald nach seinem Gehöft.

Als er sich der Capelle näherte, sah er die Thür derselben geöffnet. Auf dem Betschemel kniete eine weibliche Gestalt – die Moidl. Er wollte vorüberschreiten, aber schnell besann er sich eines Andern. Vorsichtig trat er näher.

Die Betende hörte ihn nicht; erst als er den schweren Bergschuh auf die zu der Capelle führende Steinstufe setzte, wandte das Mädchen den Kopf um. Erschreckt sprang sie auf, das Blut war aus ihren Wangen gewichen.

„Was willst Du hier?“ rief sie, und furchtlos ruhte ihr Auge in dem des jungen Mannes.

„Ich wollt’ Dich nicht stören,“ gab David zur Antwort. „Mein Weg führte mich hier vorüber, ich sah Dich hier knieen, und da wollt’ ich Dich bitten …“

„Warum?“ fragte die Moidl ruhig.

Es wurde der großen Gestalt nicht leicht, die rechte Antwort zu finden.

„Ich will Dich allezeit gut halten, wenn Du die Meinige wirst,“ sprach er. „Die reichste Bäurin im ganzen Thal kannst Du werden, ich gelob’ Dir, daß Du keiner nachstehen sollst!“

„Such’ Dir eine Andere für die Ehe, denn meine Antwort kennst Du schon,“ entgegnete das Mädchen. „Ich paß auch nicht für Dich, David. Aber eine Bitt’ hab’ ich an Dich, und ich will Dir es Dank wissen, so lange ich leb’. Gieb jeden Gedanken an mich auf und sag’ meinem Vater, daß Du Deine Werbung zurückziehest.“

„Nimmermehr! Ich hab’ sein Wort!“

„Sag’ ihm, Du seiest zu stolz, ein Mädchen zu begehren, das Dir nicht willig entgegenkomme,“ fuhr Moidl bittend fort. „Sag’ ihm, ein Unterburgsteiner brauch’ nicht zu bitten, denn ihm ständen hundert andere Thüren offen, wenn er anpoche, – sag’ ihm, ich sei nicht gut genug für Dich – ich will Dir für Alles danken.“

„Ich verlang’ den Dank nicht, denn ich geb’ Dich nicht auf!“ rief David.

„Aufgeben mußt Du mich dennoch, denn die Deinige werde ich nicht.“

„Du wirst Dich noch besinnen und fügen, Moidl.“

„Ich brauch’ mich nicht mehr zu besinnen, und zwingen kann mich auch mein Vater nicht. Wer will mich halten, wenn ich mich vom Felsen stürze?“

Das Blut stieg dem Unterburgsteiner zu Kopf, denn des Mädchens Widerstand ärgerte ihn.

„Haha! Du hoffst auf den Welschen!“ rief er erbittert. „Verrechne Dich nicht, dem ist der Weg zum Oberburgstein zu steil, und er dürft’ zu Falle kommen, ehe er oben anlangt.“

Hastig und unerschrocken trat das Mädchen einen Schritt vor, in ihren dunklen Augen zuckte es.

„Hab’ ich Dir gesagt, auf wen ich hoff’?“ rief sie. „Dein Weib werd’ ich nie, das hab’ ich hier vor dem Gottesbild geschworen und meinen Schwur brech’ ich nicht!“

Sie eilte an David vorbei und dem Hause zu.

Der Unterburgsteiner preßte die Zähne erbittert auf einander und ballte die Hand. Ohnmächtige Wuth zehrte in ihm, und sie war nicht größer gewesen, als er von Hansel geworfen war.

„Den Welschen kriegst Du nie!“ rief er der Davoneilenden nach, aber sie vernahm seine Worte nicht, denn sie war bereits im Hause verschwunden.

Langsam stieg er zu seinem Gehöft hinab.




Der Oberburgsteiner hatte Recht gehabt, schon am folgenden Tage stellte sich Schnee ein, und an den Bergen blieb er liegen, wenn auch die Sonnenstrahlen ihn an manchen Stellen im Thale wieder fortleckten. Er war der erste Bote des Winters.

Noch vor dem Schnee hatte Hansel das Dach des väterlichen Hauses und der Stallung wieder in Stand gesetzt. Er hatte sich daran gemacht, den verschütteten Acker von dem Steingeröll zu reinigen, und wenn auch am ersten Tage die Größe und Schwierigkeit der Arbeit, die vor ihm lag, ihm den Muth genommen hatte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_515.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2024)