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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


die Göschener Reuß und die Uebersetzung der Bahn über den Ticino darstellen, geben eine Ahnung von dem Reiz, welchen die schöpferische Hand der Erbauer der Gotthardbahn den Thälern der Reuß und des Tessin hinzugefügt hat.

Einen weiteren Anziehungspunkt der Strecke bildet der St. Gotthardtunnel selbst, der „große Tunnel“, wie er während der langen Bauzeit immer genannt wurde. Er bildet die Krönung dieses Meisterwerkes einer Bahnstrecke. Die ganze, geradezu raffinirt geschickte Entwickelung der letzteren, die geistreichen Vorkehrungen gegen Ueberschwemmungen, Verschneeungen und Lawinenstürze, wie sie aller Orten getroffen wurden – all dies mag meisterhaft erdacht und ausgeführt sein, wirklich einzig aber steht bis jetzt die erfolgreiche, fast durchweg programmmäßig vollzogene Bohrung des Gotthardtunnels da.

(Schluß folgt.)




Die Allgemeine deutsche Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen in Berlin 1882.

Nr. 1.0 Zur Eröffnung.

Alphons Oppenheim, jener hervorragende Chemiker, von dem die Hygiene noch viel erwarten durfte, als er ihr in der Blüthe der Jahre durch eine jähe Katastrophe entrissen wurde, machte bei seiner Besprechung der internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen zu Brüssel mit Recht darauf aufmerksam, daß fünfundzwanzig Jahre, nachdem die Idee der internationalen Ausstellung in London sich die Welt erobert hatte, nach und nach dem damaligen Enthusiasmus eine sehr kühle und skeptische Auffassung gefolgt war. Die finanziellen Resultate der allgemeinen Weltausstellungen sanken von einer zur andern, ebenso die Hoffnungen der Aussteller, sowie die Zahl der Besucher und leider auch die Genügsamkeit der letzteren. Unerhörte Anstrengungen brachten 1867 in Paris, 1873 in Wien und 1876 in Philadelphia nur halbe Erfolge, und auch der zweiten allgemeinen Ausstellung in Paris kann man trotz ihres Glanzes nachsagen, daß sie zu früh kam.

Mit gesättigter Befriedigung legte man in den weitesten Kreisen die Idee der allgemeinen Ausstellungen fast zu den Todten, und wenn auch jetzt wiederum eine solche für Rom in Aussicht genommen ist, so spricht doch gerade der Zweifel, welcher diesem Plane entgegentritt, von Neuem für die Richtigkeit der von Oppenheim vertretenen Auffassung.

Indessen gerade England, von welchem die ganze Bewegung ausgegangen war, eröffnete durch eine folgenreiche Abänderung der Idee der Ausstellungen für diese eine neue Bahn, indem es statt der universellen partielle Ausstellungen einführte: Durch die internationale Ausstellung wissenschaftlicher Instrumente in London hat sich England auf diesem Gebiete einen neuen Ruhmeskranz erworben und gleichzeitig, ohne es zu wollen, Deutschland Gelegenheit gegeben, einen fast unbestrittenen Sieg gerade auf demjenigen Felde der Industrie zu erringen, auf welchem Wissenschaft und Technik in gemeinsamer Arbeit ihre größten Triumphe feiern. War schon diese Ausstellung idealen Interessen dienstbar gemacht worden, wie unser großer Chemiker A. W. Hofmann in seinem Berichte so überzeugend darlegt, so galt dies in noch viel höherem Grade von der internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen zu Brüssel.

„Alles zusammenzustellen, was zur Errettung aus Gefahr, zur Erhaltung und Verlängerung des Lebens beiträgt,“ sagt Oppenheim, „war eine durchaus neue humane Bestrebung, auf diesem Gebiete zum internationalen Wettkampf aufzufordern, eine Beförderung der edelsten menschlichen Triebe.“ Und die Hoffnungen der Gründer dieser Ausstellungen wurden nicht getäuscht. Allerdings überschritten die Ausgaben etwas die Einnahmen; „aber“ – so hob General Renard, der verdienstvolle Präses des Comités, hervor – „für den Preis eines kleinen Deficits hat die Ausstellungsgesellschaft vollbracht, was unser König eine gute That genannt hat und was die fremden Besucher als ein Werk ansehen, das nicht untergehen, sondern der menschlichen Gesellschaft neue Bahnen eröffnen wird.“ Schwerlich hat General Renard geahnt, daß fünf Jahre nach seiner Rede in Deutschland eine denselben idealen Zwecken gewidmete Ausstellung in überraschender Schnelle erstehen werde, gewiß eine der schönsten Früchte ihrer Vorgängerin in Brüssel.

Viele Momente trafen zusammen, um den Gedanken einer Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen auf deutschem Boden, sofort, nachdem er in engeren Kreisen zur Erörterung gekommen war, immer festere Wurzeln fassen zu lassen. Die Zeit des Milliardensegens mit ihren schwindelhaften Unternehmungen war endlich vorüber; verhängnißvolle Katastrophen begleiteten ihren Abschluß, und nun der Rausch vergangen, wurden die Folgen dieser unheilvollen Periode immer deutlicher. Als solche charakterisirten einsichtsvolle Kenner unserer Verhältnisse die Abwendung des arbeitenden Volkes und vor Allem der Industrie von der soliden Arbeit, auf die Deutschland mit Recht einst so stolz war. Aber auch der ideale Zug, welcher unser Volk immer ausgezeichnet hat, schien verschwunden zu sein; die überhastende Jagd nach dem Glück hatte keine Zeit für eine Thätigkeit, deren Früchte nicht sofort gepflückt werden konnten. Es dauerte aber nicht lange, bis „das deutsche Volk bei der Arbeit“ sich wieder auf sich selbst besann. Reuleaux rief von jenseit des Oceans, aus Philadelphia, das scharfe Wort herüber: „billig und schlecht“, das wie ein Blitzstrahl die Situation beleuchtete.

Die zum Theil leidenschaftliche Opposition gegen die allgemeine Berechtigung dieser Verurteilung erwies zum Glück, daß während der Jahre des Schwindels ein unzerstörbarer Kern geblieben war, verdeckt durch allerlei schimmernde Nichtigkeiten, aber jetzt, Dank der schneidenden Kritik eines der erfahrensten Sachkenner, sich neu und kräftig entfaltend.

Die schon erwähnte Ausstellung von wissenschaftlichen Instrumenten in South Kensington hatte die Bewunderung der deutschen Leistungen selbst den fremden Concurrenten abgezwungen. Zahlreiche locale Ausstellungen wurden alsdann in verschiedenen Staaten und Provinzen des deutschen Reichs zusammen in’s Leben gerufen und hatten fast ausnahmslos einen äußeren, durchweg aber einen inneren Erfolg. Fast ohne Unterstützung des Staates, mit Unglauben empfangen, bewies die Berliner Gewerbe-Ausstellung eine so große Blüthe der Industrie, der Technik und des Kunstgewerbes, daß für die Reichshauptstadt das Reuleaux’sche Wort keine Geltung mehr besaß. Ganz im Sinne der von England überkommenen partiellen internationalen Ausstellungen schloß sich als dritte derselben die Fischerei-Ausstellung an, deren glänzender Erfolg noch in unser Aller Erinnerung ist.

Wenn auch ohne einen internationalen Charakter, so doch an Bedeutung den drei Vorgängerinnen nicht nachstehend, tritt nunmehr eine allgemeine deutsche Ausstellung, die das ganze Gebiet der Hygiene und des Rettungswesens umfaßt, in’s Leben.

Zweifellos sind auf den Plan dieser Ausstellung zu nicht geringem Theile die Resultate materieller und idealer Natur, deren sich die letztgenannten beiden Ausstellungen rühmen durften, von Einfluß gewesen, aber zur Erkenntniß ihrer Entstehung ist es nothwendig, noch ein wenig zurückzugehen und der Entwickelung der öffentlichen Gesundheitspflege in Deutschlabd während der letzten Jahre kurz zu gedenken.

Wie schon Finkelnburg hervorhob, richteten sich seit dem Erwachen des öffentlichen Interesses für die Pflege der Volksgesundheit die Blicke nicht nur der Sachverständigen, sondern auch der für die vorhandenen Aufgaben begeisterten Laien vornehmlich auf England, als dasjenige Land, in welchem sich die öffentliche Gesundheitspflege der vorgeschrittensten Fürsorge und der nachweisbarsten Erfolge rühmen durfte.

Seit dieser Zeit ist eine Wandlung unverkennbar. Wohl fehlte es den schönen Keimen von 1848, die trotz der Stürme der Revolution eine gesunde Entwickelung versprachen, in den Jahren einer ideenlosen Reaction bei uns an Luft und Licht, sobald aber die Zeit eintrat, in der die Staatslenker vorschauend und klug genug waren, die wirklichen Errungenschaften jener Tage in ihre Politik aufzunehmen, begann auch für die Gesundheitspflege im deutschen Lande eine neue Periode unablässigen Schaffens. Es war ein Glück für die noch junge Disciplin, daß die deutsche Wissenschaft ihr mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_327.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2023)