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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

einem unheilbaren Siechling gemacht haben. Der Tag wird und muß also kommen, wo die Geschichte über ihn zur Tagesordnung schreitet. Aber es ziemt uns, nicht mit Ueberhebung, sondern nur mit Mitleid dieses Ende einer so gewaltigen Erscheinung vorzufühlen, eingedenk, daß die Reihe auch an uns kommen, ja daß, wie unsere Weisen wollen, das in erhabenem Schweigen über, um und unter uns tagende große Parlament der Welten dereinst über unsere kleine Erdenwelt selbst zur Tagesordnung übergehen wird. Ob dannzumal das, was die Menschheit gefühlt, gedacht und gethan, erstritten und gelitten, alle ihre Triumphe und ihre Niederlagen, ihre Eroberungen und ihre Opferungen, ihre Verdienste und ihre Verfehlungen, all ihre Lust und all ihr Leid auf Wegen, welche selbst die Phantasie eines Dante nicht zu ahnen vermöchte, den Bewohnern anderer Welten zu gut kommen oder aber ob dies alles verweht sein werde, spurlos, ein Windhauch von gestern – wer weiß es?




Gärtnerei und Landwirthschaft mit elektrischem Betrieb.


Von Carus Sterne.


Da ich in zwei früheren Artikeln (Jahrgang 1880, Seite 266 und 528) von den ersten erfolgreichen Versuchen gesprochen, die man angestellt hat, um den Einfluß der Sonne auf die Pflanzen durch elektrisches Licht zu unterstützen, so fühle ich mich verpflichtet, den Lesern auch über den Fortgang dieser Versuche Mittheilung zu machen. Es liegen darüber seit Kurzem zwei ausführliche Berichte vor, von denen der eine von Wilhelm Siemens, dem Bahnbrecher dieser neuen Errungenschaft, der britischen Naturforscherversammlung zu York (September 1881) vorgelegt, der andere von P. Dehérain im November nach Schluß der Pariser elektrischen Ausstellung über die Erfolge erstattet wurde, welche in Bezug auf die elektrische Pflanzenzucht in dem kleinen Gewächshause der Ausstellung erzielt wurden.

Nach einer Richtung hin waren die Ergebnisse der Bemühungen beider Experimentatoren ganz dieselben, indem sie zeigten, daß die Strahlen des offenen elektrischen Lichtes auf die Pflanzen, wenn sie dieselben unbehindert treffen, nicht nur nicht förderlich, sondern im Gegentheil außerordentlich schädlich wirken. Die Blätter der dem offenen elektrischen Lichte ausgesetzten Gewächse nahmen alsbald, soweit sie nicht von andern Blättern beschattet und beschützt wurden, eine runzlige Form und schwärzliche Färbung an, und eine ganze Pflanzensammlung ging zu Paris binnen kurzer Zeit, als der Versuch fortgesetzt wurde, zu Grunde. Es konnte dies aber nicht, wie man zuerst vermuthete, die Folge schädlicher saurer Gase sein, welche die glühenden Kohlenspitzen in dem geschlossenen Raume erzeugt hatten; vielmehr zeigte die genauere Beobachtung, daß es nur das Licht selbst sein konnte, welches den Pflanzen schadete. Dies erkannte man nämlich an dem Aussehen der Blätter, welche durch den Schatten anderer vor dem Einfluß der elektrischen Lichtstrahlen geschützt wurden. Schon nach einer Bestrahlungsnacht waren diese Schatten auf den Blättern derjenigen Pflanzen, welche dem Lichte näherstanden, mit gleichsam photographischer Genauigkeit abgebildet, indem nämlich die beschattete Fläche gesund geblieben war und scharf an den Rändern des Schattens das Verderben begann. Siemens erkannte bald, daß es der schon 1853 von Stokes nachgewiesene Reichthum des elektrischen Lichtes an den dem Auge unsichtbaren, ultravioletten oder sogenannten chemischen Strahlen ist, welcher diese Nachtheile hervorbringt; diese Strahlen wirken nämlich allzu energisch, ja geradezu zerstörend auf die Pflanzenzelle ein. Glücklicher Weise ist es sehr leicht, dieselben ohne wesentliche Behinderung der eigentlich leuchtenden und wärmenden Strahlen abzuschließen; man braucht das elektrische Licht, wie schon Stokes zeigte, nur mit einer Kugel von farblosem Glase zu umschließen, um den weitaus größten Theil dieser schädlichen unsichtbaren Strahlen abzuhalten. Aus diesem erst jetzt erkannten Grunde hatten auch in den früheren Versuchen von Siemens die Pflanzen in einem von außen beleuchteten Glashause das beste Gedeihen gezeigt.

Nachdem man nun das innerhalb der Glashäuser aufgestellte elektrische Licht mit einer Glashülle umgeben hat, hatten die Pflanzen nicht mehr das schwärzliche Aussehen, das man ursprünglich der Einwirkung der Kohlenstoff und Stickstoff enthaltenden Gase zugeschrieben hatte, welche die in der atmosphärischen Luft glühenden Kohlenspitzen erzeugen. Sollten sich diese Gase, welche größtentheils aus unschädlicher Kohlensäure bestehen, durch ihren Stickstoffgehalt wirklich als den Pflanzen schädlich erweisen, so würde man sie aus dem einschließenden Glasbehälter leicht hinaus in’s Freie leiten können.

Der Versuch auf der Pariser Ausstellung, wo den Pflanzen wegen der verborgenen Lage des Glashauses nur wenig Tages- und Sonnenlicht zufloß, zeigte durch das kümmerliche Aussehen der am 25. September neu hineingebrachten, gesunden Pflanzen, daß es vor der Hand nicht möglich sein würde, die Sonne ganz zu pensioniren und bei ausschließlich elektrischer Beleuchtung, z. B. in der Winternacht des Poles oder in unterirdischen Grotten, Pflanzen aus Samen zu ziehen und zur Reife zu bringen. Es liegt dies wahrscheinlich daran, daß das elektrische Licht nicht reich genug an gelben Strahlen ist, welche gerade am meisten die Fähigkeit der grünen Blätter, die Kohlensäure zu zersetzen und Sauerstoff aus der Luft einzunehmen, anregen. Versuche, die von Dehérain mit einer sehr üppig wachsenden Wasserpflanze, nämlich mit der stärker, als sie es verdient, verrufenen Wasserpest (Elodea canadensis) angestellt wurden, ergaben, daß dieses in mit Wasser gefüllten Glasgefäßen dem Lichte ausgesetzte Gewächs im Sonnenschein innerhalb einer Stunde mehr Sauerstoff ausschied, als innerhalb mehrerer Tage bei elektrischer Beleuchtung.

Da nun die Kohlenstoffaufnahme der Pflanzen in geradem Verhältniß zur Sauerstoffausscheidung steht, so geht schon daraus hervor, daß die elektrische Beleuchtung vorläufig noch in keiner Weise für gärtnerische Zwecke mit der Sonne concurriren kann. Möglich wäre es indessen immerhin, daß das elektrische Glühlicht, wie es in den Edison’schen Lampen und deren Nachahmungen wirksam ist, oder ein im Volta’schen Bogen glühendes Kalkstückchen reichlicher gelbe Strahlen aussenden möchten als das bisher ausschließlich in diesen Versuchen angewendete elektrische Kohlenlicht. Ich würde vorschlagen, die Kohlenstifte mit Kalk- und Natronlösung zu tränken, um günstigere Resultate zu erhalten.

Es mag hier noch kurz erwähnt werden, daß beide Experimentatoren auch bei elektrischem Lichte jene Versuche wiederholt haben, die schon 1843 von Draper bei Sonnenschein angestellt worden sind, um das Gedeihen der Pflanzen unter verschiedenfarbigen Gläsern zu studiren. Auch bei elektrischer Beleuchtung zeigte sich, daß die Pflanzen unter farblosem Glase weitaus am besten gediehen. Die unter gelbem Glase gezogenen Pflanzen kamen ihnen in der Größe am nächsten, doch waren sie entschieden von schwächlicherem Bau und kränklicher Färbung. In noch höherem und fortschreitendem Maße war dies bei den unter rothem und blauem Glase gezogenen Pflanzen der Fall, wie denn auch die Schädlichkeit des grünen Glases ebenfalls schon früher erkannt worden ist.

Im Allgemeinen viel günstigere Erfolge als der beinahe ganz auf elektrische Beleuchtung angewiesene Pariser Experimentator hat unser berühmter Landsmann in London erzielt, welcher das elektrische Licht in den beiden letzten Wintern als Hülfsarbeiter der Sonne angestellt hatte, um die Pflanzen zweier Gewächshäuser zu begünstigen. Das eine, halb in der Erde versenkte Glashaus wurde von einer zwölf bis vierzehn Fuß hoch darüber angebrachten Lampe beleuchtet, und das andere, dessen Rauminhalt 2318 Cubikfuß beträgt, durch eine drinnen über dem Thüreingang vor einem metallenen Reflector angebrachte Lampe, welche durch eine Glasglocke eingeschlossen wurde, nachdem sich die Schädlichkeit des offnen Lichtes im Laufe des vorigen Winters herausgestellt hatte. Jede dieser beiden Lampen entwickelt eine Helligkeit, die der von 5000 Kerzen gleichkommt. Die Versuche, über welche hier ausführlicher berichtet werden soll, wurden im October 1880 begonnen und bis in den Mai 1881 fortgesetzt und zwar in dem Umfange, daß das elektrische Licht mit Ausnahme der Sonntage täglich von fünf Uhr Abends bis sechs Uhr früh in Wirksamkeit war.

Wir erwähnen zunächst einige der sprechendsten Erfolge. Erbsen, welche Ende October ausgesät worden waren, brachten am 16. Februar reife Schoten. Um die Ueberzeugung zu gewinnen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_054.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)