Seite:Die Gartenlaube (1881) 595.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Gewährsmann bekam sie zum Kauf angetragen, ließ aber den Leuten Zeit, sich über den Werth zu informiren; schließlich forderten sie fünfzehnhundert Mark. Er erwarb sie; sie repräsentirte das Zehnfache und mehr ihres Goldwerthes. Wie unvorsichtig oft Leute mit diesen Werthobjecten umgehen, davon bekam mein Gewährsmann ein drastisches Beispiel in die Hand. Er gab sich Mühe, aus einem Nachlasse etwas zu erwerben, der einer Wirthschafterin geworden, fand aber wenig Geneigtheit. „Hier, diese Dose will ich Ihnen schenken,“ rief endlich die Ungeduldige, „unter der Bedingung, daß Sie die Hand von dem Uebrigen thun!“ Und der Werth dieser Dose? – Tausend Mark.

Wenn nun auch die Ueberbleibsel aus früheren Jahrhunderten sämmtlich Werth haben, selbst zum großen Theil beschädigte Sachen, ja spärliche Reste, wie die Fetzen von gemusterten Zeugen, Spitzen, einzelne Möbeltheile, Beschläge u. dergl. m., welche Spuren von Kunst zeigen, so beabsichtige ich doch nicht, die Illusion zu erwecken, als wären mit jedem Stück Unsummen zu lösen. Der Werth ist ein sehr relativer und oft in kurzer Zeit wechselnder, je nach Angebot und Nachfrage. Gewöhnlichere und häufigere Sachen sind überhaupt billiger; so werden einfache Krüge und Gläser nur mit einer Mark bis zu einem Thaler bezahlt, die kostbaren, wie die genannten Apostelkrüge, Wappengläser, Kurfürstenkrüge und -gläser, die Kölner Pinten und andere mit hunderten. Die einfachsten alten Handtücher gelten vier bis zehn, die alten schönen Leinenhandtücher mit Spitzenbesatz bis fünfzig und mehr Mark.

Selbst der Antiquitätenhändler ist nicht immer sicher über den Werth einzelner Objecte; mein Gewährsmann verkaufte ein paar Gläser für fünfzig Mark und sah sie kurz darauf für zweihundert versteigern. Alte Portraits hatten früher wenig Werth; neuerdings hat sich derselbe durch einen sehr lustigen Umstand auffällig gesteigert: In Amerika ist es seit einiger Zeit bei einigen reichen Sonderlingen Mode geworden, sich – Ahnenbilder anzuschaffen. Natürlich weiß von diesen rasch reichgewordenen Ahnenlustigen ein großer Theil kaum etwas von seinem Großvater, aber der Amerikaner ist praktisch. Er kauft sich eine Anzahl alter Portraits zusammen, hängt sie auf – und die Ahnen sind da. Seine erfinderische Phantasie wird sich unschwer die Geschichte der einzelnen Personen und ihre Namen zurechtstellen, und schon der Enkel wird, die „Familientradition“ im Kopfe, ehrfurchtsvoll zu diesen altergebräunten „Vorfahren“ aufsehen. Große Mengen solcher alter Portraits werden von Hamburg aus nach Amerika exportirt.

Hoch im Preise stehen Metallarbeiten. So machen sich alte Rüstungen und Waffen, auch andere Eisenarbeiten, wie Gitter, sehr gut bezahlt, und reich gearbeitete Zinn- und Kupfersachen aus der Renaissance, namentlich Innungsgegenstände, werden zum Theil mit Silber aufgewogen. Weit kostbarer noch sind im Verhältniß die besseren Sachen in Edelmetall, besonders wenn sie Steinbesatz haben. Auch die guten alten Porcellane, das Meißner, Alt-Wiener, die von Sèvres und Wedgwood, das alte chinesische, sind sehr kostbar, vor allem Vasen, Figuren, Gruppen, Flacons; je älter sie sind, desto werthvoller schätzt man sie.

Es ist schwer, mit einem Blick über die Antiquitätenvorräthe einer bedeutenderen Handlung sich in der Mannigfaltigkeit der Gegenstände zurecht zu finden, die hier in Frage kommen.

Eine leicht unterscheidbare Gruppe bilden die Porcellane in Geschirren, Vasen, Figuren, die parallelen Arbeiten in Steingut, Majoliken, Fayencen. Den Löwenantheil in Steingut haben die Krüge, welche oft ihre Bestimmung als Hochzeits-, Trauerkrüge u. dergl. m. verrathen; das Uebrige sind zumeist urnenartige Sachen, Kannen, Schüsseln, unter welch letzteren die sonnenblumenartigen Taufschüsseln auffallen.

Von Glassachen sind besonders werthvoll die Gläser mit alter Emailmalerei, alte Fenstermalerei und gut geschliffene Sachen; sehr zahlreich treten die buntgemalten Gläser des vorigen Jahrhunderts auf, deren Farben aber nicht dauerhaft sind. Letztere Epoche zeichnet sich auf dem Gebiete der Uhren durch ungemeine Mannigfaltigkeit und oft durch die barocksten Formen aus, aber auch durch zuweilen äußerst künstliche Arbeit mit theurem Material; ebenso bietet diese Zeit die mannigfachsten Bijouteriewaaren, darunter Spielereien der wunderlichsten Art in Elfenbein, Silber- und Goldfiligran, geschnittenen Steinen u. dergl. m.

An Papiersachen fallen die zahlreichen Fächer aus dem vorigen Jahrhundert in’s Auge; daneben Bilderbogen mit Caricaturen. Von Büchern nehmen natürlich die geschriebenen, durch farbige Initialen oder gar bunte Handzeichnungen geschmückten aus der Zeit vor der Erfindung der Druckerkunst die erste Stelle ein.

Nun kommen Stoffe daran, Erbstücke an Taufkleidern, Hochzeits- und Festgewändern, die zuweilen durch Jahrhunderte von einer Generation der Familie zur andern gewandert sind, zum Theil wunderschöne Arbeiten der Handstickerei, auch andere durch die kunstvolle weibliche Hand geschmückte Gegenstände, ferner Gobelins, Spitzen, letztere unter Umständen enorm bezahlt, wie die Brabanter und Brüsseler.

Eine ganz eigene Kategorie bilden die Kirchensachen, in Metallgegenständen, Gewändern, Decken, Spitzen u. dergl. m., und sie liefern oftmals künstlerische Cabinetstücke von höchstem Werth.

An Möbeln sind aus der Renaissancezeit große Wäscheschränke, Hölzstühle, vielfach mit schöner Schnitzerei an der Lehne, auch beschlagene Truhen und Laden, namentlich Innungsladen, reichlicher erhalten, seltener die zierlicheren Schränke mit Malerei oder eingelegter Arbeit und Schnitzwerk. Zahlreicher sind die Möbel des vorigen Jahrhunderts mit ihren geschweiften und gerundeten Formen und den Bronzebeschlägen vertreten. Die gerundete Linie, ferner in der Verzierung die Muschel und das die Natur nachahmende, nicht stilisirte Blumenornament, sowie der Bronzebeschlag sind für diese Zeit charakteristisch. Beschädigte und nur in Bruchstücken erhaltene Exemplare lassen sich ergänzen und brauchbar gestalten, wie ich bei meinem Gewährsmann sah, der auch die Bronzebeschläge nachgießen läßt, und der Umstand, daß er an letzteren alljährlich für zwei- bis dreitausend Mark verbraucht, bezeugt, daß die Liebhaberei an diesen Möbeln ziemliche Verbreitung erlangt hat, ebenso, daß von Zeit zu Zeit veranstaltete Auctionen von für den Gebrauch hergerichteten Ueberresten des vorigen Jahrhunderts stets ein gutes Resultat erzielen.

Interessante Ergebnisse liefert ein Blick auf die Fundorte dieser Reste einer vergangenen Zeit; der Antiquitätenhändler auf der Suche operirt, indem er sich diese Ergebnisse zu Nutze macht, mit einem gewissen Plane. Am meisten versprechen Gegenden, welche von den großen Kriegen der beiden letzten Jahrhunderte verschont geblieben sind; so die höher gelegenen Gebirgsgegenden, Fichtelgebirge, Harz und andere, ferner diejenigen Striche, welche in der Nähe ehemaliger Stätten der Wohlhabenheit und Kunstpflege liegen, und hier wieder besonders Orte, welche mit denselben durch belebte Verkehrswege, namentlich Wasserstraßen, verbunden waren. Ziemlich häufig quellen die Schätze aus verborgenen Wandschränken alter Häuser und Schlösser, deren gar manche noch heute der Entdeckung harren. Mein Gewährsmann hat selbst mehrere solcher Verstecke aufgespürt, so einen überklebten Wandschrank mit zahlreichen Bronzesachen von Werth. Alte Münzen wurden mit Vorliebe in der Nähe der Feuerstätten, um Oefen, Kamine vergraben, wie noch heute die Goldgräber der Minen ihren Fund gern unter den Feuerstätten vor den Augen habsüchtiger Genossen schützen. Alten Hausrath, Kleidung, Wäsche u. dergl. bergen Rumpelkammern und Böden, letztere vorzugsweise – es ist sonderbar – in der Gegend der Schornsteine. Sehr bedeutsam als Fundorte sind die Sacristeien alter Kirchen und noch manches arme Kirchspiel besitzt da ein Vermögen, ohne es zu wissen. Die kostbarsten Sachen aber liegen in Grüften verschlossen, und die Ueberführung von Särgen und Resten aus Erbbegräbnissen und Kirchengewölben sollten nie ohne Bewachung vorgenommen werden; denn massenhaft wird hier verschleppt, gestohlen und durch heimliches Einschmelzen ruinirt. In einem thüringischen Orte fand man vor einiger Zeit ein paar der theuersten Perlen, wahre Prachtstücke, auf Gräbern verstreut, welche bei einer solchen Gelegenheit verschleppt worden waren.

Doch genug! Die vorstehenden Mittheilungen werden genügen, um die Aufmerksamkeit in weiten Kreisen auf die Schätze der Rumpelkammer zu lenken. Nur möchte ich im Interesse der Volksmoral und Unkundiger, welche ich gern vor Schaden bewahrt sähe, hinzufügen, daß eine freie Verfügung über solche Antiquitäten nur Denjenigen zusteht, welche ein directes Eigenthumsrecht an denselben, durch Erbschaft u. dergl., haben. Leider sind vielfach die Gesetze über „Funde“ im engeren Sinne für den Finder und den billigen Wunsch einer baldigen Verwerthung des Gefundenen so ungünstig, daß in ihnen für den armen Mann die Versuchung liegt, solche Sachen, die ihm ein Glückszufall in den Schooß wirft, heimlich zu veräußern und, was für die Kunst das Schlimmste ist, sie zuvor durch Einschmelzen unkenntlich zu machen.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_595.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)