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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Nahrung zu stärken; ohne diese Station würden sie kaum die Märkte von Chili in brauchbarem Zustande erreichen.

In den Sumpfgegenden des Landes tummeln sich dagegen Hunderte und Tausende von Pferden und Rindern in halb wildem und zum Theil in verwildertem Zustande. Ställe giebt es nicht, und die Thiere werden zur Auswahl nur in Umzäunungen getrieben, welche immer in der Nähe der Niederlassungen angebracht sind.

Das beigegebene Bild (Seite 53) veranschaulicht eine solche Sumpfgegend südlich von Mendoza, diejenige bei de San Carlos, in deren Nähe Mais-, Weizen- und Luzernfelder eine freundliche Abwechselung in die Landschaft bringen, welche außerhalb der Lagunen und der Sumpfstrecken mit der erwähnten Buschvegetation bedeckt ist. Den Hintergrund schließt ein Theil des imposanten Cordillerenzuges mit dem 23,000 Fuß hohen Gipfel Aconcagua. Diese wasserreichen Sümpfe sind die Sammelplätze von Tausenden der verschiedensten Wasser- und Sümpfvögelarten, von denen sich die prachtvollen Flamingos, die rothen Löffler, Ibisse, Reiher, Störche und schwarzhalsigen Schwäne am meisten hervorheben; letztere, die fast in keinem unserer zoologischen Gärten fehlen, traf ich nur in Gesellschaften von drei bis vier Stück an.

Bei meinen Ausflügen in diese Sümpfe begleitete mich stets ein junger Pampas-Indianer. Wir waren Beide zu Pferde und ritten jeden Tag ein anderes, da die Rosse am Morgen erst aufgefangen wurden. Es gehört genaue Kenntniß der durch die Sümpfe führenden Pfade dazu, und nur mit größter Vorsicht kann man sich gerade dahin wagen, wo die meisten Vögel sich zusammenfinden. Mein Indio manso (zahmer Indianer) wußte indessen immer Rath zu schaffen und leistete mir bei der Jagd ausgezeichnete Dienste. Hatten wir einen günstigen Punkt gefunden, so stieg ich ab und drückte mich in das Schilf oder Gestrüpp, oder war das nicht vorhanden, so legte ich mich flach auf den Boden. Mein Indio duckte sich nun auf seinem Pferde so zusammen, daß er von den in noch bedeutender Ferne befindlichen Vögeln nicht gesehen werden konnte.

Langsam und in großem Bogen näherte er sich den Reihern, Ibissen oder Flamingos und führte, in entgegengesetzter Richtung von mir, die Pferde auf die Vögel los; bald setzten sich diese in Bewegung und marschirten auf mich zu. So gelang es oft, einen erfolgreichen Schuß abzugeben, wenn die Vögel nahe genug heran gekommen waren. Auf andere Weise war die Anschleichung schwierig, da nirgends Gebüsch oder Schilf genügendes Versteck gewährten, und die besten Vögel sich auch vorsichtig auf weiten, offenen Flächen aufgestellt hatten. Es kam noch dazu, daß der dortige Kiebitz bei unserm Anblick stets in größte Aufregung geriet und, über dem Jäger kreisend, durch sein unaufhörliches gellendes Geschrei die anderen Vögel stutzig machte, sodaß diese in der Regel das Weite suchten.

Während die dort so häufig vorkommenden Wasser- und Sumpfvögel zum großen Theil über die ganze Argentina und viele über ganz Südamerika verbreitet sind, leben in dem trockenen Buschlande viele Vögel, die dieser Gegend und zum Theil der Nachbarrepublik Chile eigenthümlich sind. Sie sehen meist grau und braun aus wie die Landschaft, und nur wenige buntfarbige finden sich unter den immerhin zahlreichen Arten, von denen die durch ihre Farben auffallendsten als Zugvögel gelten dürften.

Oft hört man im dichten Gebüsche einen kurzen, ziemlich lauten Lockton, von welchem man im Augenblick nicht weiß, ob er von einem Säugethiere oder einem Vogel stammt, bis man endlich nach langem Suchen entdeckt, daß er von einem einfach gefärbten Vogel, der nicht viel größer ist als eine Nachtigall, herrührt. Ungemein schnell läuft das kleine zierliche Thier über die Lichtung, um im Verstecke eines andern Busches seine Locktöne zu wiederholen. Der Vogel trägt den langen Schwanz aufrecht nach Art unseres Haushahns, und seine ganze Gestalt ist diesem ähnlich. Die Eingeborenen nennen ihn bezeichnend Gallito (Hähnchen).

Die in Höhlen, an steilen Abhängen nistenden Lorros (Conurus patagonicus) ziehen oft in großen Schaaren über uns hinweg und fallen verheerend in die Maisfelder ein. Es ist dies die größte hier vorkommende Papageienart, ungefähr halb so groß wie der rothe Ara, und hat in der Form Aehnlichkeit mit diesem. Zuweilen stößt man auf ein Rudel Emus, amerikanischer Strauße, welche eilig das Weite suchen. Die Eier dieser Vögel sind sehr beliebt, und mit dem Schalen derselben schmückt man gern die Umzäunungen; ich zählte einmal in Uruguay über siebenzig solcher Eierschalen auf den Spitzen der Zaunpfähle. Auch traf ich so aufgesteckte Pumaschädel, die den erlegten Räubern abgeschnitten worden waren, aber wenn ich ein Angebot machte, dieselben zu kaufen, erhielt ich von den Besitzern stets abschlägige Antwort, da sie glaubten, daß sich durch Aufpflanzung dieser Schädel die Pumas von neuen Raubanfällen abhalten lassen.

Hier und da sieht man auf den Algarrobobüschen eine prachtvoll rothblühende Schmarotzerpflanze, welche oft die ganze Krone des Busches bedeckt. Sie bildet immer den Anziehungspunkt eines der schönsten aller bekannten Colibris (Sparganura sappho), welcher besonders im April nicht selten vorkommt und hier nur Zugvogel zu sein scheint. Er ist metallgrün, sein Rücken hochroth, und die sechs Zoll langen Schwanzfedern auf der Oberseite leuchten goldfarbig. Ein selten schöner Anblick ist es, diese reizenden Thierchen vor den Blüthen summend schweben, pfeilschnell durch den Busch fliegen und sich gegenseitig verfolgen zu sehen. Bei Sonnenbeleuchtung scheint alsdann ein Feuerfunken durch die Lust zu zittern. Staunend stand ich dort, als ich den ersten erblickte, und vermochte nicht zu schießen und so dem harmlosen Treiben des kleinen Vogels ein Ende zu machen.

Das Thierleben in Mendoza ist mannigfaltig. Oft glaubt man in der schweigenden Natur keinen Laut zu vernehmen. Plötzlich hören wir dumpfe, eigenthümliche Töne wie „Tultuck, Tultuck“ unter uns, dann neben uns, dann weiter entfernt, bis wir entdecken, daß sie unterirdisch sind. Diese unheimliche Unterbrechung der Ruhe in der Landschaft stammt von einem unter der Erde lebenden Nagethier von der Größe unserer Hausratte, vom Tultuco der Eingeborenen her.

Und solche unterirdische Stimmen hat Mendoza noch mehrere aufzuweisen. Bei Einbruch der Dämmerung vernimmt man ein lautes Grunzen und Belfern unter seinen Fußen; es deutet an, daß die Viscachas rege werden und im Begriffe sind, ihre unterirdischen Wohnungen, welche aus vielen Gängen bestehen, zu verlassen. Vorsichtig halten sie sich zunächst an ihren Eingängen, ehe sie ihre nächtlichen Streifereien beginnen. Ich schoß mehrere dieser großen Nagethiere, welche ihre Wohnungen mit einer unserem Waldkäuzchen ähnlichen Eule theilen, auf dem Anstande vor dem Baue, erhielt aber kein solches, weil sie, wenn auch augenblicklich todt, von ihren Cameraden in die Höhle gezogen wurden. Die Besitzer der Estancias, in deren Nähe oft weite Strecken von den Viscachas unterwühlt sind, versuchten, die fatalen Minirer durch Wasser aus ihrer Nähe zu vertreiben. Vermittelst einiger Gräben wurde Wasser in die Baue geführt, doch dauerte es lange, ehe wir eine Wirkung wahrnahmen. Endlich erschienen einige Viscachas, schon durchnäßt, an der Oeffnung, fuhren aber sofort zurück, als sie die aufgestellten Jäger und Hunde erblickten. Wer höher und immer höher stieg das Wasser und jetzt mußte die Ueberschwemmung eine vollständige sein; denn plötzlich stürzten sie verzweifelt an’s Tageslicht. Einige wurden durch Schüsse niedergestreckt, und wüthend stürzten sich die hungerigen Hunde auf die überraschten Thiere; es kam zum Kampf; denn die Viscachas hoben sich und vertheidigten sich mit ihren großen Nagezähnen, doch schließlich unterlagen sie, nur wenige retteten sich durch die Flucht in Erdlöcher.

Mit vielem Eifer verfolgen die Eingeborenen die ebenfalls unterirdisch lebenden Gürtelthiere, welche sehr wohlschmeckende Braten liefern, wie hier auch das seltenste aller Gürtelthiere, der kleine Pichiciego, gefunden wird.

Während unserer Viscachajagd umkreisten uns verschiedene Raubvögel, und hoch in den Lüften, zuweilen dem schärfsten Jägerauge unsichtbar, schwebte der Condor, dessen nahe Heimath, die Kordilleren, zu einem Besuche locken. Doch wir erreichten nur die ersten Ausläufer dieser großartigen Gebirgswelt, deren schluchten- und thälerreiches Innere ein anderes Thierleben birgt, als die weite meerähnliche von uns durchzogene Ebene. Schon beim Ersteigen der ersten Vorberge erblickten wir mehrere Rudel Guanacos, einer schönen Llama-Art, welche uns von ihrem hohen Standpunkte aus neugierig betrachteten. Und als wir eine Höhe von gegen 4000 Fuß erklettert hatten, wurde uns das Glück zu Theil, ein Condormahl zu belauschen. Ein gefallenes Guanaco blutete unter den Krallen und kräftigen Schnäbeln der um ihre Beute kämpfenden Riesengeier (vergl. Abbildung auf Seite 49). Immer mehr und mehr dieser gewaltigsten aller Vögel senkten sich herab aus schwindelnden Höhen auf die streitende Gruppe,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_050.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)