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verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


verholfen und dann eine Stelle als Verwalter oder Portier herrschaftlicher Häuser verschafft würde, wobei er sich als geschickter Tapezier sehr nützlich machen würde, so könnte auch er sich den Seinen wohl noch lange erhalten.

19) Eine verlassene Krieger-Wittwe. Vor uns liegt das pfarramtlich beglaubigte Bittgesuch der Wittwe eines Kriegs-Invaliden, welcher in Frankreich verwundet worden und an den Nachwehen der erhaltenen Wunden gestorben ist. Die beklagenswerthe Frau, der man die Pension von fünfzehn Mark monatlich seitdem entzogen hat, heißt: Kunigunde Schlichter; dieselbe wohnt mit ihren vier Kindern in bitterster Noth zu Schoppershof bei Nürnberg und verdient, nach dem erwähnten Zeugniß, die Unterstützung wohlthätiger Vaterlandsfreunde. – – In Nordamerika bezieht bekanntlich jedes Kind eines im Kriege gefallenen Kämpfers Pension bis zu bestimmtem Alter!

20) Ein invalider Zimmermann. Bei Beaumont in die linke Hüfte verwundet, konnte der Mann in seinem Handwerk nicht wieder arbeiten; er erhält 21 Mark Pension und besitzt auch den Civilversorgungsschein, aber ohne einen Dienst erlangen zu können. Eine schwere Herzkrankheit seiner Frau stört ihn im sonstigen Erwerb. Giebt es keine Stellung für den Mann, der eine gute Handschrift schreibt und die Prüfung für das Steuer- und Postfach bestanden hat?

21) Ein preußischer Musketier in Gohlis bei Leipzig. In der 4. Compagnie des 1. Magdeburger Infanterie-Regiments Nr. 26 dienend, wurde er vor Toul von der Gicht befallen. Der kräftige Mann glaubte, durch das Marschiren von der Krankheit wieder befreit zu sein, doch brach dieselbe während der Belagerung von Paris von Neuem aus. Auch er versäumte die Anmeldungsfrist zum Pensionsgenuß und muß sich nun recht schwer durch das Leben helfen.

22) Da heutzutage Niemand sich der Einsicht verschließt, daß ohne das Jahr 1866 und seine militärischen Umwandelungen und Bündnisse in Deutschland unser Sieg von 1870 schwerlich so glänzend ausgefallen wäre, so wird auch ein Invalid von jenem ersten Wendejahre im deutschen Schicksal noch Berücksichtigung verdienen. Ein Mann des zweiten preußischen Garderegiments wurde bei der Erstürmung einer Batterie in der Schlacht bei Königgrätz im rechten Handgelenk verwundet und erwarb sich, da er trotz der Verwundung im Gefecht bis zu Ende aushielt, das Militärehrenzeichen. Die Verwundung hatte jedoch spätere Folgen, sodaß er im October 1869 als dauernd unbrauchbar vom Landwehr-Commando entlassen wurde. Nach vollendeter Heilung suchte er in seinem Berufe als Landwirth mit Realschulbildung wieder für sich und seine Familie (zwei Kinder) thätig zu sein, mußte aber so schwere Schicksalsschläge erleben, daß er jetzt mit der Noth um das tägliche Brod zu ringen hat. Für den gesunden Mann sollte es doch wohl eine landwirtschaftliche Stellung geben.

So haben wir denn zur diesjährigen Feier und Nachfeier des Sedanfestes (in Nr. 20, Nr. 35 und in dieser Nummer unseres Blattes) den deutschen Vaterlandsfreunden zweiundzwanzig arme hülfsbedürftige Mitkämpfer in harter Bedrängniß vorgeführt. Möge das Fest der zehnten Wiederkehr des Sedantages, nachwirkend, ihnen den Segen eines späten patriotischen Dankes bringen!




Nachtrag zu unserer Dom-Illustration. (S. 636 und 637.) Die drei Hauptbilder unserer Illustration, die Seitenansicht sowie die West- und Ostansicht des vollendeten Prachtbaues, bedürfen keiner Erklärung; diese darf sich auf die dem Rahmen des Ganzen mit eingefügten kleineren Darstellungen beschränken. Die in dem Bilde zur Linken oben wiedergegebene Domansicht ist nach einem alten, im Kölner Stadtarchive befindlichen Stiche genommen, der unserm Künstler von dem Archivar Dr. Ennen selbst als der geeignetste vorgelegt worden ist. – Unter diesem alten Dombilde sehen wir das Grabdenkmal jenes Conrad von Hochstaden (auch Hochstätt und Hochstetten), unter dessen erzbischöflicher Regierung der Bau des Domes in demselben Jahre begonnen wurde, wo dieser streitbare Kirchenfürst den ersten deutschen Kaiser des Namens Wilhelm zu Aachen krönte. Sechshundertzweiunddreißig Jahre mußten vergehen, bis auf diesen, der Legung des Grundsteins beiwohnenden Wilhelm von Holland ein Wilhelm von Preußen folgen, nach einem neuen und zwar fünfundsechszigjährigen Interregnum das Reich wiederaufrichten und des vollendeten Domes Weihe vollziehen konnte. – Unter dem Mittelbilde vom Dom sind die berühmtesten Reliquien desselben dargestellt, namentlich der Schrein der heiligen drei Könige, einige der werthvollsten Monstranzen und andere Stücke, welche dem Kölner Domschatze angehören. – Das Bild zur Rechten oben zeigt uns den fertigen Dom mit seinen Baugerüsten, sowie weiter unten die Kaiserglocke, die durch ihre Entstehungsgeschichte lange Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Die Wappenschilder zu beiden Seiten des Kölner Stadtwappens geben die beiden Jahreszahlen der Gründung und der Vollendung des Domes an.




Ein französischer Gefangener angeblich noch in Deutschland! Während der Vorbereitungen zum diesjährigen Sedanfeste circulirte in militärischen Kreisen Dresdens der Brief einer französischen Frau mit der Aufschrift: „A Monsieur L'Aumônier de Mr. le Directeur de la Forteresse de Dresde.“ Obgleich ein solcher Adressat in Dresden nicht existirte, hielt man sich doch militärischerseits für verpflichtet, den Brief zu öffnen. Derselbe enthält die ergreifende Klage einer französischen Soldatenfrau über das grausame Schicksal, das sie betroffen: ihr Gatte ist aus dem Kriege von 1870 und 1871 nicht zurückgekehrt, und ein sehr bestimmt auftretendes Gerücht sagt ihr, er sei noch immer in der Festung Dresden internirt. Sie beschwört nun den „aumônier“ in den beweglichsten Worten, ihrer zehnjährigen Qual ein Ende zu machen und ihr Auskunft über ihren Mann zu geben. Der Brief ist aus Vezins (Departement Maine-Loire) datirt und „Madame Poislâne“ unterschrieben. Der Name des gesuchten Mannes ist: Alphonse Poislâne.

Wenn wir bedenken, wie lange bei uns der Glaube festgehalten wurde, daß Tausende unserer nach den Kriegsberichten „Vermißten“ als deutsche Gefangene in Algier zurückgehalten würden, werden wir es einer trauernden Französin nicht verargen, wenn sie einen ähnlichen Verdacht gegen Deutschland hegt. Eine sichere Nachricht vom Tode ihres Gatten würde auch sie beruhigen. Man hat von Dresden aus die Hülfe der „Gartenlaube“ für Madame Poislâne in Anspruch genommen – und so bitten wir denn unsere Leser: sollte eine Kunde über den Verbleib jenes französischen Gefangenen ihnen zukommen, uns dieselbe mitzutheilen. Es wäre schön, wenn hier der versöhnliche Geist sich bethätigen könnte, den wir für unsere westlichen Nachbarn hegen.




Der deutsche Verband von Vereinen für öffentliche Vorträge, welcher die Pflege des Vortragswesens in Deutschland durch Veranstaltung gemeinverständlich-wissenschaftlicher Vorträge sich besonders angelegen sein läßt und auf den, als ein äußerst dankenswerthes Unternehmen zur Hebung der Volksbildung, wir bereits früher nachdrücklich hingewiesen haben, hat erfreulicher Weise an Ausbreitung erheblich gewonnen. Im Jahre 1876 von sechs mitteldeutschen kaufmännischen Vereinen begründet, umfaßt er heute bereits zweiundsechszig Vereine mit zusammen gegen 32,000 Mitgliedern. Fast jeden Monat schließen sich weitere Vereine dem Verbande an, zu dessen Vorsteher Edmund Lotz in Coburg erwählt worden ist. Im vorigen Winter wurden in den Verbandsvereinen 174 Vorträge gehalten, und auf der diesjährigen Liste sind 44 Redner und 7 Recitatoren verzeichnet.

Ein Blick auf die Liste zeigt die hervorragendsten Namen und eine Auswahl höchst interessanter Themata. Die meisten Vereine machen diese Vorträge, welche allenthalben große Anziehungskraft ausüben, auch Nichtmitgliedern, insbesondere Damen, durch Errichtung von Abonnements zugänglich. Zu den Kosten der Verbandsleitung steuert jeder Verein, der über 200 Mitglieder zählt, 20 Mark jährlich bei, während Vereine, welche weniger als 200 Mitglieder zählen, nur 15 Mark jährlich zu entrichten haben. Alljährlich findet ein Verbandstag (Hauptversammlung der Vereinsabgeordneten) statt, und zwar wird der nächste im Juni 1881 in Gotha zusammentreten. Die Organisation des Verbandes ist aus dessen Statut ersichtlich.



Kleiner Briefkasten.

U. in Königsberg. Der Preis des in unserer Nr. 36 beschriebenen Notenanzeigers von Bartmuß beträgt fünf Mark für Sopran, sechs Mark für Baß.

X. Y. Z. Herzlichen Dank! Die kleine Summe wurde zu einem milden Zwecke verwendet.

A. Z. in Providence (Amerika). Beides leider ungeeignet, sowohl der offerirte Artikel, wie die eingesandten Gedichte!

P. G. P. Wir bedauern, Ihnen in der besagten Angelegenheit einen Rath nicht ertheilen zu können. Auf dem Gebiete der Uebersetzungsliteratur ist das Angebot übrigens bedeutend größer als die Nachfrage; es eröffnen sich hier also wenig Chancen.

Br. in Amsterdam und Abonnentin in Wien. Geben Sie gütigst Ihre volle Adresse unter Wiederholung Ihres Gesuchs an! Derartige Anfragen werden nur brieflich beantwortet.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.



Das mit der nächsten Nummer beginnende Quartal werden wir mit der Erzählung

„Schwester Carmen“ von M. Corvus

eröffnen, der sich die Novellette „Zwischen Fels und Klippen“ von Ernst Ziel und einige kleinere Erzählungen anschließen werden. An belehrenden und unterhaltenden Artikeln aus dem Bereiche der Wissenschaft und der Zeit haben wir eine reiche Auswahl auf dem Programm.

Die Redaction der „Gartenlaube“.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_644.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)