Seite:Die Gartenlaube (1880) 609.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Unverstanden.
Alle Rechte vorbehalten.
Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)

„Ein Weib! Suche nach, Johannes, in der Geschichte der Welt, von Adam an bis heute – die Ursache des Bösen in der Welt ist das Weib, und einer Frauen Schönheit ist wie Gift, berauschet die Sinne und machet das Herz elend. Wenn Freunde sich entzweiten, Familienglück zerriß, Ehen sich trennten, die Kriegsfuria über die Länder sich ergoß – cherchez la femme – où est la femme? Und Voilà, sie war stets zu finden, schuldig oder unschuldig – das Böse in der Welt ist das Weib. Und wenn es wahr ist, daran Du felsenfest glaubst, daß es einen Teufel gebe, der in der Welt umhergehet und suchet, wen er verschlinge, so gehet er wahrlich um in eines schönen Weibes Gestalt. Lasse getrost Pferdefuß und Hörner bei Seite, Johannes!

Es war um die heilige Weihnachtszeit, da ich sie zum ersten Male gesehen. Ein Wetter tobte über die Berge daher, daß es schien, als sei die wilde Jagd noch niemalen so arg über den Harzwald gezogen. Es pfiff und sauste und heulte um mein altes Eulennest, als sängen alle bösen Geister einen Triumphgesang; dazu prasselte ein Regen mit Schneeflocken untermischt gegen die verschlossenen Läden meines Gemaches; ich hatt' just mein nasses Fußzeug abgestreifet; denn ich war eben mit Büchs und Hunden heimgekommen, der Teufel weiß, verdrießlich genug, ohne eine Kugel versandt zu haben.

Da klopfete es draußen, und dieweil niemalen Abends Jemand einsprach in mein einsam Haus, am wenigsten bei solchem Unwetter, so hieß ich die Hunde schweigen, ging hinaus und öffnete die Thür, die mir von dem Sturm allsogleich aus der Hand gerissen ward.

Da stund sie auf der Schwelle. Johannes, wenn ich dermalen gewußt, wen ich eingelassen! Ein Weib, so königlich, schlank und stolz, und doch so demuthsvoll das schöne Haupt gesenkt; und der Sturm zerrete an ihren Gewändern und wirbelte den Schleier von dem weißen Antlitz und ließ mich in ein paar blaue Augen schauen – Die Augen – Johannes!

„Ein Obdach,“ heischte sie, „und Hülfe“! Der Wagen liege zerbrochen nahebei am Wege; der Kutscher sei bei den Pferden geblieben. Ich öffnete meines Zimmers Thür und hieß sie eintreten; sie bückete sich unter der niedern Gewölbung, und als sie dann neben mir stand, da reichete mir das blonde Haupt doch nur bis zum Kinn. – Ich war ungeschickt immer gegen Frauen, doch flog ein Lächeln um ihren ernsten Mund, als sie sah, wie ich mich mühete ihr Höflichkeit zu erweisen.

„Ich danke, Monsieur,“ sagte sie, und warf den Mantel ab; dann nahm sie den nassen Schleier vom Kopfe, setzte sich in den Lehnstuhl am Kamin und lockete meinen Cäsar; der legete zutraulich den Kopf auf ihre Kniee, und sie streichelte ihn mit ihren weißen zarten Händlein. Ich stand in Gedanken verloren vor ihr und schaute sie an; seltsamlich kam es über mich, da in meinem einsamen Stüblein ein Weib saß. Fremd, und doch so süß vertraut dünkete es mich, und ich vergaß Alles über solch' anmuthig Bild, bis sie mich bat, ich solle ihrem Kutscher Hülfe senden.

Da hastete ich fort in Schreck und Verlegenheit und gebot dem Jobst, er solle die fremden Mähren sorglich verpflegen und den Kutscher mit Bier und Imbiß laben, und im oberen Gestock solle sein, des Jobsten, Weib ein Kämmerlein herrichten für die Dame, da sich zeigete, daß das Gefährt zu arg beschädigt und sie in diesem Wettergraus nicht weiter könne.

Und es kam, daß ich mich nicht in mein eigen Gemach getrauete vor Herzklopfen und Verlegenheit, als ich mich aber dennoch überwand und vor ihr stand, da dankte sie mit süßen Worten, und ihre Augen sahen holdselig zu mir empor, bis sie sich senketen vor den meinen und ihr lilienweiß Antlitz sich röthete. Und so saßen wir stumm bei einander, und draußen tobete das Wetter und riß ungestüm in dem Geäst der hohen Linden.

Ich bin ein unbeholfener Gesell; ich konnt' nicht reden, sah sie nur an und wehrete dem Hunde, der nicht von ihr gewichen und nun zu ihren Füßen sich gestrecket. Sie aber merkte es kaum; ihre Augen hielt sie geschlossen, und ein schmerzlich Sinnen grub ihr ein Fältlein auf die weiße Stirn. Dann kam des Jobstens Frau und brachte Wein und Imbiß, aber sie rührte kaum die Speisen an, und dann begehrete sie zur Ruhe.

Ich aber fand solche nicht. Ich lief hinaus in Sturm und Regen und starrete zu ihrem hellen Fensterlein hinauf, und die halbe Nacht wanderte ich unstät umher, und da konnt' ich sprechen zu ihr, halblaut, lange Reden, daß die Hunde mich verwundert und blöde anstarrten.

Am andern Morgen aber war das schöne Vöglein vor Thau und Tag ausgeflogen, so früh ich auch aufstand. Auf dem Tisch vor ihrem Lager aber fand ich ein offen Brieflein, und darinnen mit zierlicher Schrift die Worte:

„Friederike von Babenberg danket Euch für die Gastfreundschaft und hoffet, sie vergelten zu können.“

Das Zettelchen lieget noch im Kasten meines Tisches mit anderem Tand, Löcklein, Bändern und getrockneten Blumen, vergriffen und morsch zum Zerfallen.

Nun wußt' ich's; sie war die Tochter des alten Generals Babenberg aus Mansdorf, kaum ein Stündlein von hier, und von

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_609.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)