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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Dieses Auferstehungslied sei dem Genius unseres deutschen Sophokles geweiht, dessen Muse im ,Don Carlos’, im ,Wilhelm Tell’, im ,Wallenstein’, in ,Maria Stuart’ und ,Jungfrau von Orleans’ die Morgenröthe des Auferstehens der Völker zum Licht und zur Freiheit mit hoher Begeisterung begrüßt hat.

Constanz, den 25. Hornung (Februar) 1848.

J. H. Wessenberg.“

Oscar von Wydenbrugk, der Weimarische Märzminister, schrieb am 4. März in Weimar in das Album:

„Schlägt Deutschland sich nicht selbst die tiefsten Wunden,
So wird kein Feind dem schönen Lande schaden.“

Eine Inschrift vom 19. März lautet:

„Tief sinkt der Same in der Erde Schooß,
und Ceres Klage tönt ob seinen Grüften –
Der Frühling naht, mit ihm ein selig Loos,
Die goldne Aehre dringt zu lauen Lüften.

Kühn richtet der Gedanke sich empor
Aus langer Nacht – des Geistes heil’ge Habe!
Durch Deutschlands Gauen tönt der Jubelchor,
Und freudig leuchtet es ob Deinem Grabe.“

v. Canaval in Prag.

Dr. J. G. E. Schwarz, Kanzelredner und freisinniger Theologe in Jena, knüpft an Schiller’s Ausspruch in „Tell“:

„Seid einig – einig – einig,“

das Sinngedicht im Geiste des damaligen großen Augenblicks:

„Immer ist auch ein Prophet, wem die echte Weihe des Dichters
Wohnt in der Tiefe der Brust, seinem Geschlechte zum Heil.
Darum hört, was im ,Tell’ der Sänger der Freiheit gelegt hat
In des Sterbenden Mund – hört es, ihr Lebenden heut!

Jena, den 18. Mai 1848. Am Tage der Eröffnung des deutschen Parlaments.“

Gervinus schreibt unter Anderem:

„Schiller faßte den großen Gedanken, daß durch die Bildung, durch Kunst das deutsche Volk in dem Maße müßte veredelt werden, daß eine ähnliche Stunde (wie die der französischen Revolution) der politischen Erhebung Deutschlands ein für die Segnungen der Freiheit und für das Staatsleben besser vorbereitetes Volk finden müßte. Diese Fassung schließt so viel höchsten Seelenadel, so viel vaterländisches Gefühl, Freiheitsliebe und politischen Sinn in sich, daß es das Glänzendste, Edelste und Beste in Schiller’s Wesen ausspricht etc.“

(Jeden Besucher des Schiller-Hauses machen wir auf dieses Blatt unseres Gervinus besonders aufmerksam.)

Margaretha von Schiller, die Wittwe von Schiller’s Sohn Friedrich Wilhelm Ernst (schon 1841 †), sandte als „Dank für die Pietät der hochherzigen Stadt Weimar gegen den unsterblichen Dichter“, von Köln, im Frühling 1848, folgendes ebenfalls vom Geist des Völkerfrühlings dictirte Gedicht:

„Du schriebst mit Deines Herzens Blut,
Du warst des deutschen Volkes Herz,
Drum ist Dein Wort sein heilig Gut,
Bleibt ewig jung ihm, ewig wahr.

Du ahntest freie Morgenluft,
Vorläufer deutscher Freiheit Du –
Und sieh, gesprengt ist ihre Gruft!
Jetzt wird erfüllt Dein Seherwort!

Jetzt klingt Dein Name doppelt hell
An jedes brave deutsche Herz –
Mich freilich rührt zugleich er stets
Mit stiller Wemuth, stillem Schmerz.“

Günther, reg. Fürst zu Schwarzburg-Sondershausen, schrieb zu derselben Zeit in das Album:

„Die schönen Worte, welche Schiller in seinem ,Don Carlos’ den Marquis von Posa an den König Philipp richten läßt, sind auch in die Ohren deutscher Fürsten gedrungen, und nicht überall sind sie an den kalten Felsenherzen zurückgeprallt, in welchem der finstere Philipp seine Königswürde zu finden glaubte.“

(Schluß folgt.)




Wien auf dem Lande.
Von Balduin Groller. Mit Illustrationen von J. J. Kirchner.
II.

Unser Ziel ist Hietzing. Wie wir dahin kommen? Ganz einfach. Wir besteigen auf der Ringstraße in Wien einen Pferdebahnwagen und fahren, wenn an der Stirnseite des Wagens eine grüne Scheibe angebracht ist, bis nach Penzing, der Endstation der Tramway. Hatte die Scheibe eine andere Farbe, dann fahren wir mit dem Wagen nur bis zur Bellaria am Burgring und steigen dort um in einen Wagen, der sich durch seine grüne Scheibe und durch die grünen Stirnbänder der Pferde für unseren Zweck empfiehlt. In Penzing angelangt, überschreiten wir eine kleine Kettenbrücke, die sich über das Wienflüßchen streckt, und wir sind in Hietzing. Gehen wir von der Brücke noch hundert oder zweihundert Schritt geradeaus weiter, so haben wir den richtigen Augenpunkt für unser Bild gefunden. Wir stehen auf dem Hauptplatze von Hietzing. Es vergeht keine Minute, ohne daß wir hier einen Omnibus nach der Stadt fahren oder von dieser kommen sähen. Der Verkehr ist ein außerordentlich reger und starker; Hietzing gehört zu Wiens nothwendigsten Bedürfnissen; es ist jedenfalls die bequemste Sommerfrische, die sich denken läßt.

So wie man aus dem westlichen Thore des Schönbrunner Parkes heraustritt, steht man auf dem Hauptplatze von Hietzing, dessen bedeutsame Zier ein ehernes, vom verstorbenen Meixner, dem Schöpfer des Albrecht-Brunnens und so mancher anderen plastischen Zierde Wiens, geformtes Standbild des unglücklichen Kaisers Max von Mexico bildet. Das Denkmal macht in seiner frischen, grünen Umgebung einen mehr freundlichen, als großartigen und weihevollen Eindruck.

Hinter dem Denkmal steht die Kirche, ein einfacher gothischer Bau. In derselben befindet sich ein Bild, das angeblich den Namen des Ortes erklärt. Es ist die Darstellung einer Sage, nach welcher bei einem Einfalle der Türken mehrere Wiener Bürger durch ein Gnadenbild der Madonna, das ehedem an einem Baume aufgehängt war, und das sich gegenwärtig ebenfalls in der Kirche befindet, gewarnt worden sein sollen. Das Bild soll gerufen haben: „Hüet’s eng!“ (Hütet euch!) Es dürfte gerathen sein, dieser Ableitung nicht allzuviel Vertrauen zu schenken.

Dem Denkmal gegenüber, auf unserem Bilde jedoch nicht mehr ersichtlich, steht ein altberühmtes Wirthshaus „Dommager’s Casino“. Die Gartenconcerte daselbst locken immer ein sehr zahlreiches und elegantes Publicum aus Wien heraus. Die gut gepflegte Fahrstraße führt zunächst zu dem triumphbogenförmigen Portal, das der Leser auf dem Hintergrunde des Bildes noch ohne Mühe entdecken wird. Das ist der Zugang zu einem im großen Stile angelegten Belustigungsort, zu Schwender’s „Neue Welt“. An schönen Sommernachmittagen und Abenden giebt es da Militärmusik, Gesang, Theater, Seiltänzer, Gymnastiker, wohl auch Luftschiffer, und zum Schluß auch Feuerwerk, kurz Alles, was des Menschen Herz, und natürlich auch was sein Magen begehrt. Die „Neue Welt“ war ehemals ein herrschaftlicher Park, und sie gehört noch heute zu den schönsten und größten Parkanlagen in der Umgebung Wiens.

Daß nach den Ereignissen des Jahres 1866 der gewesene König von Hannover Hietzing zu seiner Residenz machte, ist allgemein bekannt. Die hannoversche Colonie hat sich hier sehr bald wohl und heimisch gefühlt. – Vor dem Portal zur „Neuen Welt “ theilt sich der Weg. Die eine Zinke der Wegegabel führt nach Lainz, Speising, Mauer, die andere nach Unter- und Ober-St. Veit, Haking etc. – durchwegs belebte Sommerfrischen.

Um nun nach Dornbach zu gelangen, müssen wir Tramway, Omnibus oder Fiaker benutzen; eine Eisenbahnverbindung steht uns hier nicht zu Gebote. Der Weg nach Dornbach führt durch Hernals, einen der volk- und industriereichsten Vororte von Wien. Allsonntäglich ergießt sich ein gewaltiger Menschenstrom nach Dornbach, der noch immer mächtig genug bleibt, auch nachdem er beträchtliche Menschenfluthen in Hernals zurückgelassen hat. In Hernals wird nämlich ein ganz besonderer Saft credenzt, der „höchste Heurige“, ein junger Wein von rebellischem, äußerst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_524.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)