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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Gegen Preß-, Hof- und Polizeiräthe kam Kempen siegreich auf; das Concordat war „ihm über“. Und eben, als die Geschichte „In Salamanca“ unter der Presse lag, um für die Buchform zurecht gemacht zu werden, war das Concordat zum Abschlusse gediehen. Die Polizei trug fortan die Kutte. Da erschien denn eines Tages das Verhängniß in Form einer Confiscation; die bereits fertigen Exemplare wurden beseitigt, die noch nicht vollendeten unter Siegel gelegt.

Und wieder setzte sich Nordmann zur Wehre. Aber diesmal bewilligte man ihm anstatt seines ganzen Rechtes nur einen Compromiß. Man löste die Amtssiegel und stellte ihm die ganze Auflage zur Verfügung, jedoch unter der Bedingung, daß die Geschichte unter einem anderen Titel und in einem ausländischen Verlage erscheine.

Das ist die Geschichte der „Frühlingsnächte in Salamanca“ von Johannes Nordmann.

Bücher haben ihre Schicksale, sagt ein altes Wort. Je nun, wenn in diesen Schicksalen nicht zugleich die Geschicke der Zeiten sich wiederspiegeln, so mag es zweifelhaft sein, ob es sich verlohne, sie zu registriren. Aber an diese „Frühlingsnächte in Salamanca“ knüpft sich ein ganzes Capitel aus der Geschichte der Polizei. Und deshalb hat Nordmann wohl daran gethan, in einem Vorberichte zu erzählen, wie es ihm mit dem Buche ergangen. Liest man sich dann in die Novelle hinein, so fragt man sich verwundert, was denn hier gegen den „christkatholischen Staat“ habe verstoßen können. Und man merkt kaum, daß man eigentlich eine alberne Frage aufgeworfen. Hätte Alban Stolz diese „Frühlingsnächte“ geschaffen, so wäre es auch der Wiener Polizei von Anno dazumal nicht eingefallen, ihn zu drangsaliren. Aber Nordmann hieß der Verbrecher, der nicht blos ein Demokrat, sondern auch an einem 13. März geboren war. Nicht sein Roman, er selbst sollte getroffen werden.

Leben wir nicht jetzt in idealen Zuständen? Es wäre undankbar, zu leugnen, daß in unseren Tagen selbst die Polizei liebenswürdiger, civilisirter geworden ist. Derselbe Johannes Nordmann, der unterdessen freilich ein Mann mit schlohweißem Barte wurde, dichtet ein großangelegtes Epos „Eine Römerfahrt“, in welchem der Kampf der Geister gegen das Papstthum gepriesen wird, ohne daß es einem Polizeirath einfallen darf, dasselbe mit seinem Amtsgrimme zu verfolgen. Das Concordat fordert keine Opfer mehr in Oesterreich; denn es hat längst aufgehört, zu bestehen. Weiß von Starkenfels lebt noch, wenn ich nicht irre; er würgt in seiner Linzer Dunkelheit den Groll über die Wandlung der Zeiten hinunter.

Nordmann gehört zu den populärsten Gestalten Wiens. Er hat nie seinen Nacken vor der Gewalt gebeugt, und stramm, knorrig, robust wie seine Gesinnung, ist auch seine Schreib- und Redeweise.

„Das Concordat,“ sagt er, „bei dessen Abschlusse Minister Bach die Hauptpathendienste verrichtete, was seinen Namen für alle Zeiten an die Colonna infamae nagelt, hat sich nach Kurzem als unbrauchbar für Oesterreich gezeigt und ist nachgerade beseitigt worden. Nun, mit dieser Beseitigung hat es freilich seine geweisten Wege; es hält noch manche Niete, an der ein Fetzen von diesem Nessushemde flattert, der als Reliquie von den Stierköpfigen hinter den Bergen und an den südöstlichen Reichsgrenzen, wo die Welt sozusagen mit Brettern vernagelt ist, inbrünstig verehrt wird.“

In diesen Worten steckt der ganze Mann, tapfer, deutsch und geradeaus wie er ist. Es lohnt sich, ihn kennen zu lernen.

Die Polizei freilich hat ihn stets gehaßt; sie thut es in ihrem Inneren vielleicht heute noch.

Wilhelm Goldbaum.




Blätter und Blüthen.


Eine Tanzpause. Wir wohnen vor unserer Abbildung (auf S. 440 und 441) einer Dorfkirchweihe im Schwarzwalde bei. Das sagt uns der bekränzte Tanzplatz, während die beiden Hauptfiguren in der Mitte desselben genügend andeuten, daß wir uns nicht auf einer Hochzeit befinden, denn auf einer solchen würde schwerlich der alte Clarinettist mit dem Zahlteller herumgehen und den jungen Burschen vor sich zum Hervorziehen seines Lederbeutelchens veranlassen. Dennoch scheint es, daß wir in dem Burschen mit der großen Halskrause einen Bräutigam zu sehen haben, der soeben mit seiner Braut anstößt; daß aber der junge Bursche sein Geld nicht finden kann, mag wohl in dem Umstand liegen, daß es in dem Rock steckt, den der Junge ihm sammt dem Hut während des Tanzes gehalten hat und noch hält. Trefflich hat der Düsseldorfer C. M. Seyppel in seinem lebensvollen Bilde dafür gesorgt, daß jede einzelne Gestalt desselben sich selbst erklärt, Männlein und Weiblein, Alt und Jung, von der dienenden Magd, welche in Ermangelung eines Seihers den Trichter zum Staublöschen und Anfeuchten des Tanzbodens benutzt, bis zu den hochthronenden Musikanten und zu den Gruppen an den Zechtischen im offenen Vorder- wie im lauschigen Hintergrunde. Man läßt den Blick gern auf so vielen hoffnungsfrohen Gesichtern ruhen und möchte ihnen allen zurufen:

Die Freude macht gut; die Liebe macht stark –
So freue Dich, Volk, mit gesundem Mark!
Sei frisch im Schaffen und frisch im Scherzen,
So lange das Herz noch kräftig schlägt!
Wenn ein Sturm einst über die Tennen fegt,
Seid ihr auch Manns, es zu verschmerzen.




Zur Hebung der deutschen Interessen in Amerika hat sich ein neuer Verein gegründet, auf dessen dankenswerthe Ziele wir nicht unterlassen wollen, ehrend hinzuweisen. In Folge eines Ausrufs, der vom bisherigen „Deutschen Hülfs-Comité für die Nothleidenden in Thüringen und Schlesien in Pittsburg“ (Pennsylvanien in Nordamerika) ausging, hat sich in der genannten Stadt eine Gesellschaft zur Unterstützung bedürftiger deutscher Einwanderer gebildet. Der Verein nennt sich „Deutsche Gesellschaft in Pittsburg“ und hat ein Local eröffnet, in welchem durch angestellte Beamte deutschen Einwanderern und deren Angehörigen unentgeltlich Rath und Auskunft ertheilt, Hülfsbedürftigen Unterstützung verabreicht und Arbeitsuchenden Arbeit nachgewiesen werden soll.

Im Hinblick auf die starke Einwanderung aus Deutschland und die traurige Wahrnehmung, daß viele deutsche Einwanderer gänzlich mittellos den amerikanischen Boden betreten oder bei ihrer Ankunft durch unglückliche Zufälle oder professionelle Schwindler und Diebe ihrer letzten Habe beraubt und der größten Noth preisgegeben werden, muß die Neugründung solcher Vereine in Amerika, deren es in New-York und anderen Städten bereits mehrere giebt, auf's Freudigste begrüßt werden, dies um so mehr, als weder die amtliche Armenpflege, noch die Polizeiverwaltung im Stande ist, solche Noth in allen Fällen zu lindern und durch die nöthige Auskunft den mit den Verhältnissen unbekannten Neueingewanderten den rechten Weg zur Erreichung eines Unterkommens zu zeigen.

Die kolossale Zufuhr neuer Kräfte kann nicht verfehlen, auf den amerikanischen Arbeitsmarkt eine lähmende Einwirkung zu üben. Der Neueingewanderte kennt die Verhältnisse nicht und muß für das arbeiten, was man ihm eben giebt, und – man giebt ihm natürlich wenig.

„Nun liegt es nicht in unserer Macht,“ heißt es in dem Pittsburger Bericht über diese neu gegründete Gesellschaft, „den Strom der Einwanderung zurückzuhalten. Das wollen wir auch nicht – im Gegentheil, der biedere Landsmann ist uns willkommen. Er hat nicht allein ebenso gut wie wir das Recht, sich in Amerika anzusiedeln, sondern seine Ankunft trägt sogar zum allgemeinen Wohlstand des Landes bei.

Aber das können wir thun, daß wir den Strom gewissermaßen reguliren und dahin leiten, wohin er gehört. Es liegt in unserer Macht, bis zu einem gewissen Grade zu verhüten, daß der hiesige Arbeitsmarkt überfüllt wird, indem Hunderte von kräftigen Männern, welche vielleicht gar keine Absicht hatten, sich hier niederzulassen, dennoch sitzen bleiben, einfach weil ihnen die Mittel zur Weiterreise fehlen. Mancher deutsche Bauernbursche würde viel lieber weiter gehen auf's Land, oder nach den Agriculturstaaten im Westen, wenn er nur könnte; statt dessen bleibt er hier und muß, vielleicht ganz gegen seinen Willen, in Eisenwerken, Kohlengruben u. dergl. Arbeit nehmen.“

Den in dem Pittsburger Bericht geschilderten Zuständen gegenüber leuchtet die große Nützlichkeit solcher Vereine zur Unterstützung von Auswanderern ein, und wir können einerseits nur der ferneren Bildung derselben kräftig das Wort reden, andererseits aber auch alle unsere Landsleute jenseits des Oceans und solche, welche sich dahin zu begeben gedenken, falls sie in die Lage kommen sollten, Hülfe zu bedürfen, an diese Institute echter Menschenliebe verweisen.




Die Wolkenbruch-Verheerungen in der Oberlausitz, durch welche, nach neuesten Berichten, dreiundsechszig Menschen das Leben verloren haben, rufen allerorts auch außerhalb Sachsens die werkthätige Theilnahme wach. Wir bitten auch unsere Freunde, den öffentlich bekannt gemachten Sammelstellen der Hülfscomités ihre Scherflein zugehen zu lassen. Bei dem Unglücke der Zwickauer Bergleute hat die Erfahrung den sonst geläufigen Satz umgestoßen, daß heimische Noth weniger Beachtung finde, als fremde. Möge die neue Erfahrung sich auch den armen Lausitzern gegenüber glänzend bewähren! Einen zuverlässigen und erschöpfenden Bericht über das schreckliche Naturereigniß hoffen wir unsern Lesern in der nächsten Nummer mittheilen zu können.




Kleiner Briefkasten.

E. R. in Z. Ein Portrait Karl Friedrich Lessing's, des vor einer Woche in Düsseldorf verstorbenen großen Historien- und Landschaftsmalers, haben wir unseren Lesern bereits in Nr. 7 des Jahrganges 1878 geboten.

Frf. Sch. Mittel gegen das Ergrauen der Haare giebt es nicht.

Alter Abonnent in T. bei Leipzig. Wir bitten um Ihre Adresse, da wir mit unsern Lesern in Privatangelegenheiten nur brieflich verkehren.

A. K. Es liegt leider außerhalb des Bereiches unserer Macht, Ihrem Wunsche zu entsprechen.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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