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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

putzen und reinigen vom Staub. Aber nun müssen Sie mir auch sagen, wie Ihr geschätzter Name ist, damit ich doch weiß, wem ich hab' zu verdanken meine Seelenruhe.“

Die junge Dame zog lächelnd eine Karte aus der Tasche, schrieb einige Worte mit Bleistift darauf und legte sie auf den Tisch. Dann folgte sie grüßend ihrer vorangegangenen Schwester.

Ich wußte es längst, wer die beiden Genien waren, und schlich in gehobenster Stimmung zur Thür, um die freie Gottesluft einathmen zu können und die erhabenen Eindrücke der letzten halben Stunde nicht durch drückende Umgebung zu schädigen.

Eben im Hinausgehen hörte ich noch, wie Isidor seinem neugierig herangeschlichenen Bruder vorlas: „Teresa und Maria Milanollo“.[1]




König Friedrich Wilhelm der Erste und die Akademie der Wissenschaften in Berlin.

Von O. Mohnike.

Ein Jahr bevor sich der Kurfürst von Brandenburg und souveräne Herzog von Preußen, Friedrich der Dritte, die Krone aufgesetzt hat, um als Friedrich der Erste die glorreiche Reihe der Könige von Preußen in die Weltgeschichte einzuführen, im Jahre 1700, war von ihm die Akademie der Wissenschaften in Berlin gestiftet worden. Die erste Veranlassung hierzu ging von der geistreichen und hochgebildeten Kurfürstin Sophie Charlotte, einer hannöverschen Prinzessin, und ihrem berühmten Freunde Leibniz aus.

Kurfürst Friedrich war um so eher geneigt, den Wünschen seiner hochgesinnten Gemahlin zu entsprechen, als er selbst für Kunst und Wissenschaft Interesse fühlte und auch der Gedanke sich ihm aufdrängen mußte, daß die Gründung eines gelehrten Instituts, wie die von Ludwig dem Vierzehnten, auf Anrathen von Colbert, 1666 in das Leben gerufene Pariser Akademie der Wissenschaften, seinen Ruhm und sein Ansehen nur vermehren könne. Wie der König von Frankreich, dessen Prunksucht und Prachtliebe er theilte, glaubte auch Friedrich, daß der Königsthron, den zu gründen er beabsichtigte, noch glänzender dastehen würde, wenn die von ihm sich verbreitenden Strahlen auch das Gebiet des höheren geistigen Strebens erwärmten und befruchteten.

Mit der Abfassung der Statuten für die neugestiftete Akademie in Berlin wurde Leibniz beauftragt, indem er gleichzeitig zum ersten Präsidenten ernannt ward. Durch die Wahl dieses gründlichsten und vielseitigsten Gelehrten seiner Zeit, eines der scharfsinnigsten Denker aller Jahrhunderte, erhob der Kurfürst die Berliner Akademie gleich von vorn herein zu hohem Ansehen.

Die Akademie der Wissenschaften in Berlin hielt aber erst am 19. Januar 1711 ihre erste feierliche Sitzung unter dem Namen „Societas Berolinensis scientiarum“, nachdem sie den ersten, mehrere Abhandlungen von Leibniz enthaltenden Theil ihrer Denkschriften schon 1710 hatte erscheinen lassen.

König Friedrich der Erste starb am 25. Februar 1713 und ihm folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm der Erste.

Mit einer eisernen Willenskraft, einem hellen, durchdringenden Verstande, praktischer Lebensklugheit, einem bedeutenden politischen Scharfblicke, großer Arbeitslust und Arbeitskraft, mit Sinn für Ordnung und einem seltenen Talent für Organisation und Verwaltung begabt, haßte er, wie sehr er auch von dem Bewußtsein seiner Machtvollkommenheit als unumschränkter Alleinherrscher durchdrungen war, nichts so sehr, wie die Entfaltung des Prunkes und der Pracht, welche Friedrich der Erste von der königlichen Würde untrennbar gehalten hatte. Friedrich Wilhelm war in hohem Grade sparsam; nur für die Vermehrung des Heeres, namentlich seiner Potsdamer Riesengarde, sowie für nützliche Verbesserungen in seinem Lande scheute er keine Ausgaben.

Seiner inneren Anlage nach durchaus nüchtern und realistisch gesinnt, fand er in den Bestrebungen der Kunst und Wissenschaft nur alsdann einigen Werth, wenn sie praktisch in das Leben eingriffen und für den Einzelnen wie für die Allgemeinheit einen unmittelbaren, handgreiflichen Nutzen versprachen. Für die Wissenschaft an und für sich hatte er kein Verständniß, und sie war für ihn so gut wie gar nicht da. Die Pfleger derselben verspottete er, und das Schreiben gelehrter wissenschaftlicher Werke erschien ihm als die unnützeste Beschäftigung.

Am meisten Widerwillen flößte ihm die Philosophie ein, da er in ihr bloß die Gegnerin der unduldsamen pietistischen Frömmigkeit erkannte, die, zu jener Zeit hauptsächlich von Halle ausgehend, auch ihn umfangen hielt. Von nichts hatte er so wenig Begriff, wie von dem Werthe einer harmonischen, zugleich wissenschaftlichen und ästhetischen Erziehung der Jugend. Er war nämlich fest davon überzeugt, daß eine solche nur auf Unkosten der kirchlichen Frömmigkeit, des sittlichen Gehaltes und der Tüchtigkeit des Charakters erreicht werden könne.

In dieser tief bei ihm eingewurzelten, zur Ueberzeugung gewordenen Denkweise, zu der noch eine gewisse Derbheit des Gefühls und der Sitten, sowie eine heftige, jähzornige, sich nicht selten bis zu stürmischen Ausbrüchen steigernde Gemüthsart kam, findet eine Anzahl von vielfach hart getadelten Handlungen dieses Fürsten ihre Erklärung. Ein Beispiel hiervon liefert das Verfahren des Königs gegen den berühmten Philosophen und Mathematiker Christian Wolf.

Wolf, einer der größten Gelehrten seiner Zeit, damals Professor an der Universität zu Halle, hatte im Jahre 1723 eine lateinische Rede über die Moralphilosophie von Confucius gehalten und den Beweis zu führen gesucht, daß auch außerhalb des Christenthums hohe menschliche Tugenden bestehen könnten. Hierfür aber klagte ihn die theologische Facultät zu Halle als Irrlehrer und Verächter des Christenthums unmittelbar bei dem Könige an. Dieser entsetzte, durch Cabinetsbeschluß vom 15. November desselben Jahres, Wolf nicht nur seines Amtes, sondern befahl ihm auch, binnen vierundzwanzig Stunden Halle und innerhalb zwei Tagen die Monarchie zu verlassen, widrigenfalls er an den Galgen gehängt werden solle. Wolf verließ Preußen und fand an der Universität zu Marburg eine neue Anstellung, wurde aber von Friedrich dem Großen 1740, unmittelbar nach dessen Thronbesteigung, als Professor des Natur- und Völkerrechts nach Halle zurückberufen, später auch zum Geheimrath, zum Vicekanzler und endlich zum Kanzler der Universität und zum Freiherrn ernannt.

Auch die erste und Hauptursache des so tief gehenden, weltgeschichtlich gewordenen Zwiespaltes zwischen dem Könige und dem Kronprinzen hatte in den einseitigen Ideen ihren Grund, welche bei Friedrich Wilhelm hinsichtlich der Erziehung und Geistesbildung der Jugend bestanden. Der König erkannte weder die reichen, sich schon frühzeitig entwickelten Anlagen seines Sohnes, noch wußte er sie im mindesten zu schätzen. Hiervon kann man sich durch einen Blick in die noch vorhandene „Instruction und Bestallung“ vom 13. August 1718 für den Grafen von Finkenstein und den Obersten von Kalkreuth, denen der König die Erziehung seines Sohnes anvertraute, ohne Mühe überzeugen. Dieses von Preuß mitgetheilte Actenstück befiehlt unter Andrem, daß die lateinische Sprache von dem Unterrichte ganz ausgeschlossen bleiben und die alte Geschichte „nur überhin“ gelehrt werden solle. In Folge dessen hat Friedrich der Große die classischen Schriftsteller des Alterthums allein aus mittelmäßigen französischen Uebersetzungen kennen gelernt. Hierüber hat er selbst mehr als einmal, nicht ohne Bitterkeit, sein inniges Bedauern ausgesprochen. Schon im Frühjahr 1727, als der Kronprinz eben das 15. Lebensjahr erreicht hatte, hörte aller Unterricht für denselben auf, weil der König der Ansicht war, daß sein Sohn mehr als genug gelernt habe.

In der Einrichtung der Akademie der Wissenschaften in Berlin sah Friedrich Wilhelm der Erste nichts als einen der vielen mit Geldausgaben verbundenen, durchaus unnützen und entbehrlichen Gegenstände des Prunkes, mit denen sein Vater den Thron

  1. Die beiden berühmten Violinvirtuosinnen, an welche die vorstehende Skizze erinnert, waren Töchter eines Malers Josef Milanollo in Savigliano bei Turin; Teresa, geboren 1829 verheiratete sich 1857 in Toulouse mit einem Geniecapitain Parmentier, Maria, geboren 1832, starb 1848 zu Paris. In den Jahren 1842 bis 1843 machte das jugendliche Schwesternpaar eine Kunstreise durch Deutschland.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_016.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2021)