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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Conrad Eckhof.
Nach A. Graff’schem Original auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

auf der Bühne Ausdruck zu geben, Natur an die Stelle der Unnatur zu setzen. Entschlossen folgte er seinem Genius.

In Schwerin machte er die Bekanntschaft des Schauspielers Johann Friedrich Schönemann aus Hannover, eines tüchtigen Darstellers, der früher der Neuber’schen Truppe angehört hatte und jetzt selbst als „Principal“ eine Gesellschaft bildete. Mit viel Glück und Umsicht wußte Schönemann eine Anzahl talentvoller Schauspieler und Schauspielerinnen , wie z. B. Conrad Uckermann, Frau Schröder, nachher Uckermann, Frau Spiegelberg (die ehemals selbst Principalin gewesen) und deren Tochter, Uhlich und Demoiselle Rudolphi, um sich zu vereinen, die vorzüglichste Kraft aber, die er gewann, war Eckhof. Am 14. Januar 1740 eröffnete Schönemann sein Theater in Lüneburg mit dem Witter’schen „Mithridates“, und der neunzehnjährige Eckhof debütirte. Er blieb bei dieser Gesellschaft viele Jahre und theilte ihre Wanderungen nach Leipzig, Göttingen, Halle, Magdeburg, Schwerin, Hamburg etc., ihre Kreuz- und Querzüge durch Deutschland.

Mit eisernem Fleiße vervollständigte er seine Kenntnisse, seine Bildung; mit unermüdlich eifrigem Studium strebte er in seiner Kunst vorwärts. Für sein Künstlerideal unter den damaligen Schauspielern ohne Vorbild, mußte er Alles durch und aus sich selbst werden. So wurden seine Leistungen – die größten wie die kleinsten – im eigentlichen Sinne Schöpfungen, voll Originalität und Naturwahrheit. Er spielte tragische wie komische Rollen, und mit seinem Talente, gleich beim ersten Anblicke den wahren Charakter einer Rolle ganz und bis auf die feinsten Züge zu durchdringen, mit seiner genauen Kenntniß des menschlichen Herzens, seiner tiefen Einsicht in die Natur des Menschen, seiner Bekanntschaft mit den Sitten der verschiedenen Stände und seinem richtigen Geschmacke und Tacte wußte er jede Rolle charakteristisch, doch ohne Uebertreibung, treu, natürlich und wahr zu gestalten.

Die Natur hatte ihm keine vortheilhafte Gestalt auf den Lebensweg mitgegeben. Seine fast kleine Figur, die hohen Schultern, die dicken Knöchel, die einwärts gekehrten Füße, die anstoßende Zunge und der Mangel eines treuen Gedächtnisses schienen für seine Kunst unüberwindliche Hindernisse, aber sein Genie ließ ihn auf der Bühne alle diese Hindernisse überwinden und seine körperliche Bildung im Charakter jeder einzelnen Rolle bis zur Unkenntlichkeit umschaffen. Er, der außer dem Theater fast nachlässig einherging, erschien auf der Bühne in unübertrefflicher edler Haltung und von imposanter Gestalt. Sein blaues Auge war nicht groß, aber weit hinaus glänzend und des heftigsten wie des sanftesten Ausdrucks durchaus Meister. Sein Organ hat an donnernder Macht, an Zartheit und Wohllaut bis zu den Zeiten Iffland’s, wie dieser bezeugt, seines Gleichen auf der deutschen Bühne nicht wieder gefunden; die Gewalt und Harmonie desselben setzte in Erstaunen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_391.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)