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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Zwei meiner Söhne werden in der Familie des Sultans Abdul Hamid erzogen. Ich habe gekämpft in Arabien, Bosnien und der Herzegowina. Ich wurde zum Range eines Muschirs erhoben in Folge der Niederlage, welche ich den Serben bei Zafcar beibrachte. Da haben Sie meine Biographie.“

Die Frage, ob die Türken bei Plewna ebenso tapfer gekämpft, wie die Russen, beantwortete Osman Pascha folgendermaßen: „Sie stellen mir eine so kitzlige Frage, daß sie wohl kein Feldherr offen beantworten würde. Ihre Armee war eine frische, die meine – wollen wir gerecht sein – bestand aus Reservisten. Dafür verhielten wir uns aber defensiv, während die Russen offen vorgehen mußten. Unsere Lage war daher eine bessere. Kaum hatten wir Plewna betreten, als wir am andern Tage einen Angriff des Generals Schilder-Schuldner aushalten mußten. An diesem Tage kämpften die Russen wie Helden. Als die Russen fort waren, machten wir uns daran, uns zu verschanzen, und waren nicht so einfältig, uns von den Russen unter General Krüdener aus diesen Positionen vertreiben zu lassen. Allerdings nahm uns Skobeleff zwei Redouten ab. Da dieselben jedoch für uns unbedingt nothwendig waren, so eroberten wir sie wieder zurück und nannten sie bis zur Capitulation die ‚wiedereroberten Redouten‘, obwohl sie eigentlich die ‚Redouten des Gebets‘ heißen. Als uns die Redoute von Grivica abgenommen wurde, bedauerten wir diesen Verlust nicht besonders, da sich neben derselben eine andere, unbezwingliche Redoute erhob. Die Besetzung der Grünen Berge durch General Skobeleff war für uns eher vortheilhaft als nachtheilig, da die dort befindlichen Tranchéen für uns so schwer zu vertheidigen waren, daß wir dieselben ohne Widerstand aufgaben. Dort befanden sich etwa dreihundert Mann. Der tapfere General Skobeleff beunruhigte uns in jeder Nacht, ließ uns nicht ordentlich schlafen und machte beständig Ausfälle. Mit der Uebergabe dieser Redouten beruhigten wir ihn. Wir wünschten, daß die Russen noch einen Sturm unternehmen sollten. Wohlweislich thaten sie dies aber nicht und nöthigten uns in Folge Mangels an Lebensmitteln zu capituliren. Ich bemerke hierbei, daß die russischen Gefangenen in dieser Zeit keinen Mangel zu leiden hatten. Ich halte es für eine angenehme Pflicht, hier das Lob zu wiederholen, welches damals von Seiner Majestät, Seiner kaiserlichen Hoheit dem Obercommandirenden und allen russischen Befehlshabern sowohl mir wie meinen Truppen gespendet wurde, als wir durchbrechen wollten.“

So weit der „Golos“, dem wir selbstverständlich die Verantwortlichkeit für die Wahrheit seiner Erzählung überlassen müssen. Neuesten Nachrichten zufolge ist dem Pascha die Freiheit geschenkt und die Rückkehr nach Constantinopel gestattet, wo er am 23. März ankommen und sofort mit dem Commando der bosnischen Armee betraut werden soll.




Dr. Airy’s Naturheilmethode. Haben sich unsere Leser schon einmal überlegt, was unter diesem Prachtworte zu verstehen ist? Wohl nicht! Sonst würde nicht eine so große Anzahl von Gläubigen, nur durch die Reclame bewogen, diesem Schwindel zum Opfer fallen. Ein naturgemäßes Heilverfahren soll den Weg, welchen die Natur bei der Heilung der Krankheiten einschlägt, genau nachahmen. Nun ist aber die Natur nur in den seltensten Fällen so gütig, vorzüglich bei der Schwäche der jetzigen Generationen, selbst eine Krankheit zu einem glücklichen Ausgange zu führen; sie muß, und manchmal recht energisch, von Menschenseite unterstützt werden. Die Bekämpfung einer Erkrankung geschieht auf doppelte Weise. Erstens sucht man die Ursache zu entfernen, bringt z. B. bei Kinderdiarrhöen die in Gährung geratenen Massen vor Allem aus dem Darme heraus, weil sonst die frisch genossenen Speisen gleichfalls sofort in Fäulniß übergehen, zweitens sind die Symptome der Krankheit, hier also Schmerz, öftere dünne Ausleerungen, Fieber etc., zu beseitigen. Der Grundpfeiler einer derartigen vernunftgemäßen Behandlung ist aber selbstverständlich die richtige Erkennung des Uebels. Jeder, der es wagt, ohne eine genaue Kenntniß des gesunden und kranken Baues und Lebens des menschlichen Körpers selbst durch die scheinbar unschuldigsten Mittelchen in den verwickelten Organismus handelnd einzugreifen, ist ein Frevler, der allein von maßlosem Ehrgeize und Selbstüberschätzung, oder öfter noch von schnöder Gewinnsucht geleitet wird. -

Schon bei Ueberlesung des Titels der Airy’schen Broschüre tritt klar zu Tage, daß ihr nichts, als die erbärmlichste Geldschneiderei zu Grunde liegt. „Anleitung zu sicherer und schneller Heilung der am meisten vorkommenden Krankheiten des Menschen durch einfache und bewährte Mittel; Schwindsucht, Krebs, Cholera, Bruchübel, Blattern etc.“ - Betrachten wir nun diese Mittel nach der Analyse von Dr. Hager. In denselben sind hauptsächlich enthalten:

1) Pain-Expeller. Spanische Pfeffertinctur 35 Theile, verdünnter Spiritus 20 Theile (wohl Kampherspiritus, Dr. –a–), Salmiakgeist 20 Theile. Durch Hinzufügung von einem Farbstoff und ätherischer Oele kann Geruch und Farbe beliebig verändert werden. Preis 1 Mark 80 Pfennig. Werth 30 Pfennig.
2) Sarsaparillian. Eine braune, klare Flüssigkeit von süßlichem Geschmack; ein mit etwas Weingeist und Honig versetzter 1 Procent Jodkalium enthaltender Auszug aus Sarsaparilla und Chinawurzel. Kostet 4 Mark 50 Pfennig!! Wirklicher Werth 60 Pfennig.
3) Airy’sche Pillen bestehen aus: Eisenpulver, Jalapenharz, Jalapenpulver, Althäpulver und irgend einem bitteren Extract. Eine Schachtel mit 60 Pillen kostet 1 Mark. Wirklicher Werth 25 Pfennig.

Und diese Stoffe sollen Krebs heilen, Brüche zurückbringen und den Schwindsüchtigen von seinen Leiden befreien? Befreien allerdings, aber in entgegengesetzter Richtung als gesagt. Während der Sarsaparillian wenigstens gar keine Wirkung ausübt, können die beiden anderen Medicamente dem Leidenden großen Schaden zufügen.

Aeußerlich wirkt Pain-Expeller hautreizend, innerlich dagegen sind, vorzüglich bei schwachem Magen, heftige Katarrhe eine häufige Folge; größere Dosen, von dreißig bis vierzig Tropfen an, müssen durch den Ammoniakgehalt bedenkliche Erscheinungen des Nervensystems, sogar Krämpfe hervorrufen. Also ein nichts weniger als unschädliches Präparat. Die Pillen enthalten Abführstoffe, welche bei gereizter Darmschleimhaut streng zu vermeiden sind, abgesehen davon, daß sie durch zu starke Entleerungen bei erschöpfenden Krankheiten, wie gerade Krebs, dem Kranken die letzte Widerstandsfähigkeit rauben. Dieser körperlichen Schädigung vollständig gleich steht der nachtheilige moralische Einfluß. Es liegt etwas Verlockendes in dem Gedanken sich selbst zu helfen, man versucht wenigstens, ob die Versprechungen wahr sind, und - verpaßt den rechten Zeitpunkt, wo schnelles Einschreiten nothwendig war. Freilich gesteht nur in den seltensten Fällen der Patient dem Arzte, wie er noch zum Schluß seine Gesundheit gänzlich zerstörte. Möge daher endlich die Erlösungsstunde schlagen, in welcher das Reichsgesundheitsamt diesem verderblichen Treiben der Pfuscher und dem Geheimmittelschwindel eine feste Schranke entgegensetzt!

Dr. -a-




Ein Sohn Thüringens. Wieder hat das sang- und klangreiche Thüringerland einen Dichter hervorgebracht, der nach seinen bisherigen Leistungen zu einer bedeutenden Stellung in der modernen Literatur bestimmt scheint. Rudolf Baumbach ist 1842 als Sohn eines Arztes in Meiningen geboren, studirte in Jena, Leipzig und Heidelberg Medicin und Naturwissenschaften und ist jetzt Lehrer an einer Akademie in Triest. Schon frühzeitig regte sich sein poetisches Talent, und seine Commilitonen in Leipzig wissen davon zu erzählen. Vor zehn Jahren, als ich eine Badecur in Kösen gebrauchen wollte, sandte er mir zur Freude eine epische Dichtung aus dem Saalthal und von der „Rudelsburg Samiel hilf!“. Ich war überrascht von den poetischen Schönheiten derselben, wie von dem sprudelnden Humor, der die Dichtung durchweht, und gab sie ohne Baumbach’s Wissen zum Druck. Sie hat zahllose Besucher Thüringens und der Rudelsburg seitdem erfreut. Baumbach, der viele und große Reisen in Italien, Montenegro, im Orient etc. gemacht hat, ist ein flüchtiges Mitglied des Alpenclubs, und seine Dichtungen der letzten Jahre galten meist diesem. In drei Heften liegen die frischen, humorreichen Blüthen des Gebirges in „Enzian, ein Gaudeamus für Bergsteiger“ (Leipzig, Liebeskind) vor. Ebendaselbst sind jetzt „Lieder eines fahrenden Gesellen“ erschienen, die von allen Seiten mit Freude und Anerkennung begrüßt worden sind. Selbst der kritische Paul Lindau rief dem jungen Dichter ein freudiges Willkommen! zu. Das werthvollste Werk Baumbach’s ist aber sein „Zlatorog“, eine slovenische Alpensage. Hier vereinigen sich Schönheit und Knappheit des poetischen Gedankens mit musterhafter Form zu einem echten Meisterwerke, dem volle Anerkennung gebührt.




Titulaturen. Wäre es nach dem Ableben von Pius dem Neunten nicht an der Zeit, wie mit dem ungebührlichen höchstens spottweise möglichen Titel „Heiligkeit“, so mit gar manchen anderen unzulässigen Bezeichnungen gründlich aufzuräumen, wenigstens im Bereiche deutscher Zunge und vorschriftsmäßiger Ausdrucksweise? Wie ein sich seiner Menschenwürde bewußter Sterblicher nicht häufig genug, in Wort oder Schrift, mit „gnädiger Herr“, „gnädige Frau“, „gnädiges Fräulein“ um sich werfen kann, ist schlechterdings unerfindlich, fast noch mehr aber, wie gewöhnliche Erdensöhne und Erdentöchter diese Erhebung über ihres Gleichen leiden mögen. Das Wort „gnädig“ bedeutet ja doch, daß der, dem solche Eigenschaft zukommt, mit Wohlgefallen und segnend aus einer höheren Wesenssphäre in eine niedrigere herabzusteigen pflegt, durchaus nicht etwa, daß einer dann und wann, wie Fürsten, Gnade für Recht ergehen läßt. Jenes unbegreifliche Nichtachten des wahren Verhältnisses und des sprachlichen Rechtes hat gewaltig überhand genommen, gewiß nicht zur Ehre des deutschen Volkes. Wie mag man z. B. „hochverehrt“ sagen, wo selbst das einfache „verehrt“ schon zu viel ist, wie „in Ehrfurcht ersterben“ vor einem Menschen! Hören wir doch einmal auf, uns in so muthwilliger oder aufgedrängter Weise selbst zu erniedrigen!

W. F.




Erklärung. Gegenüber der Behauptung der „Kölnischen Zeitung“, daß der in diesem Blatte unter dem Titel „Die Jungfernrede des deutschen Kronprinzen“ mitgeteilte Vorgang „erfunden“ sei, bin ich genöthigt zu erklären, daß nach den besten Informationen, die keinen Zweifel aufkommen lassen, die Sache sich genau oder doch zum mindesten mit großer Ähnlichkeit so zugetragen hat, wie sie beschrieben worden ist, wenn auch eine Verwechselung des Isabellensaales mit einem anderen im Gürzenich vorgekommen sein sollte.

Der Verfasser von „Die Jungfernrede des
deutschen Kronprinzen“.[1]


  1. Wir haben hierzu nur zu bemerken, daß der oben erwähnte kleine Artikel uns von dem Herrn Verfasser, Redacteur einer angesehenen rheinischen Zeitung, mit der ausdrücklichen Versicherung zugegangen: „Für die Richtigkeit und Wahrheit des Erzählten verbürge ich mich“, und daß wir somit kein Bedenken tragen konnten, denselben zu acceptiren. Diejenigen Blätter, welche das Dementi der „Kölnischen Zeitung“ nachgedruckt, bitten wir, auch von dieser Erklärung freundlichst Notiz zu nehmen.
    Die Red.




Kleiner Briefkasten.

B. S-ch. in Kiel und R. in Rom. Nicht geeignet! Das Manuscript steht zu Ihrer Verfügung.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_206.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)