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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


in die Quellbottiche ablaufen. Vom Dampf herbeigeholtes Radbusawasser quellt das Korn auf und bereitet es, wie der Regen auf dem Felde, zum Keimen vor. Ist das geschehen, so öffnen sich die Zapfen und die jetzt sehr dickbäuchig gewordene Gerste rutscht abermals abwärts nach unterirdischen Räumen, die jedoch eher an versunkene Rittersäle denn an Kellereien erinnern. Die Wölbungen sind auf schlanke Säulen gestützt und der Fußboden ist mit geschliffenen Kehlheimer Platten belegt. Geübte Hände breiten hier die Körnermassen nur durch den Wurf der Schaufel so gleichmäßig aus, daß sie wie hingelegte Teppiche erscheinen. Das Korn erholt sich wieder von seinem kalten Bade, durch das Zusammenliegen entsteht Wärme und bald schickt es sich an, wie auf dem Acker draußen Wurzelkeime zu treiben. Doch man unterbricht den Proceß, sobald der Blattkeim vom Wurzelstock aus Dreifünftel der Kornlänge erreicht hat, denn das ist das sicherste Zeichen, daß sich der gewünschte Vorgang erfüllt hat. Gewisse Eiweißstoffe verwandeln sich nämlich in Diastase (ein chemischer Sammelbegriff) und das wieder ermöglicht die spätere Verwandlung des Stärkemehls in Zuckerstoff. Die Menschenhand hat hier durch gute Ventilation und durch äußerste Sorgfalt im Wenden der Körner nur für eine ganz gleichmäßige Entwickelung der Keime zu sorgen; im Uebrigen thut sich die Sache von selbst. Jetzt holt ein Fahrstuhl die süß gewordenen Körner, nun Malz genannt, in die Darren. In diese dunklen Gewölbe mündet fortwährend durch einen feinen Drahtboden ein Luftstrom ein von achtunddreißig bis vierzig Grad Réaumur, man verdampft die Feuchtigkeit aus den Malzmassen und eine gelinde Röstung ist das Endresultat.

Der Grad des Darrens bedingt die Farbe des Bieres; viele Brauereien setzen noch extra gedarrtes scharfes Farbmalz hinzu, warum, ist freilich nicht einzusehen, die dunkle Farbe begünstigt unstreitig das Fälschen in obscuren Wirthshauskellern, denn wohl auch hier geschehen heimtückische Attaquen auf die unglücklichen Gehirnnerven der Menschheit. Wenn die Putzmaschine die sogenannte Malzblüthe, d. h. die Wurzelkeime abgestreift, nimmt ein Schneckenwerk sich abermals der Körner an und bringt sie auf die Schrotmühle, wo sie zermalmt werden, damit sich der Gehalt für den Sudproceß bloßlegt. Hiermit ist das Mälzen vollendet und der Dampf fördert das Malz über nach den ungeheuren Küchen, Sudhäuser genannt. Zunächst geht der Schrot nach einem Vormaischer, ein ringsum verschlossenes eisernes Gefäß, das ihn in angefeuchtetem Zustand in die offenen Maischbottiche abgiebt. Man verhütet damit eine Verstäubung der mehligen Stoffe. Das Maischen, jedenfalls von Mischen hergeleitet, ist nichts als eine Vermengung des Malzes mit heißem Wasser. Die dickflüssige Masse wird übergeführt nach der Maischpfanne, und man setzt den Proceß fort durch ein allmähliches Kochen – ein rotirendes Kettenwerk auf dem Grunde dieses Gefäßes sorgt dafür, daß an den Feuerflächen nichts anbrenne, und wirbelt nebenbei die sinkenden Stoffe nach aufwärts.

Wir übergehen die nochmalige Zurückführung nach dem Maischbottich; es brächte nichts Neues; auch eine Treberaufhackmaschine, die innerhalb eines Bottiches und inmitten eines feinzertheilten kochenden Wasserstromes arbeitet, ist bei ihrer complicirten Construction des Raumes wegen nicht gut zu beschreiben, sie vermittelt die äußerste Verwerthung des Malzes. Der verlorene Sohn würde sich heut kaum noch von den Trebern moderner Brauereien ernähren können. Die Centrifugalpumpen schlürfen auf's Neue die heißen Wogen aus dem Läuterbottich auf und bringen sie in die Würzpfannen. Man setzt hier das Gewürz, den Hopfen zu und wir stehen damit auf dem Gipfel des Brauverfahrens.

Ein zweistündiger intensiver Kochproceß entnimmt dem Hopfen das ätherische Oel, den Bitterstoff und das Hopfenharz, und dann treibt der Dampf die dicke Flüssigkeit auf die Kühlschiffe, schmiedeeiserne Kästen, die in großen luftigen Häusern aufgestellt sind. Hier setzen sich die festen Stoffe zu Boden und das junge Bier klärt sich etwas und kühlt aus. Ist die Witterung dem nicht günstig, so müssen Eiswasserapparate nachhelfen, Röhrenwerke, in denen sich Bier und Eiswasser, selbstverständlich getrennt, entgegenströmen. Sechshundert Stück riesengroße Gährbottiche stehen in den Gährkellereien bereit, die abgekühlten Fluthen aufzunehmen; man setzt hier von einem Gebräu zum andern verpflanzte Hefe zu, und diese veranlaßt die Gährung, welche wieder den Zuckergehalt zum guten Theil in Alkohol und Kohlensäure verwandelt. Ist die Hefe ganz oder zum Theil ausgestoßen, je nachdem es Lager- oder Schankbier werden soll, so leitet der natürliche Fall den Bierbach abwärts nach den sehr tief im Schooß der Erde liegenden Lagerkellereien, die wir schon aus früheren Erwähnungen kennen. Sind die Dickbäuche einer Kellerabtheilung verfüllt, so wird das Bier eingeschlagen, das heißt, man vermauert in regelrechter Weise den Eingang.

Nach dem Princip der Einzelhaft muß der Trank den letzten Besserungsproceß durchsitzen; dabei ist sein Gefängniß entweder mit Ober-, Stirn oder Unter-Eis gefüttert und eine stetig gleiche Temperatur von nur drei Grad über Null sorgt dafür, daß er in seiner Klärung nicht gestört werde, denn jeder Wärmezufluß trübt ihn sofort auf's Neue. Nach drei Vierteljahren erfolgt der Aufbruch; mit Kennermiene stehen die fackelerleuchteten Gestalten schweigsam in den schweigsamen Gewölben um das leisrieselnde Zapfenloch; ein Blick durch das Glas nach dem Licht und der Trank gleitet lautlos über die Zungen, bis ein gegenseitiges Kopfnicken die von der Erwartung gebannte Sprache löst und die Bestätigung giebt, daß der aufgeschlossene Trank sich würdig seinen Vorgängern anreiht und hinausgehen kann, die Welt zu erfreuen. Unzählige kleine Eimergebinde werden herbeigerollt und aus den großen Fässern verfüllt. Eine Dampfmaschine von zwanzig Pferdekraft thut den Tag über nichts, als sie hebt ähnlich einer Fördermaschine in Bergwerken die flüssigen Goldschätze zu Tage aus und in die dicht am Förderschachte harrenden Waggons. Wir wollen die Pichhäuser, die ausgedehnten Waschhäuser und Binderwerkstätten, sowie die Wohnungen und Küchen der Leute, die nach gutem altem Handwerksbrauch im Hause verköstigt werden, übergehen, man gönne uns dafür noch einige allgemeine Worte für die, denen die böhmischen Königstropfen noch böhmische Dörfer sind.

Daß sie gut schmecken, ist zur Genüge angedeutet, aber wie bekommen sie? Nun, wer den Trank auf die Nagelprobe stellen will, wir stehen ein, er riskirt nichts dabei und wenn es auch ein wenig über die Nagelprobe gehen sollte. Es ist dies zwar eine Empfehlung, die zugleich eine bedenkliche Beichte enthält, doch die Wahrheit wird ja nicht zu theuer erkauft und wir sind ja Alle keine Tilly's und wollen uns dessen freuen. Also: Zur Gesundheit!

Th. Gampe.




Charlotte Venloo.
Von E. Werber.
(Schluß.)


„Man konnte mir keine Stube für mich allein im Hospital geben,“ erzählte Don Huesbar, „und legte mich zu einem andern Blatternkranken, der ein Gutsbesitzer von Cuba war und Berduz hieß. Eines Tages kam ein Vertrauter zu mir und sagte mir, ich sei in Madrid des Betruges angeklagt und schon am nächsten Tage könne ein Verhaftsbefehl in Barcelona eintreffen. Wir wurden sehr schlecht im Hospitale verpflegt. Stundenlang ließ man uns allein; Berduz lag im Sterben. Ueber unseren Betten, welche einander gegenüber standen, hing eine Schiefertafel, die den Namen des Kranken trug. Ich verließ mein Bett und trat zu Berduz.

‚Wie befindet Ihr Euch, Sennor?‘ fragte ich.

Er antwortete mir nicht; sein Odem war kaum zu fühlen und seine Augen waren gebrochen. Da ergriff ich ihn mit beiden Armen, trug ihn in mein Bett und legte mich in das seine. Wir waren Beide so von Blattern bedeckt, daß man unsere Gesichtszüge nicht unterscheiden konnte. Als nach einer Stunde der Krankenwärter herein kam und an mein Bett trat, in dem Berduz jetzt lag, sagte er:

‚O, der ist schon todt – ich dachte, der Andere ginge zuerst.‘

Dann trat er zu mir und fragte:

‚Wie geht es Euch?‘

‚Schlecht,‘ antwortete ich.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_573.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)