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verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


trägt er seine Werbung in bester Form dem Vater vor. Dieser, sichtlich verlegen, bringt einen Vorwand nach dem andern zu Tage, bis er auf zunehmendes Drängen des ungestümen Freiers endlich mit der Sprache heraus muß. Als Graf Ubald erfährt, daß ihn die Erwählte verschmähe, verlangt er sie selbst zu sprechen, und nachdem auch dies ihm unter dem Vorwande verweigert wird, daß gegenwärtig ihre Betstunde sei, zieht Graf Ubald sehr erbittert ab.

Verwandlung: Ein Tiroler Wald, worin der Jordan fließt und zwischen anderen Stämmen auch Palmen wachsen. Graf Ubald erscheint mit seinem Vertrauten, dem Ritter Rädinger von Ebersberg. Letzterer ein ritterlicher Samiel in schwarzer Rüstung mit feuerfarbigem Mantel und dito Federzier auf dem Barett. In hellem, steifem Ingrimme theilt Graf Ubald dem Freunde die erfahrene Unbill mit.

„Man hat meine Hand ausgestoßen – bin verachtet – verschmähte Liebe verwandelt sich in Haas; – Rache!“

Der Vertraute erklärt sich zu jedem Beistande bereit. Wir erfahren, daß er es einzig dem Grafen Ubald verdankt, sich vom Roßknechte zum Ritter aufgeschwungen zu haben, und dafür mit ihm durch Himmel und Hölle gehen will. Eilenburg steht brütend und blickt finster wie eine Novembernacht. Plötzlich wird er unheimlich beweglich und entwickelt einen Plan, Hedwig zu rauben. Rädinger soll sie bei Gelegenheit ihres täglichen Armenbesuchs im Thale zu treffen und mit einem Vorwande in den Wald zu locken suchen; dort will Ubald im Verborgenen ein Zeichen durch Händeklatschen erwarten, um die Geliebte mit Gewalt zu entführen, und „wenn Legionen von Teufeln sie bewachen, es hilft nix!“

Abgang Beider. Nun betritt der Liebesheld, Guido von der Horst, die Scene. Er ist in Himmelblau, Weiß und Silber prachtvoll ausgerüstet, trägt einen wirklichen Harnisch, dazu weiße Tricots. Das rothe Kreuz ist mitten auf dem Rücken seines Mantels eingestickt. Ein bescheidenes Bewußtsein großer persönlicher Reize umgiebt ihn bei jedem Auftreten; dennoch blickt er melancholisch. Wir erfahren, daß er vom Kreuzzuge heimgekehrt ist und keinen Freund sein eigen nennt, als sein treues Schwert, welches er hierbei mit einem Ruck aus der Scheide zieht, aber lange nicht mehr dazu bewegen kann, in dieselbe zurückzukehren. Nun stutzt er: „Hülferuf? Nahende Schritte?“ Er verbirgt sich, um abzuwarten, was sich zutragen wird. Hedwig und Rädinger erscheinen. Dass sie in seiner Gewalt ist, muß wahr sein, da er es sagt; ihr selbst, die völlig regungslos steht, ist der Umstand nicht anzumerken. Auch erfahren wir von Rädinger, daß es Nacht ist und donnert. Sie fleht um Freiheit; als er finster mit dem Kopfe schüttelt, versucht sie Flucht, wird aber von ihm festgehalten. Da stürzt der blaue Held mit gezücktem Schwerte aus dem Gebüsche. Beide Ritter kämpfen, und im Nu hat sich die „Befreiung aus Räuberhänden“ vollzogen. Während die Schwerter klirren, ist Hedwig umgefallen wie ein Brett.

Sobald der Befreier den Feind verscheucht hat, tröstet er die Maid und erbietet sich zum Heimgeleite; da erscheint aber schon Vater Steinburg mit bewaffnetem Gefolge, die vermißte Tochter zu suchen. Sie berichtet ihr Abenteuer: „Sobald ich einen Schrei that, hat er mir einen Stopfel in den Mund gethan!“

Dank und Rührscene, wobei der alte Ritter den jungen zu sich auf die Burg einladet und ihm das beste seiner Habe als Lohn der rettenden That bietet.

Guido: „Lohn? Nimmermehr! Ich bin zwar nur ein Waise, aber ich kenne Ritterpflicht. Seid mein Freund und laßt mich ziehen.“

Steinburg: „Dieses ist mir ein Räthsel. Solches hat noch Keiner gesprochen.“

Umsonst bittet auch Hedwig um Guido’s Begleitung. Alles ab.

Nun tritt der böse Ubald auf und wundert sich, daß Niemand in die Hände klatscht. „Rädinger! Brichst Du mir Dein Wort, so will ich Deine Seele dem Teufel als Leckerbissen auf die Tafel setzen! Mein muß sie werden, wenn ich sie auch aus dem Winkel der Finsterniß reißen sollte!“

Wir erfahren, daß jetzt der Mond scheint. Der Vertraute kommt wüthend an und berichtet sein Mißlingen. Nun planen Beide, unter fleißiger Anrufung Beelzebubs, den Befreier in Stücke zu schneiden und den Wellen preiszugeben, die Steinburg aber zu umzingeln, mit Aufgebot aller Knappen zu überfallen, Jedermann in Stücke zu hauen und Hedwig zu entführen. „Ich muß sie haben, oder sterben! Halte mein Pferd bereit! Um Mitternacht treffen wir uns!“

Der Vorhang fällt.

Zweiter Act: „Der Rache Schwur“.

Rittersaal. Vater Steinburg seufzt im Gespräche mit Hedwig ahnungsvoll nach seinem fernen Sohne. Da ertönt ein Trompetenstoß, der Burgvogt stürzt herein, zu melden, daß die Burg umzingelt sei. Schnell besonnen giebt der Burgherr Befehle, bittet Hedwig, die sich durchaus nicht regt, doch nicht so zu zittern, segnet sie und enteilt. Nun wird das Fräulein von heißer Tapferkeit ergriffen und ruft nach Waffen. Sie reißt einen Säbel von der Wand, über dessen räthselhafte Existenz an dieser Stelle wir uns vorher schon den Kopf zerbrochen, zieht die Klinge aus der Scheide, als zöge sie eine Rübe aus dem Boden, breitet den linken Arm in die Luft, während sie die Waffe gleich einem Bratspieße vor sich hinbohrt, und stürzt ab.

Verwandlung. Freier Platz vor der Burgmauer, in deren Mitte ein großes Thor. Die dahinter aufragende Burg schließt die Kuppel des Tempels von Palästina ein, was jedoch der rittermäßigen Wirkung durchaus keinen Eintrag thut. Vor dieser Ringmauer sehen wir Eilenburg in Berathung mit Rädinger. Plötzlich schmettern Trompetenstöße, das Thor springt auf, Ritter, Vogt und Knappen brechen mit entblößten Schwertern heraus, Hedwig, als kühne Minerva mit gleißendem Helme auf dem Kopfe, Allen voran! Nachdem Feinde und Verfolger über die Scene gestürmt, verwandelt sich dieselbe wieder in den Rittersaal der Steinburg. Vom treuen Burgvogt geleitet, wankt der verwundete Burgherr auf einen Sessel und klagt, seine Tochter sei spurlos verschwunden. Getreulich wiederholt der Vogt jeden Augenaufschlag, jedes Händeringen seines Ritters, der plötzlich ruft: „Sterben will ich! Die Welt ist eine abgebrannte Wüste!“ Hierauf reißt er sich den Verband ab und sinkt um.

Verwandlung. Neuer Rittersaal ohne Säulen. Hedwig steht vor Eilenburg und macht ihm bittere Vorwürfe; er aber entgegnet: „Mein Werben wurde verschmäht, da entbrannte in mir der Zorn, und ich habe gethan, was mich jetzt reut!“

Obgleich es ihn reut, weigert er sich doch hartnäckig, ihr die geforderte Freiheit zu geben, nachdem ihr tollkühner Ausfall sie in seine Hände geliefert.

„Sei die Meine!“

„Eher den Tod!“

Nun bricht sein Ingrimm aus: „So war also Mord und Brand vor nichts – fort aus dem Herzen, heiße Liebesgluth! Und Du, grausame Maid, wähle zwischen meiner Hand und dem Burgverließ!“

Von Letzterem, Schauerthurm genannt, macht er ihr die haarsträubendste Beschreibung, und als sie trotzdem bei ihrer Weigerung bleibt, ruft er seine Schergen. Ihrer Zwei erscheinen in Kitteln von braunem Glanzkattun, hinten offen, wie das erste Gewand eines Säuglings, Stahlkappen auf den Häuptern. Sie blicken wild und führen Hedwig ab.

Verwandlung: Anmuthige Landschaft; im Hintergrunde das Innthal. Links ein Bauernhaus, von gemalten Palmen und wirklichen Buchenstämmchen umschattet; das Laub der Letzteren bewegt sich mit sehr hübschem Effect im Luftzuge. Schon die Anmuth dieser Scenerie kündigt eines jener Zwischenspiele an, die sich im Tiroler Bauernspiel stets mit dem eigentlichen Stücke vermischen, die unmittelbare Gegenwart mit ihren alltäglichen Gebräuchen und Zuständen darstellen, und dem Volkswitze freien Raum lassen. Hier weicht das bisherige Hochdeutsch dem Dialekt. Der Bauer zankt seinen vom Berge niederspringenden Geisbuab’n scharf aus; dieser verantwortet sich schnippisch, und nach lebhaften Gegen- und Einzelreden, welche in knappen, klaren Zügen die Charakteristik dieser beiden Persönlichkeiten zeichnen, begeben sich Beide in das Haus.

Nun erscheint Guido, der blausilberne Held, welcher diesmal, nur im Röckchen, Barett und Mantel, bei weitem weniger elegisch dreinschaut, als zuvor. Von ihm erfahren wir, daß es tiefe Nacht ist, worüber uns der Sonnenuntergang des Hintergrundes außerdem in Zweifel lassen könnte. Sehnsucht nach seiner Geretteten treibt ihn umher; er beschließt, der Einladung des Ritters nachträglich doch zu folgen, und klopft an das Bauernhaus,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1877, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_506.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2017)