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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


nun Proben der aus diesem Mineral gewonnenen Fabrikate, als da sind: Gußeisen, Stahl, Schmiedeeisen, Stahlfedern, Kettenglieder etc. So vortrefflich dieses System ist, so zweifelhaft erscheint bei näherer Betrachtung des Stundenplans das Resultat, denn der Religion, die bekanntlich mit dem Wissen nichts gemein hat, ist so viel Zeit gewidmet, daß unter der gütigen Fürsorge der Schulpatres und Schulschwestern die Naturgeschichte den lieben Kleinen aus Flandern und Brabant wenig Kopfzerbrechens machen wird.

Die Niederlande haben eine Ausstellung von Lehrmitteln und Schülerarbeiten ihrer Kunstschule zu Rotterdam veranlaßt, welche 1869 gegründet wurde, nur Knaben im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren unentgeltlichen Unterricht in der Technologie und den bildenden Künsten zu gewähren. Mehrere Cantone der Schweiz haben gleichfalls eine Lehrmittelausstellung ihrer Volks- und Gewerbeschulen veranlaßt, ebenso England und Canada. Das letztere hat das Mutterland bezüglich des Erziehungswesens fast in Schatten gestellt, und was in dieser canadischen Ausstellung besonderes Interesse erweckt, das sind die Lehrmittel für Blinden- und Taubstummenanstalten, welche allesammt Zeugniß geben von dem Geiste der Menschenliebe, welcher die Lehrer solcher Anstalten beseelen muß. Die amerikanischen Staaten haben zum Theile ebensolche Ausstellungen ihrer Blinden- und Taubstummen-Institute veranstaltet, und selbst das halbbanquerotte Mexico hat die Arbeiten seiner Wohlthätigkeitsanstalten zur Schau gestellt.

Eine hochinteressante Lehrmittelausstellung, namentlich in ethnographischer Beziehung, ist die des pädagogischen Museums zu Moskau, als deren eigentlichen Veranstalter sich der russische Kriegsminister nennt; es hat demnach den Anschein, als wäre die wahrhaft großartige Sammlung vorzugsweise den Militärschulen zur Benutzung angewiesen. Auch einer norwegischen Schulstube muß ich schließlich noch Erwähnung thun, in welcher Schülerarbeiten, sehr hübsche Karten zur Kenntniß der heimischen Thier- und Pflanzenwelt, der Verkehrswege und der fremden Ländergebiete, ausgelegt sind; außer einem Globus finden wir dann noch Abbildungen der heimischen Volkstrachten und einen Touristenanzug. In Norwegen und Schweden macht man die Heimathskunde zum Ausgangspunkte für Geographie und Geschichte; so sehr man dies immer loben muß, so begreift man doch nicht recht, wie die Touristenausrüstung in die heiligen Hallen einer Schulstube kommt, selbst wenn man annehmen wollte, daß norwegische Schulmeister mit ihren Zöglingen in den Ferien praktische Heimathskunde trieben.

Deutschland und Oesterreich, welche in Bezug auf Schuleinrichtungen, Lehrmittel und Leistungen der Volks- und Mittelschulen den Besuchern der Weltausstellung zu Wien so vieles zu zeigen hatten, ließen diesmal das Erziehungswesen ganz außer Acht.

Zum Glück für Deutschland trat der Buchhandel recht kräftig ein, und so fanden die Fremden in der wahrhaft geschmackvoll eingerichteten Gruppe deutscher Verlagswerke einen ziemlich reichen Vorrath an guten pädagogischen Schriften und vorzüglichen Kartenwerken. Gewiß darf man annehmen, daß sich das Wesen eines Volkes in seiner literarischen Production wiederspiegelt, und wenn wir dem deutschen Buchhandel in der Centennial-Ausstellung eine eingehendere Beachtung schenken, so müssen wir gestehen, daß keine andere Nation in diesem Spiegel eine so große Vielseitigkeit und gleich gesunde geistige Richtung offenbart. Aus der Masse von Jugendschriften und Familienjournalen, deren wir uns erfreuen, geht ferner hervor, daß unser deutsches Familienleben in allen Schichten der Gesellschaft ein inniges ist. Wir haben auch Freude am Schönen; das beweisen die guten Illustrationen der Unterhaltungsblätter und Dichterwerke, die musikalischen Werke unserer Componisten, die große Menge der Farbendruckbilder, welche das Heim der weniger Bemittelten schmücken sollen.

Die Ausstellung französischer Verlagsbuchhändler ist nur insofern glänzender als die deutsche, als es einige Pariser Firmen, in deren Händen sich beinahe der ganze französische Buchhandel concentrirt, leicht wurde, die besten Werke aus jedem Zweige der literarischen Production zusammenzustellen und dann Prachtwerke in die vorderste Linie zu stellen, wie Doré’s „Dante“ oder jene berühmten Evangelien, an denen drei der besten französischen Maler arbeiteten und deren Herstellung der Firma Hachette 1,200,000 Franken gekostet haben soll.

Die amerikanische Buchhändlerausstellung ist die charakteristischste von allen, denn in dem schönen zweistöckigen Pavillon, den dieselbe einnimmt, gehört der untere Stock zum großen Theil den Bibelgesellschaften, welche das Buch aller Bücher in zweihundert Sprachen ausstellten, dann den Methodistengemeinden mit ihren Erbauungsschriften und den Mäßigkeitsvereinen und ihren Warnungsschriften und Bekehrungstractätchen. Neben diesen Gesellschaften fand man übrigens eine Ausstellung der Association für sociale Wissenschaften, deren Wirksamkeit eine überaus lobwürdige ist, denn dieselbe strebt mit großer Energie den socialen Fortschritt an. Fast der ganze obere Stock ist den pädogogischen Schriften eingeräumt, und vom Kindergarten bis zur Universität finden wir alles vertreten, was die Union an guten Lehrmitteln aufzuweisen hat. Von den großen Verlagsbuchhandlungen haben nur wenige ausgestellt, und unter diesen wenigen hat die Firma Lippincott und Comp. in Philadelphia einen besonderen Pavillon gebaut. Erwähnung verdient die überraschende Thatsache, daß man in der Ausstellung der Amerikaner die geschmackvollsten und solidesten Buchbinderarbeiten fand.

Eine Ausstellung, welche dem Erziehungswesen eigentlich sehr nahe steht, hatte Mr. Bergh, der Präsident des New-Yorker Vereins zur Verhütung von Thierquälerei veranstaltet. Dies war die originellste und seltenste Erscheinung, welche man je auf einer Ausstellung sah, denn sie bestand in blutbesudelten Kampfhähnen, halbzerrissenen Bulldoggen, zerschossenen Tauben, den Photographien von geschundenen und abgetriebenen Pferden, Marterinstrumenten, mit denen brutale Kerle das arme Vieh gepeinigt hatten, und was dergleichen Dinge mehr sind, welche gegen jene Ungerechten zeugen, die sich nicht ihrer Thiere erbarmten. Bergh, der unerschrockene Vertheidiger mißhandelter Geschöpfe, ging bei dieser Ausstellung, die vielleicht nicht ganz in den Rahmen eines Industriepalastes paßt, von einem sehr richtigen Grundgedanken aus; er wollte nämlich den Thierquälern, so weit sie, bestraft oder unbestraft, in der Welt herumlaufen, zeigen, daß die geringe Buße, welche der Polizeirichter dem einen oder anderen unter ihnen auferlege, das begangene Unrecht allein nicht sühne, sondern daß es eine noch empfindlichere Strafe gebe, die Verachtung aller guten Menschen, darum bezeichnete er jedes gemarterte Thier und jeden Prügel mit dem Namen und der Strafe dessen, welcher der Thierquälerei als schuldig befunden wurde. Wie schonungslos Mr. Bergh in diesem Punkte vorging, beweist der Umstand, daß er auch die Patent-Office zu Washington mit an den Pranger stellt. Diese hatte nämlich ein Maschinchen zur Anfertigung sogenannter Stachelleder patentirt, welche thierquälerische Kutscher derart am Gebiß der Pferde anbrachten, daß sich bei jedem Ruck die Stacheln in das weiche Maul der Thiere eingruben. Bergh stellte nun das Thierquälermaschinchen so aus, daß dem Beschauer sofort das Patentzeichen in die Augen fiel.

Was das eigentliche Kunstgewerbe betrifft, so nimmt fast bei allen modernen Völkern die Kunsttöpferei den breitesten Raum ein. Im Grunde sollte man das auch natürlich finden, denn die Cultur eines Volkes beginnt beim Kochgeschirr. Seltsamer Weise hat das modernste aller Culturvölker, das amerikanische, in diesem Punkte so gut wie nichts geleistet. Seine Porcellane und glasirten Waaren sind geschmacklos in der Form wie in der Bemalung; nirgends verräth sich ein schöpferischer Zug, und auch seine Terracotten sind in jeder Beziehung unbedeutend. Die Amerikaner haben auf diesen Felde von den Franzosen, Engländern und Deutschen noch unendlich viel zu lernen. Was die vornehmste Seite der Kunsttöpferei betrifft, ich meine die Porcellanmanufactur, so war die Schöpfung Bötticher’s, das alte Meißen, gar nicht vertreten, Berlin hatte dagegen seine stolzen Vasen, die von bedeutenden künstlerischen Kräften bemalt sind, in der Rotunde aufgepflanzt und erntete damit viel Bewunderung. Es sind meist Nachbildungen berühmter Meisterwerke und zwar Compositionen erhabener Stils, welche man als Decoration dieser Porcellanvasen verwandte, und das ist im Grunde falsch, denn großartige Schöpfungen gewinnen nicht durch die Verkleinerung. Gelungen in der Form waren fast alle diese Prachtstücke. An schönen Gebrauchswaaren hatte die königlich preußische Porcellanmanufactur einen gefährlichen Rivalen an der französischen Staatsmanufactur zu Sèvres, die zwar nicht selbst ausgestellt hatte, aber doch durch einige vorzügliche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_607.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)