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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


von ein Fuß mehr zu geben, als den gewöhnlichen der Sommer- und Herbstmonate.

5.) Endlich: die Wasserhaltungen können mit einer wenig von dem angegebenen Kostenanschlage abweichende Summe beliebig an Zahl vermehrt werden.

Dieser interessante Bericht, der in Buchform im Laufe dieses Jahres, mit zehn Situationsplänen, Längen- und Querprofilen und Zeichnung von Dämmen versehen, in New-York publicirt wurde, schließt mit der Bemerkung, daß es weder nothwendig noch rathsam sei, die Ausführung des ganzen Projectes gleich zu beginnen, und daß es genüge und sich empfehle, erst gewisse von ihnen benannte Reservoirs zu schaffen, welche, den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechend, einen Wasservorrath von sechs bis vierzehn oder selbst zwanzig Millionen Kubikfuß Wasser zu halten und abzugeben im Stande wären.

Wenn ich im Vorstehenden manches Technische angeführt habe, so that ich es, um die Größe des Unternehmens einerseits, andererseits aber auch dessen Ausführbarkeit und gewaltige Erfolge auch dem Laien begreiflich zu machen, und ich wage anzunehmen, daß es mir gelungen ist, in diesem Sinne blos das durchaus Nothwendige hervorzuheben und nichts Wesentliches zu verschweigen. Sachverständige, die einen näheren Einblick in das Project wünschen, muß ich auf das Buch selbst verweisen,[1] das zu einem sehr mäßigen Preise zu haben ist.

Und nun sei mir zum Schlusse gestattet, noch kurz auf die „Moral meiner Arbeit“ zurückzukommen. So groß auch der Reiz ist, meinen Landsleuten vorzuführen, was eine junge Nation mit verhältnißmäßig wenigem Capital in der ungeheuren Aufgabe leistet, den Kampf für das Dasein mit den für unbezwinglich gehaltenen Naturkräften zu führen und als Sieger daraus hervorzugehen, so würde derselbe mich doch nicht zu der Arbeit und zur Inanspruchnahme dieses werthvollen Blattes bewogen haben, wenn ich nicht im Hinblick auf die außerordentlichen in fast ganz Europa aufgetretenen Ueberschwemmungen dieses Jahres diesen Kampf für einen solchen hielte, den wir je eher, je lieber auch in Deutschland beginnen sollten. Haben doch so einflußreiche Blätter, wie die „Independance Belge“, das zweite Kaiserthum für die gräulichen Verwüstungen im Süden Frankreichs verantwortlich gemacht, jenes Kaiserthum, „das, obwohl gewarnt durch die großen Ueberschwemmungen der Loire und Rhone im Jahre 1855, doch nichts that, und Millionen auf einen ungerechten und hoffnungslosen Krieg in Mexico verschwendete“.

Es liegt außer meiner Sphäre – wenn es in meinem Vermögen läge –, die Gründe der jetzt so häufigen und zerstörenden Ueberschwemmungen auszuführen. Für meinen Zweck genügt die unbestreitbare und Jedem verständliche Thatsache, daß die Existenz und der Wohlstand von Millionen unserer Mitbürger jedes Frühjahr durch anscheinend uncontrolirbare Wassermassen bedroht sind, welche wir jedenfalls nutzlos, wenn nicht schadenbringend, an uns vorbei rauschen lassen, während wir sie, oft nur wenige Monate später, für unsern Acker-, Garten und Wiesenbau, für unsere Industrie, unsere Schifffahrt, ja oft für Menschen und Hausthiere sehnsüchtig zurück wünschen.

Ganz im Kleinen und nur zum Zwecke der Aufspeicherung zu späterem Gebrauche, nicht aber zur Verhinderung oder Mäßigung von Ueberschwemmungen, ist meines Wissens das Heilmittel in Deutschland bereits angewendet. So hat man z. B. zur Speisung des so höchst wichtigen Saarcanals Wasserhaltungen angelegt, und die Fabrikanten des so äußerst industriellen Münsterthales im Elsaß haben einen der im Hochgebirge der Vogesen gelegenen Seen, denen die Lebensader ihrer Gewerbthätigkeit, die Fechte, entströmt, um zwölf Fuß aufgedämmt. Beide Experimente haben sich nach Maßgabe ihrer Ausdehnung bewährt. Es kann nun nicht bestritten werden, daß die Verhältnisse, auf denen das New-Yorker Project basirt, sehr verschieden sind von denen des tributpflichtigen Gebietes der meisten deutschen Ströme. Die Amerikaner können in dieser, wie in so vielen anderen Beziehungen aus dem Großen und Ganzen schneiden. Die topographische Beschaffenheit des größten Theiles ihres Gebietes, die Spärlichkeit der Bevölkerung und der gerade in den Quellengebieten der Flüsse meistens sehr geringe Werth von Grund und Boden sind ihnen sehr günstig, während andererseits aber auch in Deutschland die im Vergleiche mit Amerika sehr billige Arbeit und die guten Verbindungswege auf den Kostenpunkt günstig einwirken.

Allein es darf nicht übersehen werden, daß in den Culturländern Europas durch die dichte Bevölkerung und die damit verbundene Ausnutzung des fließenden Wassers einerseits die Gefahr der Ueberschwemmungen viel bedenklicher und andererseits die aus einer Regulirung und Ausgleichung des Frühlingsüberflusses mit dem Sommer- und Herbstmangel zu erntenden Vortheile weitaus bedeutender werden. Der materielle Gewinn, der unserer Nation blos mit der Ausnutzung des Rheines und seiner schiffbaren Nebenflüsse, nach Art der für den Hudson vorgeschlagenen, erwachsen würde, ist ein ganz unberechenbarer, abgesehen von den Nachtheilen, deren sie sich durch Abwendung von Ueberschwemmungen enthöbe, und dem bisher unbekannten Sicherheitsgefühle, das den Anwohnern von Wasserläufen gegeben würde.

Sehr bedeutende Summen werden seit einem halben Jahrhundert an die sogenannte Correction unserer Flüsse gewendet, das heißt, es wird alles Mögliche gethan, um während der trockenen Jahreszeit das Bischen Wasser so zusammenzudrängen und zusammenzuhalten, daß eine nothdürftige Schifffahrt stattfinden kann, und es wird mit sehr kostspieligen Dämmen längs dem Ufer, oft doppelten, das dahinter gelegene Land zu schützen gesucht. Ich verwerfe diese Schritte nicht, allein es scheint mir, daß man mit diesem Uebel ebenso verfahren sollte, wie mit jedem andern, das heißt man muß es in seinen Quellen angreifen, da, wo es noch in den engen Schluchten der Gebirge zu bemeistern ist, und nicht erst, wenn es im Flachlande überwältigend geworden. Aus meiner Jugend – sie fällt in das zweite Jahrzehnt dieses Jahrhunderts – erinnere ich mich, daß in der Umgegend meiner von einem starken Bache umflossenen Vaterstadt eine Menge kleiner Teiche sich in den Anfängen der Wiesenthäler befanden. Diese Teiche haben herrlichen Wiesen Platz gemacht, aber der große Bach ist zu der Breite eines Zwirnsfadens zusammengeschmolzen.

Ob, wie von urtheilsfähigen Männern behauptet worden, die Herstellung einer großen Anzahl von größeren Teichen oder kleineren Seen im Quellengebiete unserer Flüsse einen Einfluß ausübt aus die Erzielung eines gleichmäßigeren Klimas und eines stärkeren atmosphärische Niederschlages, wage ich nicht zu entscheiden, allein ich darf wohl behaupten, daß, außer den von den New-Yorker Ingenieuren dargethanen Vortheilen, dieselben wesentlich auch im Interesse eines rationellen Be- und Entwässerungssystems sowie einer ausgedehnten Fischzucht nutzbar gemacht werden könnten. Ich bin geneigt, den letzteren Vortheil besonders hoch anzuschlagen. Keine Nation ißt so wenig Fisch wie die deutsche, und es scheint mir, daß, abgesehen von dem Wohlgeschmacke, der in dem Fischfleische stark vertretene Phosphor sich als Gegenwirkung gegen den täglich sich mehrenden Biergenuß und zugleich als angenehmes Reizmittel geistiger Thätigkeit sehr empfehle.

C. N. R.




Dichtermütter.
Von J. Loewenberg.


„Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich.“

Goethe’s „ Faust“.


Es ist eine alte und richtige Bemerkung, daß die größten Männer aller Zeiten einen wesentlichen Theil ihrer geistigen Eigenart den geistigen Spillgütern der Mutter zu danken haben. Von der Mutter stammen die Keime ihrer Anlagen und Neigungen; die Mutter war es, welche sie zumeist gehegt und gepflegt hat. Aus dem Wesen der Mutter wuchs die Größe und Eigenthümlichkeit der Söhne heraus.

Wie erinnern zum Beweise hierfür nur an den weltumklammernden

  1. Annual report of the Canal Commissioners of the State of New-York. Transmitted to the Legislature January 5, 1875, Albany. (E. Steiger, Frankfurt Str., New-York.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_721.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)